Stolz und Vorurteil. Jane Austen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jane Austen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754174463
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dort trennten sie sich von ihnen, obgleich Lydia sie auf das herzlichste aufforderte, doch mit einzutreten, und Mrs. Philips vom Wohnzimmerfenster aus laut und nicht minder herzlich die Einladung ihrer Nichten unterstützte.

      Mrs. Philips sah ihre Nichten immer gern bei sich; über den Besuch der beiden älteren, die so lange abwesend gewesen waren, freute sie sich jetzt besonders, und sie würde ihrem lebhaften Erstaunen über die plötzliche Rückkehr nach Longbourn noch des längeren Ausdruck gegeben haben, wenn sie sich nicht genötigt gesehen hätte, sich Mr. Collins zuzuwenden, den Jane ihr eben vorstellte. Sie empfing ihn mit größter Freundlichkeit, die er mit verdoppelter Artigkeit erwiderte, indem er für sein Eindringen um Vergebung bat, das – obwohl er ein Fremder sei – doch insofern eine gewisse Berechtigung habe – wenigstens schmeichele er sich, so folgern zu dürfen –, als er sich ebenfalls einer näheren Verwandtschaft zu diesen jungen Damen rühmen dürfe.

      Mrs. Philips hatte nicht Zeit genug, sich von einer solchen Wohlerzogenheit so erschlagen zu fühlen, wie sie es für passend empfunden hätte; denn die immer dringlicher klingenden Ausrufe und Fragen ihrer Nichten lenkten ihre Aufmerksamkeit von diesem Fremden auf jenen anderen, über den sie allerdings leider auch nichts weiter zu berichten wußte, als wir schon erfahren haben: daß er mit Mr. Denny aus London angekommen sei und das Leutnantspatent des in Meryton liegenden Regiments erwerben wolle. Sie habe ihn gerade eine Stunde lang mit Denny die Straße auf-und abgehen sehen, sagte sie, und wäre Mr. Wickham noch zu entdecken gewesen, hätten Lydia und Kitty sie sicherlich in dieser Beschäftigung abgelöst; aber zu ihrem Leidwesen passierten jetzt nur vereinzelte Offiziere das Haus, die im Vergleich zu dem Neuankömmling zu ›blöden, unsympathischen Kerlen‹ degradiert wurden. Einige von diesen ›Kerlen‹ waren am folgenden Abend bei den Philips zu Gast, und Tante Philips versprach, dafür Sorge zu tragen, daß ihr Mann noch vorher Mr. Wickham seine Aufwartung mache, um die Einladung auch auf ihn auszudehnen; selbstverständlich sollten sich die Nichten ebenfalls dazu einfinden. Die Schwestern stimmten diesem Vorschlag begeistert zu, und Mrs. Philips meinte, man könne sich zuerst mit einigen Partien Lotto vergnügen, bei denen es immer lustig und ein wenig ausgelassen zuging, und danach werde sie für ein kleines warmes Essen Sorge tragen. Die Aussicht auf ein derartiges Fest weckte Begeisterungsstürme, und man schied voneinander in aufgeräumtester Laune. Mr. Collins trug noch einmal seine Entschuldigungen vor, zu denen gar kein Anlaß vorlag, wie ihm auf das herzlichste versichert wurde. Auf dem Heimweg berichtete Elisabeth Jane von dem Zwischenfall, dessen Zeuge sie geworden war; auch Jane hatte keine befriedigendere Erklärung zur Hand als ihre Schwester.

      Mr. Collins’ bewundernde Schilderung von Mrs. Philips’ Lebensart und Zuvorkommenheit ließ ihn noch höher in Mrs. Bennets Ansehen steigen. Er erklärte, außer Lady Catherine und deren Tochter noch niemals in seinem ganzen Leben eine feinere Dame getroffen zu haben; denn nicht genug damit, daß sie ihn mit der größten Liebenswürdigkeit empfing, habe sie ihn auch noch ausdrücklich in ihre Einladung für den nächsten Abend mit eingeschlossen ungeachtet der Tatsache, daß er ihr vollkommen fremd sei. Zu einem gewissen Teil, glaube er annehmen zu können, möchte dies auf seine nahe Verwandtschaft zu Mr. Bennet zurückzuführen sein, aber selbst das mit in Betracht gezogen, wisse er nicht, wann er in seinem ganzen Leben mit so viel Aufmerksamkeit bedacht worden sei.

      16. KAPITEL

      Da niemand der Einladung bei der Tante widersprach und Mr. Collins’ Besorgnis, ob er wohl seine Gastgeber den ganzen Abend allein lassen dürfe, von diesen ganz entschieden für gegenstandslos erklärt wurde, brachen er und seine fünf Cousinen zu gegebener Zeit im Wagen nach Meryton auf. Mrs. Philips empfing sie sogleich mit der erfreulichen Nachricht, daß Mr. Wickham die Einladung angenommen habe und schon im Hause sei.

      Diese Mitteilung ermöglichte es Mr. Collins, sich in Muße im Empfangsraum umzusehen, und dessen Größe und Einrichtung machten solchen Eindruck auf ihn, daß er sich zu der Erklärung verstieg, man könne beinahe meinen, sich im Frühstückserkerzimmer auf Rosings zu befinden. Ein Vergleich, der zunächst nicht zu verstehen war; aber nachdem Mrs. Philips erfuhr, was Rosings war und wer dort residierte, und nachdem sie sich das Empfangszimmer dort hatte beschreiben lassen, in dem allein der Kaminsims an die 800 Pfund kostete, ging ihr die Bedeutung dieses Kompliments in seiner ganzen Größe auf, und sie hätte jetzt selbst einen Vergleich ihres Salons mit einer Mägdekammer auf Rosings mit stillem Stolz angehört.

      Mit der Beschreibung der Pracht von Rosings und des Glanzes, den Lady Catherine ihrem Besitztum verlieh, sowie gelegentlichen Abschweifungen zum Lobe seines eigenen bescheidenen Heims und der Änderungen, die er durchzuführen beabsichtige, vertrieb er zum mindestens sich selbst und Mrs. Philips auf das angenehmste die Zeit, bis die anderen Herren sich zu ihnen gesellten; Mrs. Philips erwies sich als eine Zuhörerin, wie er sie sich besser nicht hätte wünschen können, und während sie ihm lauschte, wuchs in ihrer Vorstellung ihr Gast zu immer größerer Bedeutung, und sie überlegte sich bereits, wie sie, vielleicht schon morgen, ihren Nachbarinnen über ihn berichten wollte.

      Die jungen Mädchen fanden das Warten weniger unterhaltend; die Beschreibung von Rosings mochten sie nicht mehr hören, und so vertrieben sie sich denn die Zeit, indem sie sich die mittelmäßigen Handarbeiten ansahen, die auf dem Kaminsims lagen und von ihnen selbst stammten; sie langweilten sich sehr.

      Aber schließlich war es so weit; die Herren traten ein; und als Mr. Wickham in der Tür erschien, versuchte Elisabeth sich einzureden, sie habe ihn noch nie gesehen und könne daher auch nicht inzwischen mit einer unbegründeten Bewunderung an ihn gedacht haben.

      Die Offiziere des Regiments gehörten ganz allgemein zu den vornehmsten ihres Berufes, und die vornehmsten von ihnen wieder bildeten die heutige Gesellschaft. Aber Mr. Wickham war ihnen allen an Auftreten, Aussehen und Haltung so weit überlegen, wie sie ihrerseits dem dicken, behäbigen Mr. Philips überlegen waren, der den Zug schweratmend und nach Portwein duftend beschloß.

      Mr. Wickham war der Glückliche, dem sich fast jedes weibliche Auge zuwandte, und Elisabeth war die Glückliche, neben der er Platz nahm; und die sympathische Art, mit der er sogleich ein Gespräch begann, mochte es als Thema auch nur den abendlichen Regen und die Aussicht auf weiteres schlechtes Wetter haben, verlieh ihr die Überzeugung, daß der gewöhnlichste, albernste und älteste Gesprächsstoff im Munde eines Könners anregend wirkte.

      Neben Rivalen wie Mr. Wickham und den Offizieren, wenn es galt, die Aufmerksamkeit der anwesenden Schönheiten auf sich zu ziehen, schien Mr. Collins in bodenlose Bedeutungslosigkeit zu versinken. Für die jüngeren Damen war er einfach nicht vorhanden; hin und wieder lieh Mrs. Philips ihm ein williges Ohr, sie war auch darauf bedacht, ihn ständig reichlich mit Kaffee und Gebäck zu versorgen.

      Als die Kartentische aufgestellt wurden, fand er seinerseits Gelegenheit, ihr gefällig zu sein, indem er sich an einer Partie Whist beteiligte.

      »Ich beherrsche das Spiel zwar nur unvollkommen«, sagte er, »aber ich freue mich über die Möglichkeit, mich darin fortbilden zu können, denn in meiner Stellung –« Mrs. Philips fand seine Bereitwilligkeit höchst dankenswert, doch mußte sie aus Zeitmangel darauf verzichten, sich die Begründung anzuhören.

      Mr. Wickham beteiligte sich nicht am Whist, und Elisabeth und Lydia machten ihm bereitwillig an einem anderen Tisch zwischen sich Platz. Zunächst sah es so aus, als ob Lydia, die unermüdlich zu plaudern verstand, ihn ganz mit Beschlag belegen würde; aber da Lotto ihr fast ebensoviel Spaß machte, nahm das Spiel sie bald so gefangen, daß sie über den Nummern, die sie überwachen mußte, jegliches Interesse an ihrem Nachbarn verlor. Mr. Wickham stand es daher frei, sich mit Elisabeth

      zu unterhalten, und sie hatte nichts dagegen einzuwenden, von ihm unterhalten zu werden, wenn sie auch nicht hoffen durfte, das zu hören, was sie am meisten beschäftigte, nämlich die Geschichte seiner Bekanntschaft mit Darcy. Sie ihrerseits wagte natürlich nicht, den Namen auch nur zu erwähnen. Ihre Neugierde wurde aber dennoch unerwarteterweise befriedigt: Mr. Wickham schnitt von selbst das Thema an. Er fragte sie zunächst, wie weit Meryton von Netherfield entfernt sei; und als sie ihm geantwortet hatte, erkundigte er sich vorsichtig, wie lange Darcy sich dort schon aufhalte.

      »Einen Monat etwa«, erwiderte Elisabeth; und besorgt, er