Mein Blutsbruder: Der Orden der Schwarzen Löwen – Die Jagd auf eine Mörderbande. Tomos Forrest. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tomos Forrest
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754186220
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hätten sich die Tiere darüber abgesprochen, blieb der Bock auf dem Platz stehen, den die Leitgeiß noch eben innehatte. Jetzt traten mehrere Jungtiere nach und nach heraus, und ich hob langsam den Stutzen, um den ersten Bock zu empfangen. Doch zuerst musste ich auf den Schuss des königlichen Jägers warten, und der krachte gerade in diesem Augenblick. Zuvor aber hatte ich schon die kleine, blaue Wolke aufsteigen gesehen, und als der Schall an mein Ohr drang, war das Wild schon mit einem ungeheuren Sprung ein Stück den Hang hinunter, strauchelte und fiel schließlich.

      Nun gaben auch die anderen Jäger Feuer, aber ich hatte das Nachsehen. Die Leitgeiß hatte sich plötzlich mitten im Lauf den steilen Hang hinunter herumgeworfen und floh jetzt über einen kleinen Bach in ein Latschendickicht, wohin ihr alle Tiere folgten und unserer Sicht damit entzogen waren.

      Auf der Strecke waren drei Tiere geblieben, und Anton neben mir gab einen zufriedenen Grunzlaut von sich.

      »Das ist recht, dass der Herr Ludwig so gut getroffen hat. Da wird er nicht nur zufrieden sein, es wird auch noch ein gutes Handgeld für alle geben.«

      »Ist die Jagd denn schon vorüber?«, wollte ich enttäuscht wissen.

      »Aber nein, was denkst du? Das war der erste Durchgang, wir sind noch nicht einmal warm geworden! Drüben in der Wand stehen noch gut zweihundert Tiere, also Geduld!«

      »Zweihundert?«, echote ich. Mir war nicht ganz klar, wie Anton auf eine derartig große Anzahl kam. Aber dann sah ich, wie er mit Adleraugen die Felswand absuchte und mich dann am Ärmel zupfte.

      »Nicht ganz eine Viertelstunde, und die nächsten kommen herüber. Du wirst dir aussuchen, welches Tier du schießen willst!«

      Ich traute dieser Aussage nicht, aber dann bewies mir Anton seine Fähigkeit, das Verhalten der Gämsen vorauszusehen. Die Treiber waren längst an anderer Stelle, und diesmal gab es keine Ankündigung, keine Steine, die über Felsen polterten. Kaum zeigte sich das Wild, stieg seitlich von mir eine blaue Wolke auf, der Schuss brach, und ein junger Bock fiel auf die Seite. Der König hatte erneut getroffen, und jetzt kam auch ich zum Schuss. Ich nahm den Druckpunkt mit dem Zeigefinger, aber als ich durchzog, musste sich die anvisierte Gams bewegt haben. Jedenfalls zeichnete sie stark, brach nach einem Sprung in die Hinterläufe und wollte sich wieder aufrichten, als sie mein zweiter Schuss tödlich traf.

      »Verflucht, was macht der Kerl?«, rief neben mir Anton verärgert. »Ja, ist das denn zu glauben? Halt da drüben!« Mit dem lauten Ruf erhob sich der Tiroler, riss sich den Hut vom Kopf und schwenkte ihn hin und her. Natürlich waren dadurch auch die letzten Tiere aufgeschreckt und in der nächsten Klamm mit ein paar schnellen Sprüngen verschwunden.

      Erst jetzt bemerkte ich die Ursache für den Ärger meines Nebenmannes. Es war der Baron, der sich hinter seiner Deckung erhoben hatte und einen raschen Schuss abfeuerte. Doch die Richtung gefährdete andere Schützen, und nun wurde die Jagd natürlich sofort unterbrochen. Ohne nach rechts oder links zu sehen, sprang Anton unseren Hang herunter und lief laut schreiend, mit den Armen gestikulierend zu Baron von Falkenstein hinüber, der seine Büchse gesenkt in den Händen hielt.

      »Verfluacht no amol eini!«, brüllte Anton in einer Lautstärke, die über das gesamte Jagdgebiet schallte. Gleich darauf stand er vor dem völlig verdatterten Baron, riss ihm die Büchse aus der Hand und schleuderte sie mit einem Fluch beiseite, und der war zwar für alle verständlich, aber nicht zu übersetzen: »»Himmelhergottzagramentkruzifixhallelulijalecktsmiamarschscheißglumpverreckts!«

      Anton war in seiner Wut über den unglücklichen Schützen derart in Rage geraten, dass er in seinen Tiroler Dialekt verfiel. Jetzt aber war auch der Baron dunkelrot im Gesicht angelaufen und brüllte zurück:

      »Was fällt dir eigentlich ein, du Hundsfott? Kommst daher und reißt mir das Gewehr aus den Händen, wirfst es auf die Steine, und denkst, das lasse ich mir gefallen? Du wirst mir dafür den Schaden bezahlen, wenn ich die Waffe zum Büchsenmacher bringen muss!«

      Anton aber packte den Baron mit beiden Händen an der Jacke und antwortete in seiner bisherigen Lautstärke:

      »Verfluacht noamol eini, was glabt’n der Saufratz, wer er isch?«

      Schon hob er die rechte Faust zum Schlag, als eine begütigende Stimme hinter ihm sagte: »Lass es gut sein, Anton. Er wird es nicht absichtlich gemacht haben!«

      Der Jäger drehte verwundert seinen Kopf und ließ die Hand sinken.

      »Oh, Maje… Herr Ludwig!«

      Nun waren aber auch von allen Seiten die Jäger und Treiber zusammengelaufen, um zu hören, was es da gegeben hatte. Endlich straffte der Baron seine Gestalt und nahm sich zusammen. Eben noch vor Wut bebend, verbeugte er sich höflich vor dem König und blieb noch einen Moment in der devoten Haltung, vermutlich, um seine Gefühle zu verbergen. Dann stammelte er:

      »Majestät, das war … unverzeihlich. Ich bitte untertänigst um Dispens!«

      »Wie kam denn dieser Fehlschuss zustande, mein Lieber?«, erkundigte sich König Ludwig und lächelte milde. Er war offenbar noch immer bester Laune, obwohl der Schuss in seine Richtung sein Leben hätte gefährden können.

      »Ich sah aus dem Augenwinkel eine Bewegung und nahm daher an, dass dort eine Gams herunterkam. Natürlich darf einem erfahrenen Jäger so etwas nicht passieren, ich… ich weiß gar nicht, wie mir das durchgegangen ist, Majestät!«

      »Gut, der Schuss prallte glücklicherweise von dem Felsen ab, hinter dem ich stand. Schwamm drüber, Baron, aber heute Abend werden Sie die ganze Gesellschaft dafür traktieren (etwas in reichlicher Menge anbieten) müssen, fürchte ich!«

      Noch einmal knickte der Baron förmlich in der Körpermitte zusammen.

      »Selbstverständlich, Majestät, bitte nochmals um Vergebung!«

      Ich hatte dem Geschehen wortlos zugehört. In diesem Moment entdeckte ich Sepp, der zwischen den Felsen langsam auf den König zuschritt. Ludwig ging ihm ein paar Schritte entgegen und schien gleich darauf ein wichtiges Gespräch mit ihm zu führen. Sein Vertrauter und Geheimagent sprach leise, aber eindringlich auf ihn ein. Da wandte sich der König jedoch wieder von ihm ab und trat ein paar Schritte zurück zu den anderen.

      »Schon gut, ich bin immer noch der Herr Ludwig, und nun wollen wir zum Riegeln!«

      »Wenn ich noch einmal etwas sagen dürfte, Ludwig?«, ließ sich der alte Sepp vernehmen. »Ich möchte die Jagd für heute abbrechen!«

      Der König sah ihn verwundert an, dann schüttelte er heftig den Kopf.

      »Aber Sepp, das war doch ein Versehen, und passiert ist nichts. Es kommt ja gar nicht infrage, dass wir uns dadurch den Spaß verderben lassen!«

      Damit schritt er auch schon davon, die Büchse geschultert.

      »Das war Dummheit, aber keine Absicht!«, brummte der Baron, als er seine Büchse wieder aufnahm und dabei kritisch untersuchte. Sie hatte den Wurf wohl nur mit ein paar Schrammen überstanden. »Aber ich gehe zurück zur Hütte. Mir reicht das Erlebnis. Kann mich einer der Jäger begleiten?«

      Niemand bedauerte den Entschluss des Barons, und auf ein Zeichen Antons kam einer der Männer herüber und schritt ohne ein weiteres Wort vor dem Baron zu Tal. Dabei schlug er ein Tempo ein, dass der so blamierte Schütze Schwierigkeiten hatte, ihm in der gleichen Geschwindigkeit zu folgen. Während alle anderen nun ebenfalls auf dem Weg gingen, den König Ludwig eingeschlagen hatte, wandte sich Anton noch einmal kurz an mich und meinte dazu:

      »I glab dem Schmähtandler (Lügner) gor nix mehr.«

      Nachdenklich gingen wir auf den gegenüberliegenden Pfad, der noch steiler hinaufführte und uns schließlich dazu zwang, jede Aufmerksamkeit ausschließlich auf ihn zu konzentrieren. Bald waren wir so hoch, dass kaum eine Handbreit neben uns ein steiler Abgrund klaffte. Ich blickte nur auf den Rücken meines Vordermannes, achtete darauf, nicht mit einem Gewehr gegen die Felswand zu meiner rechten zu stoßen, und atmete erleichtert auf, als wir den neuen Anstand erreichten.

      Jetzt befanden wir uns auf einem unglaublich schönen, aber