Stolz und Vorurteil. Jane Austen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jane Austen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754174463
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oder sie darf keinerlei Anspruch auf Bildung erheben!«

      »Das alles gehört dazu«, fügte Darcy hinzu, »und dabei darf der Geist nicht vergessen werden, das Wissen, das durch mannigfaltige Lektüre eine ständige Erweiterung erfahren muß.«

      »Jetzt wundere ich mich nicht mehr darüber, daß Sie kaum sechs gebildete Frauen kennen; eher, daß Sie überhaupt auch nur eine einzige kennen.«

      »Beurteilen Sie Ihre Geschlechtsgenossinnen nicht allzu streng?«

      »Mir ist noch nie eine solche Frau vor Augen gekommen. Ich habe noch nirgends solche Fähigkeiten und solchen Geschmack und Verstand mit einem solchen Talent, wie Sie es fordern, vereint gesehen.«

      Mrs. Hurst und Caroline protestierten laut gegen Elisabeths unberechtigten Zweifel und erboten sich, eine Vielzahl von Bekannten zu nennen, die allen Forderungen entsprächen; aber Mr. Hurst unterbrach sie entrüstet und beklagte sich bitterlich über die Unaufmerksamkeit, die das Spiel aufhalte. Damit fand die Diskussion ihr Ende, und Elisabeth zog sich bald darauf zurück.

      »Lizzy Bennet«, begann Caroline, sobald die Tür sich geschlossen hatte, »gehört zu den jungen Mädchen, die dem anderen Geschlecht zu gefallen versuchen, indem sie ihr eigenes schlecht machen; zweifellos in vielen Fällen eine erfolgreiche Methode, aber dafür nicht weniger verwerflich und verächtlich!«

      »Andererseits«, entgegnete ihr Darcy, an den diese Bemerkung hauptsächlich gerichtet war, »sind alle Methoden, zu denen die Frauen beim Männerfang ihre Zuflucht nehmen, verwerflich und verächtlich. Weil sie alle eine große Ähnlichkeit mit gemeiner Hinterlist haben.«

      Caroline schien durch diese Antwort nicht ganz so befriedigt, wie sie vielleicht gehofft hatte, und so ließ sie denn das Thema fallen.

      Elisabeth kam nach kurzer Zeit wieder herunter: der Zustand ihrer Schwester habe sich verschlimmert, sie könne sie nicht lange allein lassen. Bingley drang darauf, daß Dr. Jones sofort geholt werden solle, während seine Schwestern in der Überzeugung, daß ein Landarzt nicht viel taugen könne, empfahlen, auf schnellstem Wege einen Spezialisten aus London zu rufen. Doch davon wollte Elisabeth nichts hören; sie nahm aber dankbar Bingleys Vorschlag an, und man entschloß sich, Dr. Jones am nächsten Morgen zu holen, falls es Jane dann nicht besser gehen sollte. Bingley war offensichtlich beunruhigt, und seine Schwestern erklärten, untröstlich zu sein. Nach dem Essen bemühten sie sich immerhin, ihren Kummer durch Singen zu beschwichtigen, während ihr Bruder seiner Besorgnis keinen besseren Ausdruck zu geben vermochte, als die Wirtschafterin ständig von neuem zu ermahnen, es der kranken Dame und ihrer Schwester ja an nichts fehlen zu lassen.

      9. KAPITEL

      Elisabeth wachte fast die ganze Nacht an der Seite ihrer Schwester und hatte am nächsten Morgen die Genugtuung, sowohl dem Hausmädchen, durch das Mr. Bingley sich schon überaus frühzeitig nach Janes Befinden erkundigte, als auch den später nachfragenden Zofen seiner Schwestern eine günstige Antwort erteilen zu können. Trotz dieser Besserung sprach sie jedoch den Wunsch aus, ihre Mutter herbitten zu dürfen, damit sie mit ihrer Erfahrung den Zustand der Kranken prüfen könne. Ein Schreiben dieses Inhalts wurde sogleich nach Longbourn geschickt, und Mrs. Bennet zögerte nicht, der Aufforderung nachzukommen. Kurz nach dem Frühstück war sie schon mit ihren beiden jüngsten Töchtern zur Stelle.

      Es hätte Mrs. Bennet wirklich aufrichtig bekümmert, Jane ernstlich krank zu finden; aber nachdem sie festgestellt hatte, daß zu irgendwelcher Unruhe gar kein Anlaß vorlag, war ihr einziger Wunsch, eine endgültige Gesundung möglichst hinauszuschieben, da ja mit der Krankheit auch der Aufenthalt auf Netherfield ein Ende finden würde. Sie schlug daher ihrer Tochter den Wunsch, nach Hause gebracht zu werden, rundweg ab; und auch der Arzt, der bald nach ihr eingetroffen war, riet, es nicht zu tun. Nachdem sie Jane eine kleine Weile Gesellschaft geleistet hatten, folgten Mrs. Bennet und ihre drei Töchter Carolines Einladung, ins Wohnzimmer herunterzukommen: Bingley empfing sie, indem er die Hoffnung aussprach, sie möge ihre Tochter nicht schlimmer vorgefunden haben, als den Umständen nach zu erwarten gewesen sei.

      »Leider doch, Mr. Bingley«, war die Antwort. »Sie ist nicht kräftig genug, um aufzustehen. Dr. Jones meinte, an eine Heimfahrt sei noch gar nicht zu denken. Wir müssen Sie also leider bitten, Ihre Gastfreundschaft noch etwas länger in Anspruch zu nehmen.«

      »Heimfahrt!« rief Bingley aus. »Natürlich kann davon keine Rede sein. Meine Schwester hätte sich dem sowieso aufs Bestimmteste widersetzt!«

      »Sie können sich darauf verlassen, gnädige Frau«, sagte Caroline so kalt, wie die Höflichkeit es ihr gerade noch erlaubte, »Ihre Tochter wird mit aller erdenklichen Liebe gepflegt werden, solange sie bei uns auf Netherfield bleibt.«

      Mrs. Bennet war überschwenglich in ihren Dankesäußerungen.

      »Ich wüßte gar nicht«, schloß sie, »was ich ohne Ihre Freundlichkeit tun sollte. Jane fühlt sich sehr elend und leidet schrecklich darunter, wenn sie es auch mit der größten Geduld von der Welt zu ertragen versteht. So ist sie immer gewesen, denn sie hat einen der liebenswertesten Charaktere, den ich mir vorstellen kann. Wie oft sage ich zu meinen anderen Töchtern: nehmt euch ein Beispiel an ihr! Aber Ihre Zimmer sind ganz entzückend, Mr. Bingley, und diese Aussicht auf den Garten ist wirklich reizend. Ich kenne keinen Landsitz, der sich mit Netherfield messen könnte. Sie werden uns doch nicht so bald wieder verlassen wollen, hoffe ich; ich hörte, Sie haben nur für so kurze Zeit gemietet.«

      »Ich tue nun einmal alles so plötzlich«, erwiderte Bingley. »Sollte es mir einfallen, Netherfield verlassen zu wollen, dann würde ich wahrscheinlich innerhalb von fünf Minuten schon fort sein. Im Augenblick fühle ich mich jedoch sehr seßhaft hier.«

      »Gerade so habe ich Sie eingeschätzt«, sagte Elisabeth.

      »Sie fangen schon an, mich zu durchschauen?« fragte er sie lächelnd.

      »Oh ja – ich glaube, Sie vollkommen zu kennen.«

      »Ich würde das ja gern als ein Kompliment auffassen. Aber es ist doch ziemlich erbärmlich, sich so leicht durchschauen zu lassen.«

      »Wie man’s nimmt; es ist, finde ich, gar nicht gesagt, daß ein schwieriger Charakter besser oder schlechter sein muß als der Ihre.«

      »Lizzy!« rief Mrs. Bennet ermahnend, »vergiß nicht, wo du dich befindest, und laß dich hier nicht so hemmungslos gehen, wie man es dir zu Hause bedauerlicherweise erlaubt.«

      »Ich wußte gar nicht«, fiel Bingley sogleich ein, »daß Sie Charaktere zu lesen verstehen. Es muß eine recht amüsante Beschäftigung sein.«

      »Ja, und am amüsantesten sind die schwierigen Fälle. Den einen Vorteil haben sie.«

      »Auf dem Lande«, mischte sich jetzt Darcy in die Unterhaltung, »werden Sie wohl schwerlich sehr viel Gelegenheit erhalten, Ihre Studien zu treiben. Die Gesellschaft hier ist doch recht gleichförmig und eng begrenzt.«

      »Aber alle Menschen ändern sich so sehr in sich selbst, daß man ständig Neues an ihnen entdecken kann.«

      »Allerdings!« rief Mrs. Bennet, die sich durch die Art, wie er über die ländliche Gesellschaft gesprochen hatte, persönlich gekränkt fühlte. »Allerdings! Sie können mir glauben, das kann man hier auf dem Lande genau so erleben wie in der Stadt.«

      Niemand war auf einen solchen Ausbruch gefaßt gewesen, und Darcy wandte sich schweigend ab. Mrs. Bennet nutzte den vermeintlichen Sieg über ihn zu einem weiteren Triumph aus.

      »Ich weiß überhaupt nicht, worin der vielgerühmte Vorzug Londons bestehen soll; etwa in den paar Geschäften und Vergnügungsstätten? Das Leben auf dem Lande ist doch unvergleichlich viel angenehmer als das in der Stadt; finden Sie nicht auch, Mr. Bingley?«

      »Wenn ich mich auf dem Lande befinde«, entgegnete er, »möchte ich es nie wieder verlassen; doch wenn ich in der Stadt bin, geht es mir auch nicht viel anders. Beides hat seine Vorteile, und ich fühle mich hier wie dort zu Hause.«

      »Sie haben eben die richtige Einstellung.