Titus Schulgeschichten III. Andreas Dietrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andreas Dietrich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754928707
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      Nach zwanzig Minuten sammelte ich alle Zettel ein. Die Auswertung sollte dann in der nächsten Stunde sein. Paula sollte alles richtig haben. Das konnte ich schon zu diesem Zeitpunkt sagen. Es gab auch Schülerinnen und Schüler, die es nicht geschafft haben. Davon kann ich aber eventuell ein anderes Mal erzählen.

      Wenn’s hilft, macht euch einen Spicker!

      Es stehen einmal wieder Klausuren an. Den Schülern und Schülerinnen gefällt es natürlich nicht. Nach ihren Meinungen könnten Klausuren auch ausfallen. Dafür bekommt dann jeder eine Eins.

      Das funktioniert natürlich nicht. Für das Nichtstun eine Eins zu vergeben ist Blödsinn. Dann können die Zensuren auch gleich abgeschafft werden. Nein. Zensuren sind nicht schlecht. Objektiv vergeben erlauben sie eine Vergleichbarkeit der Schülerinnen und Schüler. Wie sollte sonst jemand erkennen, wie gut er ist? Woher weiß ein Schüler oder eine Schülerin, dass sie gut in Deutsch ist? Nur weil sie es sagen? Das soll reichen? Das reicht nicht.

      Noten müssen sein. Klar können wir uns darüber streiten, ob es Noten zum Weiterkommen geben muss. Doch sollte jeder Schüler egal mit welcher Note weiterkommen? Das würde doch zweitens bedeuten, dass der Schüler oder die Schülerin in einem Jahr Probleme hat. Im folgenden Jahr würden die Probleme doch größer werden. Oft bauen später folgende Schulfächer auf das Wissen von vorherigen Schulfächern auf. Wer also schon am Anfang Probleme hat, wird später auch nicht mehr mitkommen. Lieber noch einmal das Grundwissen vertiefen. Dann klappt es vielleicht auch mit dem Aufbauwissen. Erstens würden die Schülerinnen und Schüler dann wohl gar nichts mehr machen. Da die Note für die Versetzung egal ist, müssen sie auch nichts weiter tun, als in die Schule gehen und sich hinsetzen. Soll das wirklich so sein?

      Ich glaube nicht. Zensuren haben ihre Daseinsberechtigung. Tests und Klausuren auch. Irgendwie muss das Wissen der Schüler und Schülerinnen abgefragt werden können. Wenn alle Schülerinnen und Schüler eine schlechte Note erzielen, dann muss die Lehrkraft wohl noch einmal nachsitzen. Wenn eine gesamte Klasse den Stoff nicht versteht, dann muss die Lehrkraft einen Fehler gemacht haben. Sollten aber einige Schüler und Schülerinnen eine gute Note bekommen haben, dann liegt es wohl eher an den schlechten Schülerinnen und Schülern. Dann müssen wohl sie nachsitzen.

      Wer in einer Klausur bestehen will, der muss in den meisten Fällen lernen. Nur wenige Schüler und Schülerinnen können es einfach so. Ich gebe vor den Klausuren den Schülerinnen und Schülern immer wieder Tipps. Oft nenne ich ihnen die Themen, die dran kommen sollten. Ich nenne natürlich nicht die Fragen oder gebe ihnen schon vorher die Aufgaben.

      Vor jeder Klausur sage ich auch immer wieder meinen Standardsatz: „Wenn’s hilft, macht euch einen Spicker!“ Die Schüler und Schülerinnen, die den Satz zum ersten Mal hören, glauben dann, dass bei mir Spicker erlaubt sind. Das sind sie natürlich nicht.

      Den Tipp mit dem Spickermachen gebe ich aus folgendem Grund: Die Schülerinnen und Schüler müssen dazu erst einmal den Stoff wiederholen. Sie müssen sich das Wichtigste merken und komprimiert auf den Zettel unterbringen. Platz, um Romane zu schreiben, gibt es nicht. Wer zudem keine guten Augen hat oder ziemlich groß schreibt, der muss das Wissen noch stärker komprimieren. Diese Schüler und Schülerinnen lesen sich den Lernstoff dann mehrmals durch. Eventuell schreiben sie auch mehrere Spicker, weil auf dem ersten Spicker kein Platz mehr ist und sie zu viel aufgeschrieben haben. Dann lesen die Schülerinnen und Schüler noch einmal den Lernstoff und streichen etwas, was nicht auf den Spicker kommen soll. So vertiefen die Schüler und Schülerinnen den Lernstoff und prägen sich ihn besser ein. Das soll dann gut für ihr Ergebnis in der Klausur sein.

      Manche Schülerinnen und Schüler haben den geschriebenen Spicker dann wirklich benutzt. Pech für sie. Für das Spicken gab es eine Sechs. Wenn ich am Anfang der Klausur es bemerkte, war ich selten streng. Ich nahm den Spicker weg und der Schüler oder die Schülerin konnte die Klausur fortsetzen. Am Anfang konnte ich ja noch davon ausgehen, dass der Spicker kaum benutzt wurde. Spätestens nach zehn Minuten war Schluss. Dann brauchte ich den Spicker nicht mehr wegnehmen. Ich nahm der Schülerin oder dem Schüler die Arbeit weg. Note Sechs. Damit musste der Schüler oder die Schülerin dann leben. Selber Schuld.

      Du vermisst sie, oder?

      Schüler und Schülerinnen sind nur Menschen. Wir Lehrkräfte natürlich auch. Wir alle sind keine Maschinen. Wir alle machen Fehler. Wir alle haben Wünsche und Gefühle.

      Wir Lehrkräfte wünschen uns, dass die Schülerinnen und Schüler uns verstehen. Dass sie das Wissen, was wir vermitteln möchten, auch verstehen. Wir Lehrkräfte haben keinen Spaß daran, schlechte Noten zu verteilen. Es wäre aber auch unfair, gute Noten zu geben, wenn die Arbeit gar nicht gut war. Dies wäre gegenüber den guten Schülern und Schülerinnen unfair.

      Die Schülerinnen und Schüler wünschen sich natürlich gute Noten - wenn sie schon zur Schule müssen. Einige Schüler und Schülerinnen wünschen sich, dass es die Schule nicht geben würde. Doch wie sollten die Schülerinnen und Schüler dann das Lesen, Schreiben und Rechnen lernen? Verträge müssen gelesen werden. Sie müssen unterschrieben werden. Wer die positiven und negativen Auswirkungen nicht zusammenrechnet, ist wohl verloren.

      Manchmal wünschen sich die Schüler und Schülerinnen auch ganz einfache Dinge. Marc zum Beispiel. Er saß heute noch auf seinen Platz. Es hatte schon längst geklingelt. Während die anderen Schülerinnen und Schüler fluchtartig den Raum verließen, blieb Marc sitzen. Er war in Gedanken versunken. Ich musste ihn dreimal ansprechen, erst dann antwortete Marc.

      Ich wollte natürlich wissen, warum er so in Gedanken versunken war. Ging es ihm gut? War alles in Ordnung? Marc antwortete mit Ja und Nein. Ihm ging es eigentlich gut. Nur Paula nicht. Sie war zu Hause. Seitdem sie im Sportunterricht einen Unfall hatte, sitzt sie zu Hause. Wie es ihr geht, wusste Marc nicht.

      „Du vermisst Sie, oder“ fragte ich. Marc bejahte es. Ich fragte Marc, ob Paula es wusste. Marc verneinte. „Sie weiß nicht einmal, dass Du sie magst, oder“ fragte ich. Marc wusste es nicht. Gesagt hatte er es Paula nicht. Er traute sich nicht. Er traute sich auch nicht, zu Paula zu gehen und sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Wenn Freunde von Paula zu Paula gingen, war Marc nicht dabei. Er traute sich nicht. Was würden die anderen Schüler und Schülerinnen denken, wenn Marc mit zu Paula ging? Was würde Paula denken?

      „Ist das wichtig, was sie denken“ fragte ich. „Geh doch einfach das nächste Mal mit. Dann erfährst du, wie es Paula geht. Wissen ist doch besser als nichts zu wissen!“

      Marc gab mir Recht. Er packte schnell seine Sachen ein. Mit Glück konnte er noch Paulas Freunde erreichen. Er könnte sich ihnen anschließen. Dann würde Marc heute noch erfahren, wie es Paula ging. Vielleicht würde Marc dann auch erfahren, wann Paula wieder in die Schule kommt.

      Ob Marc an diesem Tag noch bei Paula war, weiß ich nicht. Ich vergaß Marc auch in der nächsten Stunde zu fragen. Zeit hatte er nicht. Er packte genauso schnell wie die anderen Schülerinnen und Schüler seine Sachen ein und verließ den Klassenraum. Da er so schnell war, konnte ich wohl davon ausgehen, dass er an diesem Tag bei Paula war. Ich weiß es aber nicht. Ich weiß aber, dass Paula zwei Wochen später wieder in die Schule kam. Anfangs kam sie noch mit Krücken in die Schule. Eine Woche später kam sie ohne Krücken an der Seite von Marc in die Schule. Hand in Hand gingen sie nicht. Das musste aber nichts bedeuten. Auf unserer Schule gab es viele Schüler und Schülerinnen, die ein Paar waren und nicht händchenhaltend durchs Schulgebäude gingen.

      Früher war alles besser

      In der Schule lernen die Schüler und Schülerinnen Wissen. Sie lernen das Lesen, das Schreiben und das Rechnen. Die Schülerinnen und Schüler lernen aber noch mehr. Sie lernen zu malen. Sie lernen zu musizieren. Sport steht auch auf dem Stundenplan. In späteren Jahrgangsstufen stehen weitere Fächer auf dem Plan. Dazu zählen unter anderem Englisch, Biologie, Physik und Chemie.

      In allen Fächern sollten die Schüler und Schülerinnen ruhig sein. Sie sollten den Unterricht nicht stören. Oft muss eine Lehrkraft die Schülerinnen und Schüler immer wieder ermahnen. Nicht immer gelingt es. Es hängt dann von der einzelnen