„Du schwitzt, Liebste.“ Wilm wischte mir mit seinen großen dunklen Händen die schweißverklebten Haare aus der Stirn. Verwirrt sah ich ihn an, überrascht, nicht den schmalen, rotblonden Mann aus meinen Gedanken vor mir zu haben. Wilm war riesig, breit und hatte eine solch dunkle Haut, als stamme er aus den Ländern vom Mittelmeer. Er hatte einmal erzählt, dass sein Großvater als Söldner im Dreißigjährigen Krieg in unsere Gegend gekommen war und sich mit einer Frau von hier vermählt habe. Man hatte ihn Jupp genannt, aber sein richtiger Name lautete Guiseppe und er kam von einer Insel, wo gelbe Früchte von der Größe eines Apfels an den Bäumen wuchsen, die furchtbar sauer schmecken sollen. Von diesem Großvater hatte Wilm, eigentlich Wilhelm, seinen dunklen Teint und die tintenschwarzen Locken geerbt. Angeblich auch das dichte Kraushaar auf seiner Brust, in dem ich so gern meine Finger vergrub.
Auch jetzt kuschelte ich mich an seine breite Brust. Wilm fror selten und trug nur in den kältesten Wintermonaten ein Nachthemd. Den Rest des Jahres schlief er nackt unter den Decken und er liebte es, wenn ich es ihm gleichtat, denn er strömte genug Hitze für zwei aus. Natürlich verriet ich niemandem von meinem sündigen Tun. Es gehörte sich nicht, nackt zu schlafen, eigentlich war es nicht einmal recht, wenn mein Gatte mich komplett nackt sah. In Ermangelung einer Mutter hatte meine Tante Alke mir in meiner Brautnacht erklärt, ich müsse das Nachtgewand bis zu den Hüften schürzen und lernen zu ertragen, was dann geschah. Das war eine weitere Sünde, die ich nicht zur Beichte tragen konnte: ich genoss den Beischlaf mit meinem Mann über alle Maßen und oft war ich es, die ihn herausforderte, meine Hüften zu nehmen. Dabei sollte ich doch die Schüchterne, Passive spielen und seine Berührungen nur erdulden. Die nächste Sünde war es, dass ich sogar jetzt noch meine ehelichen Pflichten erfüllte, obwohl ich das Kind schon in mir trug. Dabei wurde uns in der Kirche immer gepredigt, dass der Beischlaf einzig der Vermehrung diene und keinesfalls der Lustbefriedigung. Aber um Sünden hatte ich mich nie groß geschert.
Des Glückes Krönung
Nun bin ich tot und die Rauchwolken des Fegefeuers wollen mich verschlingen! Das kann ich nicht zulassen, meine Aufgabe auf Erden ist noch nicht erledigt! Wilm wird über seinen Kummer hinwegkommen, er ist stark … aber meine Kleine, ich kann doch meine Kleine nicht im Stich lassen!
Eine kleine Schmerzwelle wanderte durch meinen Körper und ich zuckte ein wenig. Der Morgen graute, aber wir konnten noch ungefähr zwei Stunden ruhen.
„Mir ist ein wenig übel“, murmelte ich und presste die Stirn an seine Brust.
Wilm schob mich von sich weg und sah mir tief in die Augen. „Ist es das Kind? Wird es kommen?“
Eine Geste der Ahnungslosigkeit war die Antwort. Die anderen Frauen hatten gesagt, ich werde es wissen, wenn es so weit sei, doch mein Geist war so verwirrt, dass ich mich kaum auf meinen Körper konzentrieren konnte.
Sanft bettete Wilm mich zurück und strich mit den Händen über meine Brüste, drückte und knetete die Warzen.
Ein Lachen gluckerte in mir. „Was machst du denn da?“
„Bei den Ziegen bildet sich ein Harz am Euter und später beginnt die Milch zu fließen, wenn das Zicklein kommt.“
Ich kicherte. „Bin ich eine Ziege?“
Er verrieb ein wenig gelbe Flüssigkeit zwischen Daumen und Zeigefinger. „Sieh her!“
Dann spreizte er meine Beine und sah auf meine intimste Stelle. Nun schnappte ich laut nach Luft und schubste ihn zurück. „Das gehört sich nicht, Wilm!“
„Pah“, schnaubte er, der zwar ein tiefgläubiger, aber eben auch ein sehr praktischer Mensch war. Seiner Meinung nach hatte Gott den Menschen die Gelüste gegeben, um Freude aneinander zu haben und er glaubte nicht, dass sie Teufelswerk waren, um die Beständigkeit des Menschen zu prüfen. Er fuhr mit seiner Untersuchung fort, dann schnalzte er mit der Zunge und sprang federnd aus dem Bett.
„Ich werde die Hebamme holen.“
„Aber Wilm, ich spüre kaum etwas!“
„Glaub mir, noch heute wird unser Kind geboren werden. Du hast gestern sicherlich ein Tänzchen zu viel genossen.“ Eine leise Andeutung von Missbilligung schwang in seiner Stimme mit, während er in sein Wams und die Hosen schlüpfte. Durch die geöffnete Tür tappte unsere graugetigerte Katze Luise und sprang zu mir ins Bett, wo sie sich wohlig schnurrend an meinem Bauch zusammenrollte.
„Dann bereite ich schon mal das Mittagessen für dich vor, denn vielleicht habe ich nachher nicht mehr die Gelegenheit dazu“, grinste ich meinem Mann zu.
Er zog mich zu einem innigen Kuss an sich und machte sich auf den Weg.
Meine Mutter ist im Kindbett gestorben. Zusammen mit meinem kleinen Bruder. Er lebte nur fünf Stunden, sie nur noch zwei Tage nach der Geburt. Der Pfarrer war rechtzeitig da, um meinen Bruder auf den Namen Alfons zu taufen und meiner Mutter die Beichte abzunehmen. Dann starben sie und wurden auf dem Friedhof in einem gemeinsamen Grab beigesetzt. Als mein Tod nahte, nahm mir niemand die Beichte ab und ich verließ diese Welt mit einer Seele, die dunkel und fleckig war von den Sünden, die ich auf mich geladen hatte: Eitelkeit, Ignoranz, Lust, Überheblichkeit und manches mehr …
Nun liegen meine Überreste verscharrt in ungeweihter Erde und der Nebel kommt näher und näher …
Gegen Mittag waren die Schmerzen stärker geworden, aber noch gut zu ertragen. Kurz nach dem Mittagsläuten betrat Annamaria unser Haus. Ihr langes, dunkles Haar trug sie wie immer offen, eine Tradition ihrer Jugend, die sie nicht aufgeben wollte. Annamaria war keine unansehnliche Frau. Sie war nur sehr groß, größer als mancher Mann, was einige Burschen abschreckte und sie selbst hatte mir einmal verraten, dass sie keinen Ehemann ernst nehmen könne, dem sie auf den sich lichtenden Scheitel sehen könne. Sie hatte eine helle, fast blasse Gesichtsfarbe, die ihre dunklen Augen unnötig betonte. Ihr Körper war sehr schlank und sie war nahezu flachbrüstig. Sie hätte einen stattlichen, jungen Mann abgegeben, aber leider war sie eine Frau geworden.
Sie zeichnete sich mit Intelligenz und Fleiß aus, geschickt in der Handarbeit und beim Gärtnern und ihr Bruder und die Neffen konnten froh sein sie zu haben, dankten es ihr aber nicht, weil sie ihr Dasein als selbstverständlich hinnahmen.
Zudem war Annamaria mit einer spitzen Zunge geschlagen, die sie oft nicht kontrollieren konnte und sie war so bettelarm, dass sich kein Mann ihrer erbarmen konnte. In den letzten Jahren hatte ich oft verspürt, dass ihre Stimme immer schneidender geworden war und sich ein bitterer Zug in ihren Mundwinkel gegraben hatte, aber kaum war mir dieser Gedanke gekommen, hatte ich ihn auch schon wieder vergessen.
Ich war kein mitfühlender Mensch. Mit Freundlichkeit, Heiterkeit und Leichtlebigkeit eroberte ich meine Mitmenschen, aber ich kümmerte mich nicht besonders um ihre Probleme, wie ich heute zugeben muss. Bezeichnend dafür ist, dass ich mich von einem wildfremden Mann küssen ließ, ohne auch nur ein schlechtes Gewissen zu verspüren.
Wenn ich ehrlich bin, stellte ich mir sogar vor, wie diese kühlen, blassen Hände meine Taille umfingen, wie seine hellen Lippen über meine Schultern und den Ansatz meiner Brüste streiften.
Annamaria griff sich als Erstes den Besen und begann, alle drei Räume, die Bettkammer, den Wohnraum und selbst Wilms Werkstatt auszukehren. Irgendwie fand ich mich innerhalb weniger Minuten mit einem Becher voll Kräutertee auf einen Hocker gedrückt und sah meiner Freundin zu, wie sie das Regiment übernahm.
„Hast du in deinem Haus nicht genug zu putzen?“, fragte ich schwach lächelnd.
Annamaria