„Sie haben Ihren eigenen Aschenbecher, Sie strahlen vor Freude, auch Ihre Frau scheint amüsiert zu sein. Die Kopfbezüge der Sitze sind ein bisschen spießig. Und Ihr Anzug ist, na ja, eigenwillig.“
„Geben Sie mir bitte den Artikel!“
Ich gab ihm den Artikel. Kim stopfte ihn sich in den Mund.
„Hören Sie auf damit!“
Ich sprang zu Kim und riss ihm einen Teil des Artikels aus der Hand.
„Das bringt doch nichts!“
Ich war fassungslos.
„Essen Sie keine Zeitungsartikel! Essen Sie nie wieder Zeitungsartikel!“, schnaubte ich. Ja, ich weiß, dass das albern war, aber es musste dennoch gesagt werden.
„Okay. Könnte ich dann bitte eine Pizza haben?“
„Klar. Western oder Hawaii?“
„Hawaii.“
„Sehr gern.“
Während die Pizza im Backofen war, schwiegen wir. Dabei fiel mir auf, dass es viele Arten des Schweigens gab. Man konnte schweigen wie in einem Duell, so dass der erste, der sprach, verlor. Man konnte schweigen, indem man seinen Wunsch zu sprechen mit Mühe unterdrückte, so dass oft beide gleichzeitig anfingen zu sprechen. Man konnte schweigen wie beim Angeln, zweckmäßig und harmonisch. Kim und ich waren Angler. Und zugleich war jeder der Fisch des anderen.
„Wissen Sie“, sagte Kim in unerwartet geselligem Tonfall, während er die Pizza mampfte, „ich finde das alles gar nicht so schlimm. Im Ernst: Ich hatte sowieso nichts vor mit meinem Leben. Ich meine: Wer macht schon mit seinem Onkel Urlaub? In Deutschland? Nur ein paar hundert Kilometer von seinem Zuhause entfernt? Das klingt doch nach jemandem, der absolut nicht weiß, was er mit seinem Leben anstellen soll, finden Sie nicht? Nein, ich habe wirklich keine Ahnung, was ich machen soll. Als Sicherheitsmann bin ich vermutlich nicht schlecht, genau kann ich das aber auch nicht sagen, denn ich wurde ja noch nie wirklich gefordert. Ich habe keine speziellen Interessen. Ich bin nicht besonders attraktiv. Mein Charakter ist auch nicht weiter erwähnenswert. Ich bin das Gegenteil von ‚besonders‘. Und wissen Sie was? Es macht mir nichts aus. Das ist okay. Ich will eigentlich nur meine Ruhe haben. Deshalb ist das hier gar nicht so schlecht, wirklich! Ich bin Ihnen irgendwie dankbar.“
Kim sagte nichts mehr, fischte mit dem Finger auch noch die letzten Krümel vom Teller, stellte diesen dann vor sich auf den Couchtisch, seufzte zufrieden und zündete sich eine Zigarette an. Dann legte er sich wieder aufs Bett und starrte an die Decke. Ich war entsetzt.
„Nun hören Sie schon auf damit! Ja, Sie sind gut. Sie sind sogar hervorragend! Ganz große Show! Applaus! Aber jetzt ist es gut. Stopp!“
Nichts. Kim stieß kaum hörbar Rauch aus, das war’s.
„Sie sind nicht stärker oder gerissener oder sonstwie besser als ich, Kim! Das schwöre ich Ihnen: Sie werden mit dieser Nummer nicht durchkommen, nicht bei mir! Sie sind mir dankbar? Sie sind mir jetzt schon dankbar? Ich sage Ihnen was: Sie werden mir noch dankbar sein! Sie bleiben stur? Na gut, bleiben Sie stur. Wir werden ja sehen. Gute Nacht!“
„Na-aacht!“, rief Kim, als hätte ich ihm gerade eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen. Ich verließ empört und aufgebracht den Bunker und beobachtete Kim noch am Laptop einige Stunden lang, während ich versuchte, mich mit David Bowie zu beruhigen. Er lag einfach nur da.
... Now it's time to leave the capsule if you dare ...
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