NACHT ÜBER DUNKELHEIT. M. D. REDWOOD. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: M. D. REDWOOD
Издательство: Bookwire
Серия: Nacht über Dunkelheit
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752904956
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vor dem Fenster, der nicht zu viel Licht wegnehmen sollte. Auf der linken Seite war die geschlossene, rechteckige Tür mit einem goldenen Griff. Die weiße Fläche zierte das aufgemalte großherzogliche Wappen. Vier braune Stuten zogen das Gespann, welches ein erfahrener Fuhrmann steuerte.

      Eine hübsche, junge Frau sah besorgt nach draußen. Sie war fünfundzwanzig mit langem, schwarzem Haar, zierlicher Nase und dunkelbraunen Augen. Ihr schmales Gesicht war schweißnass. »Siegmund, was ist los?«

      »Nichts, sei unbesorgt«, entgegnete der Großherzog. »Leg dich einfach wieder hin, Isabelle.«

      Neben der Großherzogin erschien und verschwand das Gesicht eines vierjährigen Jungen mit schwarzem Haar, spitzer Nase und frechem Grinsen. Er war zu klein, um nach draußen zu sehen und sprang daher beständig auf und ab.

      »Wo ist der Drache?«, quengelte der Junge. »Ich kann nichts sehen.«

      Isabelle nickte ihrem Gatten zu und verschwand im Wagen. Dabei zog sie den Jungen vom Fenster weg.

      »Tötet den Drachen! Tötet den Drachen!«, rief der Kleine vergnügt. Der Vorhang fiel wieder davor.

      »Es reicht, Volker«, klang Isabelles Stimme, dann schwieg es aus dem Reisewagen. Die Soldaten starrten wieder auf das Unterholz. Das Rascheln schien nun zielstrebig auf das Fuhrwerk zuzusteuern.

      »Armbrustschützen, feuerbereit machen!«, befahl Siegmund. »Laden!«

      Das Rascheln kam näher.

      »Spannen!«

      Der Großherzog hatte nicht vor, den Wagen zu riskieren. Was auch immer in den Bäumen war, es sollte jeden Moment aus dem Gebüsch springen. »Anlegen!«

      Siegmund hob die linke Hand, denn in der Rechten hatte er den Zweihänder. Sie würden nicht viel Zeit haben, schließlich verdeckten die Bäume die Sicht und standen bis an den Wegrand. Sie würden es mit allem beschießen, was da war. Und da war es dann auch. Direkt vom letzten Baum gedeckt stand er plötzlich vor den Hufen der Reiter.

      Es war ein blonder Bursche auf einem Esel, etwa zwanzig Jahre alt und von durchschnittlicher Gestalt. Der Großherzog ließ die Hand sinken. Der Bursche schrie vor Schreck auf und fiel aus seinem Sattel. Offensichtlich hatte er nicht damit gerechnet in geladene Armbrüste zu blicken. Ein Schütze drückte ab und traf absichtlich den Baum hinter dem Esel, genau dort, wo eben noch der Kopf des Burschen gewesen war. Der junge Mann sah dies und kauerte sich wimmernd auf dem Boden zusammen.

      »Tötet den Eselsdrachen!«, lachten ein paar Soldaten.

      »Wo ist der Eselsdrache?«, ertönte es nun erneut aus dem Reisewagen. Volker zerrte am Vorhang. Doch die Stimme seines Vaters brachte den Jungen zum Schweigen, ohne dass der Großherzog ihn ansprach.

      »Hört auf, die Bolzen zu verschwenden!«, donnerte Siegmund, über das Lachen der Männer hinweg. Er sah hinunter zu dem Burschen und richtete mit ausgestrecktem Arm sein Schwert auf ihn. »Aufstehen!«

      Der Blonde richtete sich auf, um ehrfürchtig in die Knie zu gehen. »Königliche Hoheit.«

      Siegmunds Erscheinungsbild machte jede Vorstellung überflüssig, denn die Mythen um seine Größe und Kraft konnten die Tatsachen kaum übertreiben. Siegmund schob das Schwert zurück in die Scheide, welche ein überkreuzter Lederriemen über dem Mantel auf seinem Rücken hielt. Ein reifer Herr von Mitte fünfzig mit angegrautem Haar und kostbarer Kleidung in den Farben des Großherzogtums näherte sich auf seinem Ross. Durch seine strengen Gesichtszüge funkelte er den Burschen an.

      »Steht auf und macht Meldung!«, schimpfte er. »Wie könnt Ihr es wagen, seine Hoheit warten zu lassen! Und wahrscheinlich nichts als Unsinn im Kopf!«

      Der junge Mann stand auf. »Im Dorf...«, stotterte er zusammen. »Drachen, Drachen im Dorf.«

      Der Großherzog sah ihn an. »Wie viele?«

      »Wir sind am Ende, Herr«, berichtete der Bursche. »Sechs Drachen, sechs!«

      »Was, wo, wie!«, mischte sich der ältere Herr wieder ein. »Wie wäre es mit einer anständigen Meldung?!«

      »Ist gut Feldmarschall«, brummte der Großherzog, dann wandte er sich an den jungen Mann. »Es genügt jede Information einmal zu geben.«

      Der Blonde nickte. »Vier einköpfige Drachen auf vier Beinen mit jeweils einem Ko...«

      Er stockte, als er Siegmunds Blick sah.

      »Weiter!«, befahl dieser kurz angebunden.

      »Und dann waren da noch zwei weitere Drachen, sie hatten auch nur einen Kopf, gingen aber auf zwei Beinen.«

      »Hatten sie große Zacken auf dem Rücken?«

      »Ja, Herr.«

      »Verdammt!«, fluchte der Feldmarschall. »Ich wusste es, der Klan ist auf der Jagd.«

      Der Großherzog verzog das Gesicht. »Wie viele Einwohner hat das Dorf?«

      »Etwa Einhundertfünfzig, Herr. Wir sind in Hainweiler. Etwa vierzig Minuten Westwärts von hier.«

      »Feldmarschall, macht die Männer kampfbereit.«

      Die Wagentür öffnete sich und ein greiser Mann mit weißem Umhang trat hervor.

      »Königliche Hoheit, es eilt!« Er war einer der Hofärzte.

      Siegmund nickte. »Wir müssen weiter.«

      »Aber Ihr müsst uns helfen, Herr«, jammerte der Bursche.

      »Wir können nicht warten bis eine Schlacht geführt wurde«, meinte der Arzt. »Der Zustand ihrer Hoheit verschlechtert sich rapide. Doktor of Trolley ist unsere einzige Hoffnung.«

      »Dann überlassen wir die Bewohner ihrem Schicksal?«, fragte der Feldmarschall, während er vergeblich versuchte, die Enttäuschung aus seiner Stimme zu verbannen.

      »Nein.« Der Großherzog schüttelte den Kopf. »Sechs Kampfgruppen begleiten den Wagen weiter nach Südosten, während der Rest die Drachen aus dem Ort jagt.«

      »Fünftes Regiment ausscheren!«, kommandierte der Feldmarschall lautstark. »Neunte Kompanie - Zweiter Zug bleibt beim Wagen!«

      »Männer!«, rief Siegmund. »Die Drachen greifen Hainweiler an. Es liegt an uns, die Menschen zu retten.«

      »Hurra!«, riefen die Männer, von denen womöglich der ein oder andere Verwandte in Hainweiler hatte.

      »Wollt Ihr uns schutzlos die Reise machen lassen?« Der Arzt sah den Großherzog entgeistert an.

      »Vierzig Mann bleiben als Geleitschutz«, erwiderte Siegmund. »Wir sind ohne das Fuhrwerk wesentlich schneller. Wir stoßen weiter flussabwärts zu Euch noch ehe die Nacht anbricht.«

      Der Arzt stand unschlüssig herum.

      »Und nun verschwendet keine Zeit und zieht weiter.«

      Der Großherzog war gereizt. Seine Frau in diesem kritischen Zustand zurückzulassen, missfiel ihm zutiefst, von den Gefahren der Gegend ganz zu schweigen. Aber die Verantwortung gegenüber seinem Volk nahm ihn in die Pflicht. Der Arzt nickte dem Fuhrmann zu, der ihn vom Wagenbock aus beobachtete. Dann kehrte der Arzt in das Gespann zurück und schloss die Tür. Der Reisewagen fuhr davon. Der Geleitschutz hatte ihn umkreist.

      »Vorwärts!« Siegmund galoppierte in die Richtung los, die der Bursche ihnen gezeigt hatte. Das Regiment folgte ihm hinein in den Wald. Die Reiter brachen durch das Unterholz zwischen den dicken Baumstämmen. Der Forst bebte unter den Hufen. Laub, Äste und Erdboden wurden aufgewirbelt. Sechs Drachen war eine große Zahl. Er würde alle Männer brauchen, um sie auch nur bedrohen zu können, das wusste Siegmund. Doch er wollte nichts unversucht lassen und hoffte, dass ihr schneller Angriff die doch geringe Zahl von Reitern aufwog.

      Kurze Zeit später schon stoben die Reiter aus den Bäumen auf die weite Ebene hinaus. Verschiedene Laubgehölze bildeten dunkelgrüne Punkte zwischen dem hellgrünen Gras. An zahlreichen Stellen wuchsen