Der lange Weg nach Yullima. Logan Kenison. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Logan Kenison
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754171523
Скачать книгу
und Reisesystem vollzogen hatten. Der Weltraumhafen Kumnihl war vor 55 Jahren erbaut worden und bildete eines der vier planetaren Portale zu anderen Welten; hier herrschte ein Kommen und Gehen, dort wurden zahlreiche Artikel importiert, und das universell bekannte Garmet exportiert.

      Vor über 70 Jahren hatten die Efrikinger zusätzlich zu ihrer Sprache Evrikka, die meistenteils aus Kehl- und Belllauten bestand, die allseits bekannte Weltraumsprache Y’gali eingeführt, sodass ein Austausch mit Besuchern anderer Welten, Rassen und Spezies möglich geworden war. Filme, VR-Einzel- wie auch Massenevents, ja sogar Opern und Dichterlesungen wurden auf dem ganzen Planeten in Y’gali ausgestrahlt, sodass jeder Efrikinger die Sprache von klein auf lernte und beherrschte. Diese Methode hatte eine Generation gutausgebildeter zweisprachiger Humanoiden hervorgebracht, die sich auf beiden Verständigungsebenen perfekt zurechtfanden und von Natur-Y’gali-Sprachlern stets bewundert und gelobt wurden.

      Doch die Verbindung mit den Außenwelten bewirkte auch, dass langsam neue Moden, neue Denkweisen, neue Ideen, neue Bautechniken, neue Technologien Einzug hielten, die den älteren Generationen nicht so sehr behagten. Viele verdammten offen den Anschluss an den Weltraumhandel und forderten eine Rückkehr zu den althergebrachten Werten, die sie in Gefahr sahen. Allein, es war zu spät. Das Tor, einmal geöffnet, konnte nicht wieder zugeschlagen werden; und so lebten viele ältere und alte Efrikinger in Verbitterung und Sorge über die Veränderungen, die sie um sich herum beobachten mussten, und die sie für einen Ausbund des Teufels hielten.

      Doch die Stimmen wurden weniger und leiser, denn die alten Generationen dünnten aus, starben weg, und die Nachkommen waren offener eingestellt. Richter kannte Elron nun schon seit zwölf Jahren, und der einstige junge Mann hatte sich zu einem stolzen Efrikinger entwickelt, breitschultrig, mit struppigem Haar und buschigem Bart, wie es auf seinem Planeten immer noch Mode war. Er hatte Richter vor wenigen Tagen eine Funkmail gesandt, in der er um ein Treffen bat, was Richter natürlich aufgrund der Erinnerung an alte Zeiten sofort zugesagt hatte.

      Nun stand er also hier, an der Fels- und Geröllküste nahe der Stadt Osthaven, und wartete darauf, dass Elrons Boot die Distanz überwand. Richter konnte inzwischen die Umrisse des Segels und die Silhouette des Boots ausmachen. Es war keines dieser großen Drachenschiffe, die auf Efriking so beliebt waren, für die man jedoch viele Männer benötigte, um sie zu steuern und unter Kontrolle zu halten, sondern ein kleineres, einer Jolle nicht unähnlich, jedoch in derselben Form geschnitten wie die großen Drachenboote, mit einem geschnitzten Drachenkopf am Bug, mit einem ebenfalls rot und weiß gestreiften Segel, das von einem einzigen Mann gefahren werden konnte.

      Es war inzwischen nähergekommen, und Richter entdeckte die Person, die hinten auf der Heckbank kauerte und die Ruderpinne fest umklammert hielt, um das Boot ungeachtet von Wellen und Wind auf Kurs zu halten.

      Unwillkürlich machte Richter zwei, drei Schritte nach vorn, bis die schäumenden Wellenausläufer nach seinen Stiefeln grabschten. Er hatte qualitativ hochwertiges, wasserdichtes Schuhwerk an und fürchtete das Salzwasser nicht. Schon hob er die Hand, um den Freund willkommen zu heißen, als er sah, dass Elron zusammengekrümmt an der Pinne saß, vielleicht sogar hielt ihn die Pinne überhaupt erst aufrecht.

      Richter wurde schlagartig bewusst, dass etwas geschehen sein musste. Dies war nicht der Elron, den er erwartet hatte; nicht das Treffen zweier Freunde, das er sich ausgemalt hatte. Hier war etwas vorgefallen, das seinen Freund in höchste Gefahr gebracht hatte. Vielleicht war er verletzt worden; vielleicht hatte er mit letzter Kraft fliehen können, vielleicht würde er es in seinem Zustand gar nicht mehr an Land schaffen.

      Ohne auf das kalte Wasser zu achten stürmte er vorwärts, watete in die Wellen hinein, kämpfte sich voran, Meter für Meter, bis sie ihn hüfthoch umschlugen, und er drohte, von ihnen mitgerissen und fortgezogen zu werden. Er musste alle Kraft aufwenden, um seine Position zu halten, und es schien ihm, als dauerte es eine Ewigkeit, bis das Boot endlich nahe genug herangekommen war, und er die Hand auf die Bordwand legen konnte.

      Jetzt konnte er auch den Namen lesen, der in blutroter Schrift an der Außenwand angebracht war: Föroyar. Er glaubte, vor einiger Zeit in einem der Mails, die er und Elron gewechselt hatten, gelesen zu haben, dass sein Freund ein Boot dieses Namens besaß, doch hatte er es inzwischen wieder vergessen … wie so vieles andere auch. Jetzt kam es ihm in Erinnerung, und als er sich nun mit beiden Händen aus dem Wasser hievte und mühsam an Bord der schaukelnden Jolle kletterte, sah er das schmerzverzerrte Gesicht Elrons im Mondlicht, und wusste, dass er mit seiner Vermutung, seinem Verdacht, seiner Befürchtung recht gehabt hatte: Elron war etwas zugestoßen.

      Er kämpfte sich auf den glitschigen, im Wellengang steigenden und abfallenden Planken zu dem verletzten Freund vor, doch dann wusste er nicht, was er tun sollte. Er konnte Elron schlecht zur Seite herausziehen, denn das hieße, das Boot ohne Steuermann zu lassen. Er konnte ihn nicht verarzten, nicht nachsehen, welcher Art seine Verletzung war. Nicht, solange sie nicht festen Boden unter den Füßen hatten.

      So beschränkte er sich darauf, neben Elron niederzuknien, ihm den Arm auf die Schulter zu legen und ihm ins Ohr zu raunen: »Ich bin bei dir, Elron, du brauchst keine Angst zu haben, wir bringen das Boot an Land und ich sehe nach dir.«

      Elrons Kehle entsprang ein Stöhnen, und die schmerzgeweiteten Augen blickten Richter an. Keimte da so etwas wie Hoffnung in ihnen auf? Freude? Erleichterung? Richter hoffte es inständig. Er wollte dem Freund unbedingt helfen, und wusste doch nicht, wie. Er hatte keine Ahnung, wie man solch ein Boot steuerte, noch wie man Wunden verarztete. Er konnte nur nach dem gehen, was er sich im Kopf zurechtlegte, was seine Intuition ihn riet – und das war ziemlich wenig, und vielleicht war ohnehin alles verkehrt.

      Er setzte sich neben Elron auf die Heckbank, half ihm, die Ruderpinne zu halten, schützte seinen Freund zumindest auf dieser einen Seite vor dem kalten brausenden Wind, und hoffte, etwas von der Geborgenheit und Wärme ihrer Freundschaft, die er selbst empfand, auszustrahlen und zu übertragen.

      Es schmerzte ihn, das verzerrte Gesicht Elrons so nahe neben sich zu sehen, die bekannten Züge, die er als junger Mann schon gekannt kannte, die jetzt jedoch unverkennbar älter und reifer geworden waren; die Züge eines Mannes, der das Leben kennengelernt, den einen oder anderen Kampf ausgefochten und die eine oder andere Frau geküsst hatte. Und er hörte Elron keuchen und stöhnen, bei jedem Ruck, der durch das Boot ging, bei jeder Welle, die es hob und wieder in ein Tal aus Wasser hinabfallen ließ.

      Und da sah er das schwarze Blut auf seinem Wams, auf der Brust.

      Ein abgebrochener Pfeilschaft ragte heraus – ein solch kurzes Stück, dass Richter oder auch ein Arzt Mühe haben würde, es ganz herauszuziehen.

      Er überlegte fieberhaft, wie er Elron an Land und danach zu einem Mediziner schaffen konnte. Er war mit einem Kret herausgeritten, einem jener grobschlächtigen und mächtigen Pferde, die in den letzten tausend Jahren der Landwirtschaft auf Efriking so gute Dienste geleistet hatten – und auch bei kriegerischen Auseinandersetzungen unter den Stämmen eine große Rolle spielten. Das Kret konnte mühelos zwei Männer tragen, doch wie konnte er Elron zu dem Tier und auf das Tier hinaufschaffen? Elron würden furchtbare Schmerzen bevorstehen. Also überlegte Richter, ob er eine Art Schleppe bauen konnte, auf die er den verletzten Freund legen konnte. Doch, zur Hölle nochmal, es war so dunkel, und wann immer er einen Blick zu den Schwarztannen hinüberwarf, sah er nichts als undurchdringliche Schwärze. Wie sollte er eine Schleppe bauen, wenn er nicht einmal sah, wo es das Holz dafür gab?

      Also bis zum Morgengrauen warten?

      Richter war nicht sicher, ob Elron so lange durchhalten würde.

      Er musste Hilfe erhalten, und er musste sie schnell erhalten – oder alles war vergebens.

      Wie lange war Elron bereits auf dem Meer unterwegs? War er an Land angeschossen worden, bevor er das Boot bestiegen hatte? Hatte er es mit letzter Kraft auf sein Boot geschafft und war er vor dem Angreifer aufs Wasser hinaus geflohen?

      Richter hatte hundert Fragen, doch wagte er nicht, Elron eine davon zu stellen. Nicht jetzt. Nicht, solange es dem Freund so schlecht ging und Richter darum rang, auf irgendeine Weise Hilfe für ihn zu erlangen.

      Der Kiel der Föroyar lief knirschend auf Kies, und der Ruck hätte