„Montag fährst du wieder?“ Ulrike wickelte einige Spaghetti auf ihre Gabel, sah kurz zu Erik herüber.
Der Hunger hatte sie in die Küche und an den Tisch getrieben, wo sie sich leicht einigten auf Spaghetti auf in Butter angebratenen Schinkenstreifen, Zwiebeln, Knoblauch und Kalamata-Oliven und ein Glas Rotwein.
„Vielleicht sollte sich die Werkstatt ruhig noch ein paar Tage Zeit lassen. Ich könnte das am Montag arrangieren.
Nein, geht nicht. Ich muss was tun, unbedingt. So schön wie es auch ist.“
Ulrike nickte leicht, wickelte ihre Nudeln auf, „Ja, es ist schön.“ Einen Augenblick sah sie ihn ruhig an, während sie auf ihren Nudeln herumkaute. „Dann haben wir ja noch den ganzen Sonntag.“
„Falls ich das durchhalte. Was ist eigentlich mit Anneke?
„Anneke bleibt das Wochenende über bei Ulf.“ Sie schob sich eine Gabel mit Nudeln in den Mund, sah ihn verschmitzt an. „Ulf organisiert hier die Elchjagd und ist so ein richtiger Urschwede. Den braucht Anneke einmal im Jahr, genauso wie die Elchjagd.“
„Und dieser Urschwede ist nicht verheiratet?“
„Doch, doch. Mit Astrid, einer sehr netten und gut aussehenden Schwedin. Astrid macht am Wochenende immer durchgehend Dienst im Krankenhaus. Praktisch für die beiden. Das machen die schon seit Jahren so.“
„Hm. Ehe auf Schwedisch halt. Besucht ihr euch häufig in Kiel oder Göteborg, Anneke und du?“
„Nein, eigentlich gar nicht. Wir treffen uns hier einmal im Jahr zur Elchjagd. Das ist immer eine sehr schöne Auszeit, aber mehr ist da nicht. Ihr Mann und mein Mann, mein Lebensgefährte, wie man so sagt, die beiden kennen sich von früher, und die treffen sich häufiger mal.“
Er nahm einen Schluck Rotwein, hielt das Glas in der Hand. „Ich denke, Anneke hat mich ganz schön an der Nase herumgeführt.“
Ulrike unterbrach abrupt ihr Nudelwickeln, „Was meinst du damit?“
„Nun ja, auf mich machte sie, insbesondere am ersten Abend, den Eindruck einer blitzgescheiten, liebenswürdigen, eher gefühlvollen Frau, die hier mit ihrer Freundin auf der Elchjagd ist, ihren Ehemann im Hinterkopf.“
„Blitzgescheit ist die. Ganz sicher. Aber ansonsten liegst du mit deiner Einschätzung total daneben. Anneke ist der Typ, den du mit fünf tasmanischen Teufeln gemeinsam in einen Käfig sperren kannst. Die ist knallhart bis skrupellos. Alles andere ist perfekte Tarnung.“ Sie nahm einen Schluck Wein, genoss ihn ausgiebig.
„Für ihren Mann ist Anneke zu allererst Geschäftspartnerin und Anteilseignerin der Firma. Was sie sonst noch bewegen mag, holen sich die beiden woanders. Und es scheint ihr Leben zu sein.“
„Und was ist dein Leben?“ Noch während er die Worte aussprach, spürte er, deutlich, dass er jetzt zu weit ging. „Entschuldige. Das war unüberlegt. Ich sollte das nicht fragen.“
„Genau.“ Sie nahm die letzte Gabel mit Nudeln, schob den Teller etwas von sich. „Aber du hast es gefragt.“
„Jaa, es tut mir leid. Nach dem Gespräch über Anneke ist mir das einfach so rausgerutscht. Du bist halt eine interessante Frau. Ich möchte einfach mehr über dich erfahren, wer du bist, wie du lebst. Das ist doch ganz normal.“
„Ich hoffe, ich habe mir jetzt keinen Stalker eingehandelt.“ Ulrike sah ihn unter den Augenbrauen hervor fragend an.
„Quatsch! Ich fahre am Montag, und das war´s dann wohl. Leider. Aber, wir müssen ja auch nicht darüber reden.“
„Bist du verheiratet oder in einer Beziehung?“
„Verheiratet nein. Die Beziehung ist vor vierzehn Tagen zerbrochen.“
Ulrike schob ihren Kopf weit über die Unterarme hinaus über den Tisch, sah Erik fragend an. „Und wann hast du das letzte Mal Sex gehabt?“
„Solltest du die Frage stellen?“
„Wenn wir jetzt schon mal dabei sind.“
„Denke dann bitte daran, dass du mir noch eine Antwort schuldig bist. Okay? Also, das letzte Mal war an einem verregneten Sonntagnachmittag. Das ist jetzt drei Wochen her.“
„Das habe ich mir gedacht. Das erklärt, warum du so ausgehungert, so aufgestaut warst.“
„Hm-hm, war ich das? Wundert mich, dass du das überhaupt gemerkt hast. Du bist abgegangen wie ein junges Fohlen. Für eine Frau deines Formats sehr ungewöhnlich.“ Erik schaute sie übertrieben fragend an.
Ulrike saß unverändert, sah ihn lange mit verengten Augen an, nachdenklich, überlegend.
„Meines Formats. Ich hätte wohl reservierter sein sollen. Mich vornehm zieren, bis du mich dann hoffentlich auf den Rücken geworfen hättest. Das meinst du doch, wenn du von Format sprichst.“ Sie lehnte sich auf den Stuhl zurück, ihre rechte Hand spielte auf dem Tisch mit der Serviette.
„Dass ich dich heute Morgen geradezu genötigt habe, war diesem besonderen Ort, der Gelegenheit und meinem Hunger geschuldet. Ich wusste nicht, dass ich das tun würde. Ich habe es nicht geplant, aber ich habe es getan.“
„Bitte? Was ist jetzt los? Du bekommst doch jetzt keinen Gewissenskasper, oder doch?“
„Du verstehst das nicht, Erik. Ich habe mich dir wie eine reife Frucht angeboten. Du brauchtest mich nur zu nehmen und zu genießen. So etwas habe ich noch nie getan und nur ganz selten gedacht. Es gehört nicht zu mir, aber es war richtig.
Du hast heute etwas in mir wachgerufen, von dem ich gar nicht wusste, dass es noch in mir schlummerte. Ich lebe noch und habe mich gefühlt, als wäre ich gerade erst dreißig. Du hast mir das Gefühl gegeben, dass alles möglich ist, dass ich mich absolut gehen lassen kann, dass ich mich vergessen kann. Ein Gefühl für die Ewigkeit und das war sehr schön.“
Sie sah ihn direkt und gerade heraus an, „Ich bin das letzte Mal von meinem Partner beschlafen worden am Samstag, den zweiten Juli. Wir haben das fünfzehnte Jahr unserer offiziellen Beziehung gefeiert. Am zweiten Juli.“
Erik sah sie einen Atemzug lang sprachlos an, schüttelte leise den Kopf.
„Was ist denn das für eine Beziehung? Entschuldige, aber dein Partner erscheint mir wie ein Clochard mit einer gefundenen Rolex am Arm. Ist das dein Leben?“
„Willst du jetzt wissen, ob ich glücklich bin? Was ist schon normal, was ist Glück? Ich hab´s vergessen und mich in meinem Leben eingerichtet.“
„Warst du vor deiner jetzigen Beziehung mal verheiratet? Wäre ja möglich.“
„Na hör mal, du stöberst in meinem Leben herum, Erik. Warum sollte ich dir sowas erzählen?“
„Ich weiß nicht. Tu es doch einfach. “
Sie beugte sich wieder weit über ihre Arme hinaus zu ihm vor, sah ihn mit lächelnd staunendem Gesicht an. „Was machst du junger Kerl mit mir?“
„Diese Unterscheidung passt überhaupt nicht, meine Liebe. Er schob ihr sein Gesicht ein wenig entgegen: Was kümmern mich die Jahre, wenn du mir deine Schönheit, deine Lust und Leidenschaft nur schenkst.“
„Wow. Du bist ja ein Multitalent, vollendeter Liebhaber, Frauenversteher und dann auch noch Poet. Das war sehr schön.“
Sie lehnte sich zurück, sah einen langen Augenblick auf ihre Hände, die auf dem Tisch ruhten. Dann, als würde sie sich einen Ruck geben, sah sie ihn direkt an, kühl.
„Ich war nie verheiratet, nie fest gebunden. Das, was mich jetzt bindet, habe ich mir selbst angelegt. Ich hätte gewarnt sein können.“
„Weil