De Chlapf im Bundeshuus. Rubi Fox. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rubi Fox
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738077216
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ist das Faulheit, ist das Unzufriedenheit mit sich selbst?” sinniert er vor sich hin.”Oder bin ich, sind wir alle, die arbeiten die Dummen?”

      Jakob Seiler wird 90

      Gut gehts ihm, dem Jakob Seiler. Seit 18 Jahren wohnt er bei seinem Sohn und dessen Familie in einem schönen Einfamilienhaus am Rande einer kleineren Stadt. Seine geliebte Frau starb vor 20 Jahren nach einer schweren Krankheit. Aber ihm, dem Jakob Seiler fehlt eigentlich nichts, abgesehen von kleineren Altersbeschwerden, über die andere bereits mit fünfzig oder sechzig klagen. Verträumt sitzt der weisshaarige Urgrossvater in seinem Lehnstuhl und schaut aus dem Fenster. Er beobachtet die zierlichen Vögel, die auf dem Fenstersims hin und her tanzen und die ausgelegten Kernen aufpicken. Ein friedlicher Tag. Nichts deutet darauf hin, dass Jakob Seiler heute seinen neunzigsten Geburtstag feiert. Plötzlich, wie auf ein Kommando, fliegen sämtliche Vögel davon. Jakob streckt seinen Kopf etwas näher gegen das Fenster. Er will wissen, was die Vögel aufgeschreckt hat. Zuerst sieht er nichts, doch nach wenigen Augenblicken bemerkt er den Briefträger, der sich mit seinem Mofa dem Haus nähert.

      Kurze Zeit später klingelt es auch schon an der Haustüre. Opa Seiler richtet seinen Blick auf die Türe, durch welche soeben seine Schwiegertochter das Wohnzimmer betritt. Marianne Seiler reicht ihm eine Handvoll Post hin. “Da, Opa, das ist für Dich. Das sind sicher alles Gratulationen.” Der Jubilar legt seine Geburtstagspost auf das Salontischchen.

      “Ich werde diese Briefe und Karten erst nach dem Essen lesen.”

      Nach dem festlichen Mittagsmahl ist die ganze Familie bei Kaffee und Kuchen im Wohnzimmer versammelt. Opa Seiler nimmt einen riesigen Blumenstrauss von seiner Enkelin entgegen. Sein Sohn reicht ihm die kurz vor Mittag eingetroffene Geburtstagspost hin. “Soll ich Dir die Briefe öffnen?”

      “Du könntest sie mir vorlesen. Du weisst ja, meine Augen sind nicht mehr die besten.”

      Sein Sohn öffnet die erste Karte und liest vor:

      “Lieber Jakob,

       zu Deinem Geburtstag wünschen wir Dir alles Gute und weiterhin beste Gesundheit.

       Deine Lilly, Marcel und Kinder.”

      “Äh, sag mal, die Lilly, das ist doch die Tochter meines Bruders?” erinnert sich Jakob Seiler, während sein Sohn bereits den nächsten Brief öffnet. “Der ist von der AHV. Was haben die dir wohl zu schreiben?”

      “Sehr geehrter Herr Seiler,

       zu Ihrem hohen Geburtstag möchten wir Ihnen herzlich gratulieren und wünschen Ihnen alles Gute.

       Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass Sie mit dem Erreichen Ihres neunzigsten Altersjahres die statistische Altersgrenze um die im Gesetz verankerten 15 Jahre überschritten haben und wir Ihnen deshalb nach Paragraph „soundso“ keine weiteren Renten mehr überweisen dürfen. Es tut uns ausserordentlich leid, aber unsere Erkundigungen über Sie haben ergeben, dass es Ihnen gut geht und dass Sie bei der Familie Ihres Sohnes gut untergebracht sind. Zudem haben unsere Abklärungen auf dem Gemeindesteueramt ergeben, dass Sie über ein beträchtliches Vermögen verfügen, welches Sie während Ihrer Rentenzeit sogar noch aufstocken konnten. Aus diesem Grunde greifen wir auf den vom Bundesrat erlassenen Spezialartikel zurück, wonach Ihre Altersrente gemäss folgender Begründung ab sofort aufzuheben ist: Der Bundesrat hat beschlossen, sämtliche Altersrenten zu reduzieren, wenn der oder die bezugsberechtigte Person ein eigenes Vermögen aufweist aus dem ein Zinsertrag von Fr. 12250.35 resultiert.

       Lebt der oder die bezugsberechtigte Person zudem unter dem gleichen Dach mit direkten Verwandten wie Sohn oder Tochter, wird die Rente gänzlich gestrichen. Diese Massnahme musste aus folgenden zwingenden Gründen eingeführt werden: Die Existenz unserer staatlichen Altersvorsorge ist ernsthaft gefährdet. Der Bundesrat musste feststellen, dass in den vergangenen fünf Jahren nicht nur weniger geraucht und getrunken wurde, (die AHV wird ja bekanntlich zu einem grossen Teil von der Tabak- und Alkoholsteuer finanziert) sondern dass zudem immer weniger junge Leute einer geregelten Arbeit nachgehen. Erschwerend kommt hinzu, dass immer mehr Erwerbstätige bereits mit fünfzig oder fünfundfünfzig Jahren in Frührente gehen oder aus uns nicht bekannten Gründen ihre Arbeit aufgeben. Die Ausgleichskasse funktioniert nach dem Prinzip des Umlageverfahrens. Und obwohl wir den AHV-Beitrag der arbeitenden Bevölkerung bereits um zehn Prozent erhöht haben, ist es uns nicht gelungen, die nötige Finanzierung zu sichern.

       Es tut uns aufrichtig leid, Ihnen, lieber Jubilar, keinen besseren Bescheid geben zu können. Wir wünschen Ihnen trotzdem einen geruhsamen Lebensabend im Kreise Ihrer Familie und grüssen Sie

       mit vorzüglicher Hochachtung.”

      “PS: Sollte aus gesundheitlichen Gründen eine Einweisung in ein Alters- oder gar Pflegeheim notwendig sein, haben Sie die Möglichkeit, unter Benutzung des Formulares A.0203b den Antrag für die Wiederaufnahme Ihrer Rente einzureichen.”

      Jakob Seiler konnte noch zwei Monate bei seiner Familie bleiben. Dann musste er in das örtliche Alters- und Pflegeheim eingewiesen werden. Sein Antrag für die Wiederaufnahme seiner Rente wurde nach elf Monaten bewilligt - drei Wochen nach seiner Beerdigung!

      Die Martys machen eine Erbschaft

      Brigitte und Walter Marty sind seit zweiundzwanzig Jahren verheiratet, kinderlos und beide berufstätig. Walter ist Prokurist in einer grossen Industriefimra, seine Frau Brigitte führt eine eigene Boutique in der Altstadt. Zusammen leben Sie in einer schönen Attika-Eigentumswohnung ausserhalb der Stadt. Die beiden sind noch so verliebt wie in den Tagen, als sie sich auf Ibiza verliebt haben. Das Einzige, was ihnen fehlt, sind Kinder. Aber heute haben sich beide damit abgefunden und ihr Leben danach eingerichtet. Eine dieser Einrichtungen ist ihr gemeinsames Bankkonto, das heute einen beträchtlichen Saldo aufweist, was nicht verwunderlich ist, wenn zwei Lebenspartner über zwanzig Jahre hart arbeiten. Aber jetzt haben Sie genug. Genug verdient, genug gearbeitet und genug dem Staat abgeliefert. Brigitte und Walter Marty möchten ein neues Leben beginnen. Ein Leben ohne Stress, ein einfacheres Leben, als sie bisher gelebt haben. Aber dieses Leben, das sich die beiden vorstellen, kann man sich in der Schweiz nicht leisten. Die Schweiz ist ein Land, in dem gearbeitet werden muss. Das Leben in der Schweiz ist zwar nicht schlecht, aber es ist unverhältnismässig teuer. Und wer ein eigenes Haus hat, oder sich ein Eigenheim erwerben will, kann nicht einfach “existieren”, ausser man hätte ein millionenschweres Vermögen. Und so gross ist das Bankguthaben der Martys doch nicht.

      Brigitte und Walter Marty haben vor drei Monaten beschlossen, ihre zweite Lebenshälfte in einem südlichen Land zu verbringen. In Frage kämen da Italien, Spanien oder eine der verschiedenen spanischen Inseln wie Gomerra, Hierro oder Fuerteventura. Lange waren sich die beiden nicht einig - aber eine unverhoffte Erbschaft hat ihnen die Ent-scheidung abgenommen: Ein Onkel von Brigitte hat ihnen eine kleine Finca auf der iberischen Halbinsel, genau gesagt in Jalon, hinterlassen. Jalon ist eine kleines spanisches Dorf, etwa zwanzig Kilometer vom Meer entfernt, zwischen den Städten Valencia und Alicante. - Und auf dem Flughafen von Alicante beginnt unsere Geschichte. Vor zehn Minuten ist die Linienmaschine mit Brigitte und Walter Marty an Bord in Alicante gelandet. Während Walter dabei ist, einen Mietwagen zu organisieren, wartet Brigitte bei der Gepäckausgabe auf ihre beiden Koffer.

      Kurze Zeit später sitzen sie in einem knallroten Seat Panda und fahren Richtung Jalon. “Was meinst Du, Walti, was erwartet uns wohl in Jalon? Eine Finca kann ein Bauernhof oder auch nur ein Stall sein.” - “Ein Stall wäre mir sympathischer, da gibt es für mich wieder eine neue Aufgabe. Ich würde uns ein gemütliches Zuhause erbauen. Aber jetzt wollen wir uns deine Erbschaft erst einmal ansehen. Vielleicht werden wir enttäuscht sein, oder vielleicht gefällt es uns in Jalon gar nicht. Ich habe jedenfalls Hierro noch nicht abgeschrieben.” Brigitte beugt sich gegen Walter, umarmt ihn und gibt ihm einen Kuss auf die Wange:”Ich habe ein gutes Gefühl. Und sieh mal, das schöne Wetter!

      Die