Isabella blickt auf ein kleines Gerät, das sich neben ihr auf dem Nachtisch befindet.
»Damit nicht – mein neuer bester Freund Sid. Immer parat, wenn ich Unterhaltung benötige. Außer jemand zieht den Stecker. Es ist mit dem Heimnetzwerk verbunden und es lässt sich per Sprachsteuerung einfach bedienen. Auch du hast Sid im Zimmer, falls ich mit dir kommunizieren möchte und deine Hilfe unverhofft benötige.«
Als Beispiel fordert Isabella Sid auf, Katrins Ehemann Luca anzurufen, woraufhin das Gerät in den verschiedensten Farben aufleuchtet und den Wunsch erfüllt.
Sofort unterbricht Katrin diesen Schritt mit: Sid, Anruf beenden. Wieder kommt Sid dieser Bitte nach und kappt die Leitung.
»Oh nein. Ich bin froh, Luca erstmal nicht mehr zu hören. Aber eine wirklich tolle Erfindung. Hört aufs Wort! Hahaha.«
»Ich bin sehr erleichtert, Sid an meiner Seite zu haben. Doch am meisten erfreut es mich, dich nun in meiner Nähe zu wissen.«
»Nun gut Bella, wenn es dir recht ist, werde ich mich in meinem Zimmer frisch machen. Dein Ehegatte sprach was vom Abendessen und ich habe mega Hunger.«
»Du bist die beste Entscheidung, Katrin. Fabian hatte vollkommen recht. Du wirst hier nochmal den Staub aufwirbeln, der sich seit Langem in jede Ecke gesetzt hat.«
»Ja, ich werde abstauben, hahaha«, scherzt Katrin ironisch und verabschiedet sich.
Mit großer Neugierde erhascht sie, nachdem sie den Flur entlang läuft, noch einen Blick des sympathischen Kochs, der in der Küche stehend mit seiner Schürze zum Anbeißen ausschaut. Phil entgehen diese sabbernden Mundwinkel nicht, weshalb er sie auch nicht unkommentiert lassen möchte.
»Kameradin, aber gegessen wird Zuhause.«
»Oh Kamerad, was denkst du denn, zu welcher Sorte Frau ich gehöre? Ich bin natürlich ein anständiges 60er-Jahre Frauchen.«
»Na dann, wohl bekomms!«
»Herzlichen Dank, Kamerad.«
Katrin schlendert den Flur weiter und wird anschließend von klassischer Musik im Wohn- und Essbereich begrüßt.
»Darf ich dir einen Drink zum Essen zubereiten?«, fragt Fabian gesellig, während er sich am Barwagen austobt.
»Mir reicht 'ne Flasche Wein.«
»Ich verstehe, ein Glas wäre für dich auch zu wenig. Deine Koffer habe ich im Übrigen in deinem Zimmer abgestellt.«
»Da werde ich jetzt auch hingehen, mich schnell frisch machen, bevor ich mir eure Leckereien vornehme.«
Katrin verschwindet daraufhin durch ihre Zimmertür. Sie befindet sich in einer winzigen Kajüte, deren Ausblick nur ein minimales rundes Fenster besitzt. Und zu ihrem Nachteil muss sie auch noch erkennen, dass noch nicht mal ein Fernseher zur Belustigung vorhanden ist, geschweige denn ein Passwort zur WLAN-Verbindung. Und selbst das Gäste-WC wirkt gehobener, als ihr eigenes Badezimmer.
Eilig schmeißt Katrin ihre goldene Paillettenjacke auf das Bett, woraufhin sie vom Klingeln ihres Handys erschreckt wird. Nachdem sie abgehoben hat, eilt sie zur Toilette, um während des Gesprächs mit ihrem Ehemann Luca ihr Geschäft zu verrichten.
Ihre Blicke wandern dabei den Ritzen der Täfelung entlang.
»Na mein Schatz, erkundigst du dich, ob ich gesund bei den Steins angekommen bin, was?«
»Natürlich.«
»Fabian scheint wie immer zu sein. Redselig und immer mit einem Getränk in der Hand. Bei Bella hingegen plagt mich das schlechte Gewissen. Warum haben wir sie denn nicht schon früher besucht?«
»Ist doch erst ein halbes Jahr vergangen, was ist ein halbes Jahr? Mach dir doch keine Gedanken, die hatten hundertprozentig anderes im Kopf gehabt. Oder haben sie sich beschwert?«
»Ach Luca, du – Hauptsache nicht darüber nachdenken. Ich bin gespannt, wie lange ich das hier machen muss.«
»Bis wir schuldenfrei sind.«
»Du Depp! Aber hey, das Boot musst du dir mal anschauen. Ich will nicht wissen, wie viel Geld sie unterm Kopfkissen versteckt haben. Obwohl, der hat seine ganzen Akten hier offen gelagert.«
»Was bringt es dir seinen Kontostand zu wissen?«
»Na vielleicht wäre das ein Grund, mich von dir zu trennen? Ich muss jetzt Schluss machen, ich esse gleich mit Fabian zu Abend.«
»Have Fun, Katrin«, beendet Luca das Telefonat, woraufhin Katrin sich mit einem Toilettenpapier abwischt und die Klospülung betätigt.
Keine zehn Minuten später sieht Fabian am Esstisch sitzend Katrin durch ihre Zimmertür laufen. Aufgehübscht und mit einer blumigen Parfümnote versehen nimmt Katrin ausgeglichen Platz.
»Aha, meine Flasche Wein und mein Essen wurde bereits serviert, sehr schön«, schwärmt sie beim Anblick ihres Abendessens, während durch die großen Fenster ersichtlich der Herbststurm sein Unwesen treibt. Musik erfüllt den Raum.
»Lass dir dein Lammkarree schmecken«, prostet Fabian mit erhobenem Cognacschwenker zu.
»Ich habe eben mit Luca telefoniert. Wir bereuen ein wenig, dass wir euch nicht eher besucht haben.«
»Macht euch keine Gedanken, wir hatten Selbstfindungsprobleme und mussten auch erstmal damit klarkommen.«
»Ja, das glaube ich dir …«
Schnell schüttet Katrin ihr erstes Glas Rotwein den Rachen hinunter, um es anschließend wieder füllen zu können.
»… Oh Gott, Luca wäre gleich tot umgefallen und wer hätte die Suppe auslöffeln dürfen? Ich natürlich, wie immer.«
»Wie geht es eurer Tochter?«, unterbricht Fabian die Anekdote zu Katrins instabilem Leben.
»Kimberly geht es, wie es einer 18-Jährigen so geht. Ihr wolltet ja nie Kinder. Schade, sie hätten es gut gehabt.«
»Uns war eben unsere Unabhängigkeit und der Aufbau der Hotelkette wichtiger.«
»Ja ich weiß, ich weiß.«
Fabian schwelgt in diesen Sekunden kurz in Erinnerungen, denkt dabei spezifisch an vergangene Zeit mit Katrin und Luca, weshalb er zu Lachen beginnt.
Katrin runzelt die Stirn und isst weiter.
»Zu viert hatten wir immer großen Spaß. Hab mich eben an unseren Mallorca Urlaub erinnert, als wir gemeinsam in den Pool gesprungen waren und ich meine Badehose verloren habe.«
»Ja richtig. Ist dir überhaupt irgendwas peinlich?«, beginnt Katrin sich ebenfalls zu erinnern.
»Mir? Mir ist nichts peinlich. Ich habe doch einen gut gebauten Körper, warum sollte ich mich schämen?«
Recht gibt sie ihm. Und nach einem weiteren Glas Rotwein faselt Katrin auch keine kurzen Sätze mehr heraus – im Gegenteil. Es beginnt ein feucht fröhlicher Abend zu zweit, wobei hauptsächlich um die jahrelange Freundschaft zwischen Luca und Fabian geschwelgt wird. Aber auch die gemeinsamen Stunden zu viert werden thematisiert, die jedoch immer gleich endeten, und zwar nicht so süß wie das angereichte Tiramisu.
»Fabian, wie meinst du das denn? Natürlich endeten sie immer gleich«, hinterfragt Katrin angetrunken.
»Na ja, immer bist du mit Luca in euer Zimmer und ich mit Isabella in unseres.«
»Was hast du erwartet, das wir uns mit euch in ein Bett kuscheln? Hahaha.«
Fabians Mundwinkel wird hochgezogen und seine Blicke zeigen eine gewisse Erregung.
»Im Bett kuscheln, das wäre doch langweilig. Isabella und ich hätten da lustvollere Gedanken gehegt.«
»Oh nein, du Ferkel …«, winkt Katrin dieser Vorstellung ab und erhebt ihr Glas.
»…