Mythos, Pathos und Ethos. Thomas Häring. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Häring
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738030754
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"Daß wir 2008 unser blaues Wunder erleben werden", antwortete jener. "Echt? Das hat sich aber für mich gar nicht so angehört." "Tja, man muß halt auch zwischen den Zeilen zuhören können." "Angeber." "Meinst jetzt mich oder den Sträuber?" "Beide."

      Es war Mitte April, als Egmont Sträuber mal wieder unruhig sowie mißmutig durch sein Haus in Golfradshausen tigerte. "Was ist denn jetzt schon wieder, Egmont?" wollte seine Frau ein wenig indigniert von ihm wissen. "Ach, die blöde Süddeutsche macht wieder Stimmung gegen uns", beschwerte er sich. "Aber das ist doch immer so." "Nein, da gibt es schon Unterschiede. Zwar liegt die Süddeutsche Zeitung nicht auf einer Linie mit der CSU-Politik, aber wenn wir etwas Richtiges gut machen, dann werden wir von ihr durchaus mal gelobt. Aber jetzt tun die so, als ob wir den Sieg oder den Vorsprung, den wir uns in den vergangenen zweieinhalb Jahren erarbeitet haben, nur noch verwalten wollten." "Ist es denn nicht so?" "Ich würde ja weiter reformieren wenn ich könnte, aber die blöden Deppen in der Fraktion machen nicht mehr mit. Auf einmal begehrt das Stimmvieh auf und will mitreden, also beim Braus hätte es so etwas nicht gegeben." "Vielleicht bist ihnen einfach nur a bissal zu schnell." "Ach was! Das sind Lahmärsche! Konservativ sein heißt an der Spitze des Fortschritts zu marschieren und nicht die Hände vor den Bierbauch zu legen und nichts verändern zu wollen." "Aber Ihr habt doch in den letzten Jahren eh schon genug verändert." "Ja, aber das muß man auch machen, wenn das Land krisenfest für die Zukunft werden soll. Mit einer Zweidrittelmehrheit im Rücken kann man natürlich viel gestalten und anpacken, aber seit die Bremser und Blockierer in der Fraktion das Sagen haben, kann man das alles getrost vergessen." "Abwarten, vielleicht kommen schon bald wieder bessere Zeiten." "Das ist leider nicht zu erwarten. Diese Kleingeister bekommen ein bißchen Druck von der Basis und unseren Wählern und schon knicken sie ein, das sind Feiglinge, die den Leuten nur nach dem Mund reden." "Aber wenigstens versprechen die den Leuten nicht vor der Wahl das Gegenteil von dem, was sie dann nach der Wahl machen." "War das jetzt gegen den Schräder oder gegen mich gerichtet?" Egi fixierte seine "Muschi" mit einem strengen Blick. "Das kannst Du Dir aussuchen." "Also gegen den Schräder. Ja, da hast Du natürlich Recht, das waren schwere politische und moralische Fehler von dem." Sie schaute ihn skeptisch an. "Ja, ich gebe zu, ich habe den Leuten auch viel versprochen, was ich danach nicht eingehalten habe und wenn schon? Ich wollte denen ihre Stimme und nachdem der Schräder mit dem Wahlbetrug durchgekommen war, da dachte ich mir: Probierst es halt auch mal. Hat schließlich hervorragend funktioniert, das Ganze." "Ihr werdet Eure Quittung dafür 2008 schon bekommen." "Das glaube ich auf gar keinen Fall. Die Süddeutsche stänkert zwar immer mal wieder gerne gegen die CSU, aber am liebsten zieht sie über die SPD her und mit der Kritik an der trifft sie immer voll ins Schwarze. Dadurch, daß wir mit denen in Berlin zusammen regieren, können die uns nicht angreifen, deswegen werden die bei der Landtagswahl 2008 auch nicht von unseren Fehlern profitieren. Außerdem sind wir von der CSU politisch so weit von der bayerischen SPD entfernt, daß es da kaum Wähler geben dürfte, die von uns zu denen überlaufen." "Mag sein, aber da gibt es ja auch noch die Freien Wähler und die FDP." "Aber Kathrin, die kann man doch überhaupt nicht ernst nehmen. Selbst wenn die in den Landtag kämen, dann würden sie, genauso wie alle anderen Parteien außer die CSU, natürlich in der Opposition landen." "Ihr seid Euch Eurer Sache aber immer ganz schön sicher und glaubt, Ihr könnt Euch alles erlauben." "Aber selbstverständlich, denn wir von der CSU sind die einzig wahre und echte Bayernpartei und das wissen die Wähler im Freistaat auch." "Na dann kann ja nichts mehr schiefgehen." "Genau so ist es."

      Es war im September, ziemlich genau ein Jahr nach der vorgezogenen Bundestagswahl, als in Berlin ein neues Abgeordnetenhaus und in Mecklenburg-Vorpommern ein neuer Landtag gewählt wurden. Egmont Sträuber hatte selbstredend auch dazu seinen Senf dazu zu geben, in dem Fall durften, beziehungsweise mußten, sich Zuber, Blackschein, Öder und Kehrmann das Geschwafel ihres Chefs anhören. "Diese schwulen Kommunisten in Berlin! Wird das denn nie ein Ende nehmen? Jetzt hat doch der Pobereit schon wieder die Wahl gewonnen und wird Regierender Bürgermeister bleiben. Aber das war ja auch kein Wunder, wenn bei der CDU der Friedrich Flüger antritt. Der holt für seine Partei gerade mal gut 21 Prozent der Wählerstimmen und behauptet danach tatsächlich allen Ernstes, die CDU wäre wieder da. Also da fehlen mir doch wirklich die Worte!" empörte sich Sträuber. "Na dann halt halt den Mund", werden sich die Anderen womöglich gedacht haben, auszusprechen wagte sich so eine Majestätsbeleidigung natürlich niemand von ihnen. "Wenigstens ist diese schreckliche Linkspartei ordentlich rasiert worden, aber es reicht leider immer noch für ein rot-rotes Bündnis und ich traue mich wetten, daß diese schwulen Kommunisten dort einfach so weiter regieren werden, als wäre nichts geschehen." Betroffenes, zustimmendes Nicken der anderen Anwesenden. "Und im Nordosten sieht es auch nicht besser aus." "Mecklenburg - das kann schon mal Vorpommern", versuchte sich Blackschein mit einem Scherz. Die Anderen lachten, nur Sträuber hatte natürlich mal wieder nicht zugehört, denn so etwas hatte er selbstverständlich überhaupt nicht nötig. "Ja, da marschiert jetzt die NPD in den Landtag von Meck-Pomm ein und alle erschrecken, regen sich auf und fragen: Wie kann das nur sein? Das kann ich Euch sagen: Weil dort die SPD mit den Kommunisten regiert, da ist es nämlich kein Wunder, daß dann auf einmal die Nationalisten auch im Parlament sitzen, denn die Extremen ziehen sich bekanntlich gegenseitig an", dozierte Sträuber. "Manchmal auch auf oder aus", flüsterte Kehrmann und die Anderen grinsten. "Ja, warum haben wir zum Beispiel hier in Bayern kein Problem mit den Rechtsradikalen?" fragte Sträuber in die Runde. "Weil wir selber recht radikal sind, was unsere Ausländerpolitik betrifft", hätte man an jener Stelle gerne eingeworfen, doch das tat, wie nicht anders zu erwarten gewesen war, keiner der Anwesenden. "Weil unsere CSU mit ihrem außerordentlich erfolgreichen Ministerpräsidenten und ihrem großartigen Innenminister Blackschein es erst gar nicht zuläßt, daß sich die Neonazis an den Stammtischen breitmachen. Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben, das hat schon Hans Werner Braus gesagt und daran hat sich bis heute nichts geändert." Alle nickten zustimmend. "Also, es wird wahrscheinlich sowohl in Berlin als auch in Mecklenburg-Vorpommern weiterhin ein rot-rotes Bündnis geben und wir dürfen diese Schmuddelkinder dann wieder durchfüttern im Länderfinanzausgleich. Das ist auch so eine spezifisch deutsche Ungerechtigkeit, daß die erfolgreichen Länder die faulen und unfähigen mitfinanzieren müssen. Der Lowereit stellt sich hin und läßt sich feiern und wählen für Dinge, die er mit unserem Geld finanziert!" entrüstete sich Sträuber. Danach verzog er sich in sein Büro, denn er hatte sich genug aufgeregt.

      Aber es sollte alles noch viel schlimmer kommen für den bedeutendsten bayerischen Politiker nach HWB. "Die sind doch alle nicht mehr ganz richtig im Kopf! Was wollen mir diese Frankenbeutel anhängen?" schrie Sträuber voller Wut. "Ach, die sind immer noch sauer darüber, daß Du nicht nach Berlin gegangen bist. Die hatten sich schon so darauf gefreut, daß ihr Gunnar Blackschein endlich Ministerpräsident wird", bemerkte sein Intimus Nick Dröhnberger. "Die sollen sich mal nicht so haben, daran ist schließlich einzig und allein die Gerkel schuld. Und vielleicht noch ein kleines bißchen die SPD." Dröhnberger schaute seinen Chef fragend an. "Na das ist doch ganz klar: Wenn die Genossen den Mützewirsing nicht dazu gebracht hätten hinzuschmeißen, dann hätte ich keine gute Ausrede gehabt und trotz allem als Minister nach Berlin gehen müssen." Nick nickte verstehend. "So, jetzt aber wieder zurück in die Gegenwart: Was ist da überhaupt los in Franken? Wer ist eigentlich diese Mauli?" "Eine Landrätin aus Fürth, die sitzt übrigens auch im Vorstand unserer Partei." "Tatsächlich? Gut zu wissen, die ist mir noch gar nicht aufgefallen. Die will sich wohl jetzt wichtig machen, indem sie eine Mitgliederbefragung fordert, die entscheiden soll, wer 2008 als Spitzenkandidat für die CSU antritt. Die hat sie wohl nicht mehr alle! Ich regiere so oft und so lange wie es mir paßt. Was glaubt die eigentlich wer sie ist?" "Na ja, es gab da seit dem Rückzieher mit Berlin schon die eine oder andere kritische Stimme", gab Dröhnberger zu bedenken. "Papperlapapp! Das sind doch alles Dauernörgler, die schimpfen immer über irgendwas. Wenn der Baigel und der Lauter ihren Müll von sich geben, dann kann ich das doch wohl nun wirklich nicht ernst nehmen; es weiß doch schließlich jeder, daß die persönliche Avancen, äh, Aversionen gegen mich hegen." "Das stimmt natürlich, Chef." "Na also, damit wäre das auch geklärt. Du hast doch gute Verbindungen nach Franken. Ruf dort doch mal einen Deiner Spezis an und frag ihn, was mit der Mauli los ist! Erkundige Dich nach ihrem Privatleben und nach ihrem Alkoholkonsum, ich muß alles über diese Frau wissen. Schließlich hat man seine Feinde gut zu kennen, wenn man sie besiegen will und Wissen ist bekanntlich Macht." Sträuber ging und Dröhnberger