Diesem Mann wurde in der Halle Cedrics des Sachsen ein Empfang bereitet, mit dem selbst der vorurteilsvollste Feind der Israeliten hätte zufrieden sein müssen. Cedric selbst hatte auf seine wiederholten Verneigungen nur ein flüchtiges Kopfnicken. Er winkte ihm, am unteren Tische Platz zu nehmen, dort fiel es aber niemand ein, ihm Platz zu machen, und als er mit schüchtern flehendem Blick die Reihe hinunterging, zuckten die sächsischen Diener die Achseln und aßen ruhig weiter, die Diener des Abtes bekreuzten sich und sahen mit einem Ausdruck frommen Abscheus nach ihm hin, die Sarazenen gar wühlten grimmig in ihren Knebelbärten und griffen nach den Dolchen, als seien sie entschlossen, sich vor der Verunreinigung durch seine Person bis zum äußersten zu schützen. Während Isaak hier von der Gesellschaft ebenso ausgeschlossen wurde wie sein Volk von der Nation, erbarmte sich seiner der Pilger am Kamin, bot ihm seinen Platz an und sagte zu ihm: »Alter, meine Kleider sind trocken, mein Hunger gestillt, du aber bist durchnässt und hungrig.« Damit schürte er die zerstreuten Brände zusammen, blies das Feuer an, holte Suppe und Gemüse, stellte sie ihm auf den Tisch, an dem er selber gegessen hatte, und ging dann, ohne auf den Dank des Juden zu hören, nach dem oberen Ende der Halle. Ob er mit dem Manne weiter keine Gemeinschaft wünschte, oder ob er nur einen Vorwand suchte, in die Nähe der oberen Tafel zu kommen, sei dahingestellt.
Inzwischen unterhielten sich der Abt und Cedric weiter über die Jagd, und Rowena besprach sich mit einer ihrer Zofen, und der Templer, dessen Blicke von dem Juden zu der sächsischen Schönheit wanderten, schien in tiefes Sinnen versunken.
»Ich denke, würdiger Cedric,« sagte der Abt, »bei aller Vorliebe für Eure männliche Sprache werdet Ihr doch auch ein wenig übrig haben für das Normannisch-Französisch, wenigstens was das edle Weidwerk anbetrifft.«
»Guter Vater Aymer,« versetzte der Sachse, »dass Ihrs nur wisst, ich frage nichts nach diesen überseeischen Verfeinerungen, ich komme ohne sie aus.«
Der Templer fiel ihm in hochfahrendem Ton ins Wort.
»Französisch,« sagte er, »ist nicht allein die natürliche Sprache der Jagd, es ist auch die Sprache der Liebe und des Krieges. Damen müssen erobert werden in ihr und Feinde geschlagen werden in ihr.«
»Herr Templer,« versetzte Cedric, »tut mir Bescheid auf diesen Becher Weins und schenkt auch den des Herrn Abtes voll! Dann will ich um dreißig Jahre zurückgehen und Euch ein anderes Stück erzählen. Als damals Cedric der Sachse in echtem Englisch seiner Schönsten anvertraute, wie ihm ums Herz war, da brauchte es keines französischen Troubadours, und das Schlachtfeld von Northallerton kann Zeugnis dafür ablegen, dass das sächsische Kriegsgeschrei ebenso vernichtend in die Reihen des schottischen Heeres gedrungen ist, wie des kühnsten normannischen Barons cri de guerre. Tut mir Bescheid, werte Gäste, die Manen derer, die dort gefallen sind, zu ehren!« Er trank und fuhr in steigender Wärme fort: »Das war ein Tag, das war ein Schildespalten! Hundert Banner flatterten zu Häuptern der Tapferen, in Strömen floss das Blut, und der Tod war willkommener als schmachvolle Flucht. Ein sächsischer Barde nannte diesen Tag das Fest der Schwerter, er pries das Klirren der Schilde und Helme höher als das Jauchzen auf einer Hochzeit. Aber diese Barden sind nicht mehr, unsere Taten versinken in einem fremden Strome, unsere Sprache, unser Name selber verschwinden, und niemand trauert darum als ein einsamer alter Mann. Mundschenk gieß ein! Herr Templer, aufs Wohl der Tapferen – welches auch ihr Stamm und ihre Sprache sei – die jetzt am eifrigsten in Palästina für das heilige Kreuz streiten!«
»Für einen Ritter,« antwortete Brian de Bois-Guilbert, »der das Zeichen des Ordens trägt, geziemt es nicht, hierauf zu erwidern. Doch sagt mir, welche haltet Ihr neben den Streitern des heiligen Grabes für die besten Kämpfer dort unten?«
»Die Hospitalritter,« sagte der Abt, »ich habe unter ihnen einen Bruder.«
»Ihren Ruhm will ich nicht schmälern,« antwortete der Templer. »Indessen . . .«
»Waren in der englischen Armee,« unterbrach ihn Lady Rowena, »keine, deren Name neben denen der Templer und Johanniter genannt zu werden verdient?«
»Verzeiht, Mylady,« erwiderte Brian, »der englische Fürst hat in der Tat eine Schar von Helden nach Palästina gebracht, und sie haben nur denen nachgestanden, deren Brust von jeher ein Bollwerk des Heiligen Landes war.«
»Keinem standen sie nach,« fiel ihm hier der Pilger ins Wort, der nahe genug stand, dass er dieses Gespräch hatte mit anhören können. Alle wandten sich nach der Seite, von wo diese unerwarteten Worte fielen. »Ich sage es nochmals,« wiederholte der Pilger festen Tones, »die englische Ritterschaft hat keinem nachgestanden, der je mit dem Schwert das Heilige Land verteidigte. Ich sage ferner – denn ich habe es selber mitangesehen – König Richard und sechs seiner Ritter haben nach der Einnahme von St. Jean d'Acre ein Turnier abgehalten und sich mit jedem, der da wollte, gemessen. An diesem Tage hat jeder Ritter drei Gänge gemacht und in jedem einen Ritter zu Boden geworfen. Und sieben von diesen waren Tempelritter, und Sir Brian de Bois-Guilbert weiß recht gut, dass ich die Wahrheit rede.«
Mit Worten lässt sich nicht die Wut schildern, die jetzt das dunkle Gesicht des Templers noch mehr verdunkelte. Mit bebender Hand griff er nach dem Schwert, aber er bezwang sich in dem Bewusstsein, dass er sich hier nicht zu Gewalttätigkeiten hinreißen lassen dürfe. Cedric merkte in seiner Freude über den Ruhm seiner Landsleute nicht den Zorn seines Gastes.
»Pilger,« rief er, »dieses goldene Armband ist dein, so du mir die Namen der Ritter nennst, die so tapfer den Ruhm des glücklichen Englands vertreten haben.«
»Das tu ich gern,« war die Antwort, »doch ohne Lohn, denn Gold zu tragen, verbietet mir mein Gelübde.«
»Dann nehme ich an deiner Statt das Armband,« sagte Wamba, »sofern dirs recht ist, Freund Pilger.«
»Der erste,« begann der Pilger, »an Ehre und Waffenruhm war der tapfere Richard, König von England. An zweiter Stelle steht Graf von Leicester, an dritter Thomas Multon von Gilsland.«
»Der wenigstens ist von sächsischem Blut,« rief Cedric erfreut.
»Sir Foulk Doilly der vierte.«
»Auch Sachse mütterlicherseits,« sagte Cedric abermals, mit großer Spannung dem Berichte folgend. »Und wer war der fünfte?«
»Der fünfte war Sir Edwin Turneham.«
»Ein Sachse vom reinsten Blut beim Geiste Hengists!« rief Cedric. »Und der sechste? Nenne mir den sechsten!«
Der Pilger schien sich eine Weile zu besinnen. »Der sechste,« sagte er dann zaudernd, »war ein junger Ritter, geringer an Rang und Ruhm als die anderen. Sein Name ist meinem Gedächtnis entfallen.«
»Herr Pilger,« sagte Brian de Bois-Guilbert, »Eure erheuchelte Gedächtnisschwäche – wo Ihr Euch doch alles anderen so gut zu entsinnen vermochtet, hilft Euch nichts. Ich will Euch selber den Ritter nennen, dessen Lanze mich niederwarf, weil unglücklicherweise mein Pferd strauchelte. Es war der Ritter von Ivanhoe. Unter den Sachsen war keiner, der sich bei seiner Jugend gleichen Waffenruhmes erfreut hätte. Doch ich verkünde es laut, wäre er in England und wiederholte er auf dem Turnier, das in dieser Woche stattfindet, die Herausforderung von St. Jean d'Acre, so sollte mir um den Ausgang nicht bange sein.«
»Wenn Euer Gegner hier wäre, so wäre Eure Herausforderung angenommen,« versetzte der Pilgrim. »So aber braucht Ihr die Ruhe dieser Halle nicht zu erschüttern, indem Ihr prahlerisch von dem Ausgange eines Zweikampfes redet, der ja doch, wie Ihr wisst, nie stattfinden kann. Wenn Ivanhoe je zurückkehrt, so will ich Bürge für ihn