Sarah lachte laut auf. Auch sie wusste, wer Melody war und dass bei einem Unfall nur einer von ihnen sterben würde.
Sie reduzierte die Geschwindigkeit und der Wind blies den beiden Frauen die Haare aus dem Gesicht. Während Melody groß und schlank war und blonde, lange, gelockte Haare hatte, war Sarah klein, zierlich und mit kurzen braunen Haaren.
So wie ihr Aussehen war auch ihr Charakter absolut gegensätzlich. Während Melody ruhig und besonnen war – und das lag nicht nur an ihrem Alter – war Sarah ein Wirbelwind. Immer gut drauf und Power ohne Ende.
Kein Wunder, dass sie Personaltrainerin im hiesigen Fitnesscenter war und bis auf Jahre ausgebucht war.
Melody dagegen arbeitete als Krankenschwester im Krankenhaus. Natürlich hätte sie auch locker studieren können, aber sie hatte keine Lust, immer wieder neu das Studium anzufangen, wenn sie umzog und eine neue Identität annahm. Als Krankenschwester war die Ausbildung für sie schnell und meist auch mit Auszeichnung fertigzubringen.
Nur bei Blutabnahmen und vorgeschriebenen Kontrolluntersuchungen musste sie die Menschen manipulieren, damit keiner herausbekam, dass sie nicht menschlich war.
Wie oft hatte Sarah sie schon gebeten, Milow dazu zu bringen, dass er sich in sie verliebte. Doch einerseits ließ Liebe sich nicht einfach so in die Köpfe hineinpflanzen und andererseits setzte Melody ihre Gabe so selten als möglich ein.
Auf keinen Fall wollte sie Aufsehen erregen und irgendeinen von denen erzürnen. Schon gar nicht ihn. Wegen ihm hatte sie das Paradies verlassen, um nur nicht ihn zum Mann nehmen zu müssen.
„Hör auf, ständig darüber zu grübeln.“ Sarah riss sie aus ihren Gedanken. Sie schaute zu ihrer Freundin rüber und lächelte. Sie kannten sich einfach zu gut. Und sie wusste jetzt schon, dass es ihr das Herz brechen würde, wenn Sarah irgendwann alt wurde und starb, während sie immer noch jung und unsterblich war.
Seit sie sich entschieden hatte, zur Erde zu kommen, hatten die Emotionen zugenommen. War sie immer relativ beherrscht gewesen und Angst, Wut, und Liebe nur seichte Gefühle, so hatten sie an Intensität zugenommen, die ihr oft die Luft zum Atmen nahm.
Ob Menschen auch so fühlten, oder Melody mittlerweile mehr, wusste sie nicht. Aber manchmal wünschte sie sich, sie könnte sie einfach abschalten.
Sarah legte die Hand auf ihre. Schon wieder waren ihre Gedanken abgeschweift.
„Nun hör wirklich auf. Schnapp dir endlich Dylon, der dich die ganze Zeit schon anschmachtet, und hab ein wenig Spaß. Amüsiere dich, lass dich endlich mal flachlegen. Die bist die älteste Jungfrau auf Erden, Mel.“ Sarah zwinkerte ihr zu und hielt den Jeep vor der alten Halle an.
Melody seufzte. Sie würde auch die älteste Jungfrau auf Erden bleiben, solange sie an ihn gebunden war. Sie verscheuchte die Gedanken und schaute sich um.
Milow hatte für die Party mal wieder einen total abgefahrenen Ort gewählt. Mitten in der Pampa hatte er diesmal eine alte Lagerhalle ausgewählt. Notstromaggregate würden für den Strom der Musikanlage und die Kühlgeräte der Getränke sorgen.
Wie immer wurde die Party heimlich abgehalten und nur einige der hippsten Leute aus Angle City waren eingeladen. Natürlich kamen meist mehr als eingeladen, denn letztendlich sprach es sich dann doch herum, wo mal wieder eine berüchtigte Milow-Fete stattfand.
Allerdings wurde immer penibel darauf geachtet, dass die Polizei keinen Wind davon bekam, denn die waren genauso hinter diesen Partys her, wie Leute dort eine Einladung haben wollten.
Die beiden stiegen aus und die Atmosphäre holte sie direkt ab. Die Dämmerung setzte gerade ein und tauchte die Halle in diffuses Licht. Die Tür wurde geöffnet und Milow und Dylon traten zu den Frauen.
„Hi, schön, dass ihr früher kommen konntet. Wie findet ihr die Location?“, fragte Milow auch sogleich nach, wobei er die ganze Zeit Sarah angesehen hatte. Melody musste sich ein Grinsen verkneifen, denn letztendlich interessierte er sich die ganze Zeit schon für Sarah, nur sie bekam es nicht mit.
Sie hingegen spürte die Blicke von Dylon auf sich, und als sie ihn anschaute, strahlte er über das Gesicht. Unter anderen Umständen, in einem anderen Leben, da wäre sicher aus ihnen beiden ein Paar geworden. Aber hier und jetzt musste sie Dylon immer wieder einen Korb geben.
„Du hast dich mal wieder selbst übertroffen“, lobte Sarah und hakte sich bei Milow unter. „Wo sollen wir helfen?“
Melody ging neben Dylon in die Halle und staunte nicht schlecht. Die beiden hatten hier schon ganze Arbeit geleistet. „Wow, wart ihr das ganz allein?“
Dylon zwinkerte. „Klar, Milow würde keinen anderen mithelfen lassen. Wir sind die ganze Woche schon dabei, alles vorzubereiten. Lichtanlage hängt, Musikanlage steht und jetzt heißt es nur noch die Theke befüllen. Da könnten wir eure Hilfe gebrauchen. Hinter der Halle steht der Transporter mit den Getränken. Wir tragen die Kisten rein und ihr verteilt alles in die Kühlschränke.“
„Kein Problem, das werden wir noch hinbekommen." Melody zwinkerte zurück und machte sich mit Sarah zusammen auf den Weg hinter die lange Theke.
Heute würden sie hier sogar bedienen. Normalerweise durften das auch nur ausgewählte Personen machen und diesmal war die Wahl auf Sarah und sie gefallen. Eigentlich hatte Milow Sarah gefragt und die wollte nicht allein helfen, somit hing Melody mit drin.
„Rennst du eigentlich mit geschlossenen Augen durch die Gegend?“, fragte Melody, als sie anfingen, die ersten Flaschen zu verstauen.
Sarah hielt beim Einräumen inne und schaute sie verständnislos an. „Hä, wie meinst du das denn?“
„Hast du immer noch nicht mitbekommen, wie dich Milow anschaut?“
„Echt?“ Sarah wurde das erste Mal, seit Melody sie kannte, flammend rot.
„Ja, echt.“ Melody schmunzelte, als die Röte noch zunahm, als Milow und Dylon die nächsten Kästen brachten.
Anscheinend entging das auch Milow nicht, der sie aufmerksam musterte. „Alles in Ordnung, Sarah?“
„Äh … ja, ja.“
Dylon warf Melody einen Blick zu und grinste wissend. „Ach Mel, könntest du mal mit rauskommen, ich wollte dir noch etwas zeigen.“
Melody verstand sofort und drückte ihre Flaschen zum Wegräumen direkt Milow in die Hände.
Vor der Tür kicherten die beiden wie Teenager. „Meine Güte, das war mit den beiden nicht auszuhalten“, gluckste Melody.
„Milow liegt mir schon seit Wochen in den Ohren, wie er am besten an Sarah herankommt. Man könnte meinen, er wäre 14 und nicht schon 24.“
„Sarah verhält sich da aber auch nicht besser.“ Melody setzte sich auf eine der Kisten und schaute in den immer dunkler werdenden Himmel.
„Magst du auch eine? Ist leider noch etwas warm.“ Dylon hielt ihr eine Coke hin.
„Danke.“ Wenn doch alles anders wäre, dann wäre jetzt auch für sie der perfekte Zeitpunkt gekommen, um auf Dylons Annäherungsversuche einzugehen.
Er setzte sich neben sie und ihre Arme berührten sich. Verdammt, sie musste es jetzt klarstellen.
„Hör zu, Dylon. Ich bin allerdings auch nicht blind. Du gefällst mir unheimlich gut und ich gehe davon aus, dass das auf Gegenseitigkeit beruht?“
„Da hast du vollkommen Recht, Melody. Ich bin schon lange …“
„Stopp. Bevor du weitersprichst, muss ich dir etwas sagen. Ich mag dich, sehr sogar und unter anderen Umständen … nun ja, es ist aber nun mal so, wie es ist. Es gibt da einen anderen Mann. Auch wenn es sich sehr altmodisch anhört, so bin ich ihm versprochen und dieser Anspruch wird nie erlöschen. Auch wenn ich einen Aufschub bekommen habe, so werde