Die traurige Nachricht von der Ermordung seiner polnischen Vertrauten erhielt der britische Experte für Datensicherheit Jonathan Bird am späten Abend des Tages, an dem seine Frau und er wieder in England angekommen waren. Als die Hunde vor dem Haus in der Nähe des dänischen Dörfchens Lönstrup angeschlagen hatten, war das Gespräch zwischen den Beteiligten auf einen Schlag verstummt. Alle Anwesenden hatten sich fragende Blicke zugeworfen. Als das Gebell nicht aufhörte, hatten der Franzose und Günther Rogge mit ihren Nachtsichtgeräten das Gebäude verlassen und sich einen Überblick darüber verschafft, was sich in der Umgebung abspielte. Dank der Restlichtverstärker war es nicht schwierig gewesen, mehrere Gestalten ausfindig zu machen, die damit beschäftigt waren, um einige der Häuser herumzuschleichen, die sich etwa drei- bis vierhundert Meter links von dem Haus befanden, in dem sich die kleine Gruppe aufhielt. Als die beiden Beobachter feststellen mussten, das sich die Unbekannten auf den Weg zu ihnen machten, war Rogge ohne zu zögern in das Haus zurückgekehrt und hatte den dort Wartenden zu verstehen gegeben, dass es wohl besser sei, die Begegnung abzubrechen. Während Mrs. Bird die Hunde beruhigte, hatten die übrigen Teilnehmer mit wenigen Handgriffen ihre Siebensachen zusammen gepackt.
Gemeinsam waren gleich darauf alle über die Düne hinab zum Strand geeilt. Mr. Bird und der Franzose hatten die Außenborder der Schlauchboote angeworfen, während Mrs. Bird, Agnieszka und Rogge das wenige Gepäck in den jeweiligen Autos verstauten. Erst nachdem das Knattern der Boote die Motoren der Autos übertönte, wurden diese angelassen. Während die Boote auf den Wellen allein auf das Meer hinaus hüpften, hatten Marcel und Mr. Bird auf den Beifahrersitzen der bereit stehenden PKW Platz genommen.
Ohne die Fahrzeugbeleuchtung einzuschalten hatten alle vier Wagen sodann nacheinander den breiten Strand bis zur Einfahrt nach Nörlev Strand genommen und waren dort nach rechts auf die Zufahrtsstraße eingebogen.
Beim ‚Strandköpmanden’ hatte der vorderste Wagen das Fahrtlicht eingeschaltet. Nacheinander waren die Fahrzeuge die kleine Anhöhe hinaufgefahren, die den Strandbereich vom Hinterland trennt. Wenig später waren sie nach links in Richtung Hjörring abgebogen. Bei Vidstrup hatten sich die Fahrzeuge getrennt.
Die Polin nahm mit ihren Begleitern die Straße nach Hirtshals. Von dort aus bestieg sie am nächsten Morgen die Fähre nach Kristianssand und fuhr anschließend auf der E39 über Stavanger und Bergen in Richtung Eidsfjord, wo sie am Abend des folgenden Tages kurz nach Viola Ekström eintraf. In Bergen hatte sie zuvor eine Pause eingelegt und sich ausgiebig die alten Gebäude des früheren Hansekontors angesehen. Wenn es der Zufall so gewollt hätte, hätte sie hier bereits auf Viola treffen können. Aber solche Zufälle gibt es nicht.
Günther Rogge war ihnen noch bis Sonderby gefolgt und dann auf der gut ausgebauten Landstraße in Richtung der E 39 gefahren, in diese eingebogen und auf ihr in der entgegengesetzten Richtung über Alborg, Ahus und Kolding noch in der Nacht zurück nach Deutschland gefahren. Der Franzose sowie Mr. und Mrs. Bird hatten in Hjörring übernachtet, waren am nächsten Tag noch gemeinsam nach Frederikshavn gefahren und hatten sich dann ebenfalls getrennt. Mr. und Mrs. Bird waren anschließend mit der Fähre zurück nach Göteborg in Schweden gefahren, hatten dort den Leihwagen am Flugplatz zurückgegeben und waren am nächsten Morgen um 06.45 Uhr heim nach England geflogen. Nach seiner Rückkehr vom Treffen in Dänemark hatte sich das Ehepaar Bird früher als sonst üblich zu Bett begeben. Den späten Anruf hatte zunächst seine Frau entgegengenommen.
„Lublin ist am Apparat,“ hatte sie leichenblass gesagt, als sie ihm das Telephon reichte. Mr. Bird war sofort wieder hellwach gewesen. Am anderen Ende der Leitung saß Agnieszkas Mann. Er war in den Mittagsstunden von zwei Angehörigen der Kripo Lublin aufgesucht worden. Diese hatten ihm die Nachricht vom Tod seiner Frau schonend versucht beizubringen. Es hatte einen ganzen Moment gedauert, bevor er den Inhalt der Nachricht vom Tod seiner Frau völlig realisiert hatte. Unter dem Druck der Mitteilung war er danach kurzfristig zusammengebrochen.
„Das ist nicht wahr,“ war es zunächst aus ihm herausgebrochen. Die mitleidsvollen Blicke der Kollegen seiner Frau hatten ihn vom Gegenteil überzeugt. „Wie konnte das geschehen?,“ hatte er mit sich überschlagender Stimme nachgefragt.
„Wir wissen es wirklich nicht,“ hatten die Beamten geantwortet und das war keine Höflichkeitslüge gewesen.
Sein Anruf in England war im Grunde nicht viel mehr, als ein Ausdruck seiner eigenen Hilflosigkeit. Agnieszka hatte ihm gesagt, dass sie wieder für ungefähr vierzehn Tage nach Skandinavien reisen wollte. In Dänemark war ein kurzes Treffen mit ihrem gemeinsamen Bekannten aus England geplant. Danach wollte sie wie in den vergangenen Jahren für einige Tage in das Haus am Eidfjorden in Norwegen fahren, in dem es ihr immer so gut gefallen hatte. Anschließend würde sie sich vielleicht noch mit Radek und seiner Frau in Schweden treffen, die dort ihren diesjährigen Sommerurlaub verbrachten. Seit dem Beitritt Polens zur EU waren derartige Reisen ja erfreulicherweise nochmals ein gutes Stück leichter geworden als früher. „Wenigstens das ist ein Vorteil,“ hatte seine Frau noch gescherzt. Aufgrund ihrer exponierten Stellung im Lubliner Polizeidienst und angesichts der Vorfälle vom Mai, hatte sie sich entschieden, die gesamte Reise in Begleitung von zwei Männern vom Personenschutz anzutreten.
„Hältst du das nicht für überzogen,“ hatte der Ehemann noch spöttisch angemerkt. Und jetzt war Agnieszka tot.
„Ich versteh’ das alles nicht.“ Aus seiner Verzweiflung machte der Frischverwitwete gegenüber seinem Gesprächspartner keinen Hehl. Doch auch der hatte ihm keine Erklärung liefern können und für Worte des Trostes fehlten ihm in diesem Augenblick selbst die Worte. Seinen deutschen Freund hatte er am nächsten Morgen genauso ratlos erlebt. Auch der konnte sich keinen Reim darauf machen, was vorgefallen sein könnte. Beiden Männern war nicht bekannt gewesen, dass die Reise nach Norwegen noch einem anderen Zweck hatte dienen sollen, als dem, den Agnieszka ihnen selbst genannt hatte. „Ich werde dort ein paar Tage entspannen,“ hatte sie glaubhaft verkündet. Auch ihrem Mann hatte sie nichts anderes gesagt. Sie hatte ihn nicht beunruhigen wollen. Über ihre Arbeit hatte sie ohnehin nie im Detail gesprochen.
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