MAGAZIN für Abenteuer-, Reise- und Unterhaltungsliteratur. Thomas Ostwald. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Ostwald
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783754186633
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verwirklichen und 1864 mit dem Bau eines Kanals südlich von Suez beginnen, der am 16. November 1869 unter kostspieligen Festlichkeiten eröffnet wurde. Durch einen später (8. Juni 1873) erneuerten Ferman des Sultans vom 5. Juni 1867 wurde Ismail zum Khedive, Vizekönig ernannt, der nun die völlige Unabhängigkeit von der Hohen Pforte anzustreben begann, aber dafür durch seine Verschwendungssucht und allzu aufwendige Verwaltung (sic!) in die Abhängigkeit von England geriet. Was nützten ihm die vier Millionen Pfund Sterling aus dem Verkauf seiner Suezkanal-Aktien an die Engländer? Der unglückliche Krieg gegen Abessinien 1875/76, der Aufstand Sulaimans und die Entsendung von 6.000 Soldaten in den russisch-türkischen Krieg steigerten die finanzielle Bedrängnis so, dass der Sultan sich auf Drängen der Großmächte gezwungen sah, Ismail am 26. Juni 1879 zu entlassen und durch seinen Sohn Tewfik Pascha zu ersetzen. Zur Konsolidierung der zerrütteten Finanzen wurden kurzerhand zahlreiche Beamte und Offiziere entlassen, ohne dass ihnen der rückständige Sold ausgezahlt wurde! Unter Führung von Oberst Arabi kam es schließlich 1881 zu mehreren Militärrevolten, die ihren Höhepunkt in „jenem 9. September“ fanden, an dem esch Schakad um sein Leben fürchten musste. Durch die Erfolge dieses Tages ermutigt, proklamierte sich der im Februar 1882 zum Kriegsminister ernannte Arabi Pascha, wie er sich nun nannte, zum Haupt der Nationalpartei, die das Volk gegen die europäische Finanzkontrolle, überhaupt gegen alle Fremden aufzuhetzen begann. Am 11. Juni 1882 kam es zu den von May erwähnten blutigen Exzessen in Alexandrien, und als die Übeltäter straffrei ausgingen, am 11. Juli zur Beschießung der von Arabi neu befestigten Forts durch die englische Flotte. Die Antwort war ein furchtbares Blutbad unter den Europäern; die Engländer landeten ein Heer, besetzten am 14. Juli Alexandrien und schlugen Arabis Truppen am 13. September bei Teil el Kebir in die Flucht. Die Empörer wurden nach Ceylon verbannt und Tewfik Pascha unter dem Schutz englischer Soldaten, die in Ägypten blieben, wieder in die Herrschaft eingesetzt. Der Haß gegen die Fremden schwelte weiter; der und die militärische Schwächung Ägyptens trugen in den folgenden Jahren entscheidend zur Ausbreitung der Macht des Mahdi im Sudan bei!

      Hakawati – Märchenerzähler? fragen wir ein letztes Mal. Wunschtraum und Märchen sind bei May stets mit im Spiel. Aber – bekräftigt Heinz Stolte (Jahrbuch KMG 1972/73, S. 175) – „den Boden derTatsachen, den verlieren wir in seinen Büchern nicht. Sie sind vielmehr voll von verlässlicher Information, sie sind Lehrbücher der Geographie und Völkerkunde, Schatzkammern der Folklore“ – und den weltpolitischen Aspekten in seinem Werk sind wir auf der Spur!

      5. Vom Schut zu Matthäus Aurelius Hampel aus Klotzsche

      Kara Ben Nemsi reitet auf den Spuren des Schuts und seiner Verbrecherclique quer durch den unter türkischem Joch stöhnenden Balkan. Flugs konstruiert daraus eine moderne Polit„wissenschaft“ den Vorwurf, „warum May die skipetarischen Räuber zu Verbrechern abstempelt“, anstatt sie zu „mazedonischen Sozialbanditen“ zu erheben. Der so fragt – Malte Ristau in „Verbrecher oder Sozialbandit“ (Mitt. KMG 28/Juni 1976, S. 10 -14, Zitat S.13) – hat natürlich die Antwort parat: „Banditen aller Couleur werden in der Industriegesellschaft quasi per definitionem als Außenseiter gesehen, Unterschiede zwischen den einzelnen Spielarten des Banditentums werden nicht gemacht. Mit gutem Grunde, denn eine sorgfältige Analyse bedeutete beinahe zwangsläufig auch ein Fragen nach den Ursachen; und genau dieses Fragen könnte der Anfang sein eines In-Frage-Stellens auch der eigenen Herrschafts- und Besitzstrukturen.“ Der Schut und Horst Mahler also Banditen verschiedener Couleur.

      Auf unseren Reisenden trifft der Vorwurf, die „Herrschafts- und Besitzstrukturen“ seiner Zeit nicht in Frage gestellt zu haben, gewiss nicht zu. Freilich bleibt er zurückhaltend in seinen Zugeständnissen und traut sich noch, einen Verbrecher auch Verbrecher zu nennen. Denn es bildete nur „der bewaffnete Kampf für nationale Befreiung eine heilige Ausnahme in den absolut pazifistischen Ansichten des Schriftstellers“ (Radkov in Mitt. KMG 21/ September 1974, S. 8). Dagegen verwarf May den „bewaffneten Kampf als Mittel für die Veränderung und Besserung einer Gesellschaftsordnung“ (Radkov a.a.O., S. 8). Wie sollte er auch nicht. Es gibt ja nicht einmal heute eine gemeinsame Resolution gegen den Terrorismus – mangels Definition!

      Aber immer steht May auf der Seite der Unterdrückten, der Kurden zum Beispiel, mit deren Kampf gegen die brutalen „Kolonialherren“ in Mossul er durchaus sympathisiert. So in „Durchs wilde Kurdistan“ schon 1881 und noch 1898 in der Erzählung „Ein Rätsel“ (a.a.O., S. 427 f.):

      „Wir hatten in Beziehung darauf, dass man die Kurden Räuber nennt, unsere eigenen, persönlichen Ansichten …“ und: „Wenn ich hier eine Art Ehrenrettung für den Kurden versuche …“

      Wir erfahren von Ekkehard Bartsch (Jahrb. KMG 1975, S. 98), dass sogar in Presseberichten über die Kurden-Aufstände „die Nennung des Namens Karl May fast unvermeidlich“ sei. In seinem Beitrag „Der letzte große Rebell“ (Quick vom 9. Mai 1974, S. 11 – 18) charakterisiert Oskar Menke den 75-jährigen Kurdenführer Mullah Mustafa Barzani, den alten Mann mit dem rot-gewürfelten Kopftuch, den weiten Pluderhosen, so:

      „Viele halten ihn für den letzten großen Abenteurer unserer Tage, für eine Gestalt, die aus Karl Mays Roman „Durchs wilde Kurdistan“ direkt in die Gegenwart verschlagen wurde.“

      Und ohne dass Mays Name genannt wird, begegnen wir doch all seinen Romangestalten in Le Roy Woodson’s jr. Bericht über die Kurden bildhaft wieder: Kadir Bei, Dohub und seinen Verwandten, Sehm Aga, auch der schönen Schakara und der „holden“ Mersinah und wie sie alle heißen. Schauen wir einmal, wenn Gelegenheit sich bietet, das Märzheft 1975 des „National Geographie Magazine“ (Vol. 147, Nr. 3) daraufhin an.

      In dem Band ‚Bei den Trümmern von Babylon‘, Ges. Werke, Bd. 27, Bamberger Ausgabe, 332. Tsd. (S. 442) ist auf die latente Kriegsgefahr zwischen Persien und der Türkei um den Besitz von Bagdad hingewiesen. Ein weiteres bemerkenswertes Beispiel der Bezugnahme auf aktuelle tagespolitische Ereignisse findet sich in der wiederholt erwähnten Erzählung „Ein Rätsel“ (a.a.0., S. 379ff.), worin der Autor sich ausführlicher über den Babismus verbreitet. Das ist jene seit 1844 verbreitete pantheistisch-mystische Lehre des 1850 hingerichteten Persers Ali Mohammed, die noch heute starke Kraft im persischen Volksleben besitzt und Grundlage der Baha’i-Religion (Behaismus) wurde, der „Krone aller Religionen“, die Liebe, Duldsamkeit und die Einheit der Menschheit zum erklärten Ziel hat. Wir treffen die Verkörperung dieses Denksystems in vielen Details wieder in der Gestalt der Marah Durimeh. Nach Niederschlagung der Bewegung des „Bab“ kam es seit 1890 wiederholt zu Aufständen der verfolgten Anhänger, in deren Verlauf der Schah 1896 ermordet wurde. „Ein Rätsel“ Mays erschien zwei Jahre später, 1898.

      Zwar bemängelt der ebenfalls erwähnte Wesselin Radkov in seiner bemerkenswerten Untersuchung über „Politisches Engagement und soziale Problematik in den Balkanländern Karl Mays“ (Mitt. KMG 21 + 22/Sept. und Dezember 1974, S. 4 – 9 und 3 – 8), dass „Karl May dem nationalen Befreiungskampf der Bevölkerung auf dem Balkan in seinen Romanen wenig Beachtung schenkte“ (21, S. 7). Verständlich auch, dass der Bulgare Radkov Details aus den Unabhängigkeitskämpfen der Bulgaren und Serben vermisst, die zur Zeit der fiktiven Reise unseres Autors durch das Land der Skipetaren und die Schluchten des Balkans ihren Höhepunkt erreichten: 1873 wurde der Revolutionär Wassil Lewski in Sofia von den Türken gehenkt; 1876 fiel der bedeutendste Dichter der Bulgaren, Christo Botew, im Gefecht mit den Türken; 1878 schuf der Berliner Kongress das Fürstentum Bulgarien, und nach Kriegen gegen die Türken 1876 und 1877 entstand das unabhängige Serbien. Aber Radkov ist doch objektiv genug, aufgrund einer Reihe von Exempeln zuzugeben, „wie richtig und scharf er (May) die politische Situation auf der Balkanhalbinsel in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einschätzte“ (21, S. 7). Ja, Radkov betont gleich zweimal auf einer Seite (21, S. 7) mit Nachdruck:

      „Der Schriftsteller nimmt gegenüber den politisch-sozialen Verhältnissen auf dem türkischen Balkan eine ausgesprochen kritische Stellung ein“.

      „Obwohl indirekt, nimmt Karl May eindeutig Stellung für die unterjochten Nationalitäten auf dem türkischen Balkan und für deren nationale Unabhängigkeit.“

      Radkovs Belege sind nachzulesen, wir brauchen sie hier nicht zu wiederholen. Er geht aber schließlich noch einen Schritt weiter, wenn er (21, S. 7) bescheinigt:

      „Karl