Katharina Gato
Bittere Erdbeeren
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Inhaltsverzeichnis
PROLOG
Mit tränenverhangenen Augen schaut Katharina in dem voll besetzten Kino auf die Leinwand. Gedanken stürmen auf sie ein. Gibt es hier Menschen, die so etwas auch erlebt haben? Der Film „Systemsprenger“ ist emotional kaum auszuhalten. Katharinas Atem stockt. Schluss. Im Raum herrscht für einen Moment absolute Stille. Dann folgt hier ein Aufschluchzen, da ein Schnäuzen, dort ein Räuspern. Langsam geht das Licht an. Der Psychologe und Kinder-/Jugendpsychiater vom Balintinstitut Hamburg steht auf. Sichtlich betroffen steht er da, um sich den Fragen zu stellen. Diese kommen nur zögerlich.
Katharinas Mund ist trocken. Ihr brennen so viele Fragen in der Seele, auf der Haut, in der Brust. Aber nur eine Frage, die noch nicht gestellt wurde, drängt sich vor alle anderen. Sie braucht darauf eine Antwort. Einen Trost. Ihre Hand hebt sich und sie stellt nur diese eine Frage in die Stille hinein: „Gibt es eine Statistik, wie viele dieser Systemsprenger es in die Gesellschaft zurückgeschafft haben?“
Die Antwort ist eindeutig – sie lautet: „Leider nein.“
In Katharina schreit es auf: „Doch, hier, hier bin ich! Ich lebe noch. Ich habe überlebt. Psychisch und körperlich. Habe 60 Jahre Leben geschafft!“
Sie möchte helfen, aufzeigen wie ein Mensch, ein Kind oder Jugendlicher psychisch überleben kann. Was wichtig ist in so einer Kindheit. In einer Jugend ohne Halt und Vertrauen. Zwischen Sehnsucht und Zerstörung.
Der Nachhauseweg wird lang. Jeder Schritt ist schwer.
Und dann trifft Katharina die Entscheidung.
„Ich werde meine Geschichte aufschreiben.
Ehrlich und schonungslos.“
HUNGRIG 1966
„Mama, Mama!“, aufgeregt klingelte Katharina Sturm, „ich habe dir Erdbeeren mitgebracht, die magst du doch so gern!“
Die Mutter war sichtlich gerührt. Sie wusste, dass ihre Tochter alles, auch ihr letztes Hemd für sie geben würde.
Katharina strahlte. Das Leuchten ihrer blauen Augen, das Lächeln und dieses unbändige Glück, wenn sie Freude bereiten konnte, rührte die Mutter immer wieder sehr. Mit ihren fünf Jahren verstand Katharina es, mit viel Charme und Liebe im Herzen, Menschen zu erfreuen. Sie spielte selten mit anderen Kindern oder mit Puppen. Sie war anders.
Katharina bot zum Beispiel alten Damen an, deren Tasche nach Hause tragen zu dürfen. Das Schönste, was dann meist folgte, war, dort im Wohnzimmer noch sitzen zu dürfen, einen Keks oder Kakao zu bekommen und die Stille zu genießen. Die ruhige Atmosphäre, die Vornehmheit und Freundlichkeit dieser älteren Nachbarinnen waren Balsam für ihre kleine, zarte Seele.
Inzwischen