»Hol der heilige Withold die verflixten Schweine!« brummte der Hirt, nachdem er aus Leibeskräften ins Horn geblasen hatte, um die verstreute Herde zusammenzubringen, die seinem Rufe zwar in ebenso melodischer Weise antwortete, aber doch von seinem leckeren und reichen Mahle aus Eicheln und Bucheckern nicht wegzubringen war. Auch hatten sie nicht die geringste Lust, das schlammige Ufer des Flusses zu verlassen, wo sich mehrere recht gemächlich im Moraste wälzten und das Horn blasen ließen, was es blasen mochte.
»Hol sie der heilige Withold und mich selbst!«, sagte Gurth. »Wenn der Wolf mit zwei Beinen nicht noch 'n paar vor der Nacht wegmaust, will ich keine ehrliche Kreatur sein. – Hierher! Packan! Hierher!« schrie er seinem zottigen Hunde zu, einem wolfsähnlichen Tiere, halb Bullenbeißer, halb Windspiel, der eifrig hin und her hetzte, um die widerspenstigen Grunzer seinem Herrn sammeln zu helfen. Entweder aber verstand er die Hornsignale seines Herrn nicht und wusste auch noch nicht, was ihm zu tun oblag, oder er handelte aus vorsätzlicher Böswilligkeit so, denn er trieb die Schweine nur noch mehr auseinander und machte daher das Übel nur noch ärger.
»Mag der Deibel dem Viech die Zähne ausreißen!« schimpfte Gurth. »Wamba, wenn du 'n braver Kerl bist, so komm und hilf mir! Lauf um den Hügel rum, dass du ihnen in 'n Rücken kommst. Wenn du ihnen die Witterung abkriegst, kannst du sie wie harmlose Lämmerkens vor dir hertreiben.«
»Weiß der Kuckuck!« sagte Wamba, ohne sich vom Flecke zu rühren, »ich habe meine Beine gefragt, wie sie drüber denken, und die meinen nun mal, dass ich meine Kleider nicht durch diese Pfützen treiben dürfe, wenn ich mich nicht geradezu versündigen will an meiner hohen Person und meiner fürstlichen Garderobe. Desto wegen rat ich dir, Gurth, ruf den Packan weg und überlasse die Herde ihrem Schicksal. Ob sie nun rumziehenden Soldaten oder Räubern oder langweiligen Pilgern in die Hände fällt, es kommt doch alles auf eins raus. Eh nämlich der Tag anbricht, werden die Schweine zu deiner Freude in Normannen verwandelt sein.«
»Die Schweine in Normannen?« fragte Gurth. »Erklär mir das, Wamba, denn mein Schädel ist zu blöde und mein Gemüt zu bedrückt, als dass ich lustig genug wär, um Rätsel zu knacken.«
»Wie nennst du das grunzende Viehzeug, das sich auf vier Beinen rumtreibt?« fragte Wamba.
»Schweine, Narr, Schweine,« sagte der Hirt, »das weiß jeder Narr.«
»Und Schwein ist 'n gut sächsisch Wort,« sagte der Hausnarr. »Aber wie nennst du die Sau, wenn sie ausgeweidet, abgesengt und aufgehängt ist wie 'n Hochverräter?«
»Porc!« versetzte der Hirt.
»Freut mich, dass auch das jeder Narr weiß,« antwortete Wamba. »Und Porc ist gut normännisch-französisch. Wenn das Viech lebt und von einem sächsischen Leibeignen gehütet wird, dann hat es seinen sächsischen Namen, aber es wird 'n Normanne und heißt Porc, wenn es in 'n stattliches Schloss gebracht und den edlen Herren zum Mahle aufgetischt wird. Was sagst du dazu, Freund Gurth?«
»Das hat Hand und Fuß, Freund Wamba, wenns auch der Schädel eines Narren ausgeheckt hat.«
»Noch mehr kann ich dir sagen,« fuhr Wamba im gleichen Tone fort. »Da ist der ehrliche Aldermann Ochs, der behält auch seinen sächsischen Namen, solang er von Knechten und Leibeigenen bewacht wird, aber sobald er vor die hochgeehrten Kinnladen kommt, die allein auf Erden dazu da sind, ihn aufzuessen, dann wird er sogleich 'n stolzer, eleganter Franzose und nennt sich Boeuf. Und das gute Bürschchen Kalb wird auf diese Weise Monsieur de vaux. Solang es unter Aufsicht ist, bleibts ein Sachse, und sobald es eine Sache des Genusses wird, ist 'n Normanne draus geworden.«
»Beim heiligen Dunstan!« entgegnete Gurth. »Was du da sagst, ist leider alles wahr. Nicht viel mehr ist uns gelassen, als die Luft, die wir atmen, und auch die scheinen sie uns nur ungern zu gönnen und nur deshalb zu lassen, damit wir die Lasten tragen können, die sie unserm Buckel aufgebürdet haben. Das Leckerste und das Fetteste ist für ihre Tafel, und das Hübscheste für ihr Bett, die Tüchtigsten müssen als Soldaten unter die fremde Herrschaft, in fernen Landen bleichen ihre Knochen und nur wenig bleiben übrig, die die Macht hätten und willens wären, die unglücklichen Sachsen zu beschützen. Gott segne unsern Herrn Cedric! der hat gehandelt wie 'n Mann, der in die Bresche springen will; aber Reginald Front-de-Boeuf durchzieht selbst das Land, und wir werden ja sehen, wie wenig alle Sorge und Mühe Cedrics helfen wird. – Hierher, hierher!« rief er, wieder die Stimme erhebend. »Hallo, hallo! wacker, Packan! Nu hast du sie alle beisammen und treibst sie weiter vor dir her!«
»Gurth,« sagte der Narr, »du hältst mich für 'n ganz dummen Kerl, sonst tätest du nicht so leichthin deinen Kopf zwischen meine Zähne stecken. Ich brauchte Reginald Front-de-Boeuf oder Philipp von Malvoisin nur ein Wort zu sagen, dass du verräterische Pläne gegen die Normannen geäußert hättest, und du bist deiner Würde als Schweinehirt entsetzt und wirst bald an einem dieser Bäume hängen zum abschreckenden Exempel für alle, die über hohe Herren übles Gerede führen.«
»Du Hund du!« knurrte Gurth. »Du wirst mich doch nicht verraten, nachdem du mich erst dazu verleitet hast, so zu reden?«
»Dich verraten!« antwortete der Narr. »Gott bewahre! Das wär nur was für einen gescheiten Menschen, ein Narr weiß nicht, wie er das anzufangen hätte. Doch still! was ist das?« setzte er hinzu, indem er auf die Hufschläge von Pferden hörte, die deutlich zu vernehmen waren.
»Mir einerlei,« erwiderte Gurth, der jetzt seine Herde, von seinem Hunde unterstützt, durch einen Baumgang vor sich hertrieb, in dem es schon dunkel geworden war.
»Ich will aber die Reiter sehen,« sagte Wamba, »am Ende sind sie aus dem Feenlande und bringen Botschaft von Oberon.«
»Hol dich der Henker!« rief der Schweinehirt. »Wie kannst du nur solch Unsinn schwatzen, wo wenig Meilen von hier 'n fürchterliches Unwetter mit Blitz und Donner niederprasselt. Hör nur, wie der Donner rollt! Nie sah ich bei einem Sommerregen so dicke Tropfen schnurgerade runterfallen. Hier ist zwar noch alles still, aber schon rauschen die alten Eichen vorm Sturm, und in ihren Ästen stöhnt und knackt. Beiß du den Furchtlosen raus, wenn du Lust hast, aber hör diesmal auf mich und lass uns heimgehen, eh das Gewitter losbricht. Das wird eine entsetzliche Nacht!«
Wamba entzog sich dieser Mahnung nicht und folgte seinem Gefährten, der einen Stock vom Rasen aufgehoben hatte, nun wacker durch die Lichtung fürbass schritt und die ganze Herde, die einen höchst unmelodischen Lärm machte, mit Hilfe seines Hundes vor sich hertrieb.
Zweites Kapitel.
Allen Aufforderungen und Scheltworten seines Gefährten zum Trotz, konnte Wamba nicht umhin, alle Augenblicke auf der Straße stehen zu bleiben, weil das Pferdegetrappel immer näher kam. Bald riss er von einem Haselstrauch ein paar halbreife Haselnüsse ab, bald sah er einem Bauernmädchen nach, das seinen Weg kreuzte. Die beiden wurden daher bald von den Pferden und Reitern eingeholt.
Es