Doofenschwur. Thomas Kämpf. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Kämpf
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847636830
Скачать книгу
lassen. Hatten wir die Möglichkeit, haben wir sie genutzt. Und jetzt? Jetzt benehmen wir uns, als sei unser Leben zu Ende. Nur, weil wir Familienväter sind. Nee, Jan, ich will schon noch was erleben. Einmal so richtig auf die Kacke hauen!"

      "Ich dachte, zwischen dir und Iris läuft's gut."

      "Tut's ja auch. Im Grunde zu gut."

      Erst nach Matzes nächsten Satz wusste ich, was er meinte.

      "Sie arbeitet wieder mal auf was Kleines hin. Ich weiß ja nicht, wer ihr wieder diesen Floh ins Ohr gesetzt hat. Vielleicht war es ihre Schwester, vielleicht die hundertste Wiederholung von Unsere kleine Farm oder Staffel eins der Waltons-DVD-Veröffentlichung - du weißt ja, dass sie auf diese heile Welt der Großfamilie steht. Jedenfalls hat sie vor zwei Wochen wieder damit angefangen. Wann immer sie meint, es ist die günstigste Zeit, muss ich ran. Sechs Kilo habe ich seitdem abgenommen, obwohl sie mich ständig mit irgendwelchen Proteinen füttert.

      Aber irgendwas stimmt diesmal nicht, Jan. Diesmal ist es anders. Sie macht neuerdings Yoga und einmal die Woche latscht so ein komischer Kerl mit einem Ast durch die Bude, um irgendwelche Energiestörungen aufzuspüren. Aber das ist noch nicht alles. Madame macht jetzt auch Pilates. Sie sagt, das ist Wonne für ihren Beckenboden. Ich wusste nicht mal, dass sie sowas hat. Während Sie also ihren Beckenboden trainiert, trainieren meine Jungs meine Nerven. Komme ich von der Arbeit, muss ich mich um sie kümmern. Vier Jungs zwischen zwei und acht halten dich auf Trab,Jan, das kann ich dir flüstern. Ist Iris zu Hause, geht's gleich in die nächste Runde."

      Er nahm einen Schluck aus seiner Flasche. "Das Schlimmste aber, das absolut schlimmste von allem … Das ist ihr furchtbares Geschrei beim Sex. Dauernd ruft sie sowas wie Jaaa! und Mach mich schwanger! Es darf nichts verloren gehen!

      Wenn sie nicht so sehr damit beschäftigt wäre, aufzupassen, dass nichts rausläuft, würde sie bemerken, dass gar nichts reingelaufen ist. Ich meine, wie soll man bei Mach mich schwanger zum Abschuss kommen? Verstehst du? Es blockiert mich. Dieser Druck, den sie durch ihr Geschrei in mir aufbaut ... Zu wissen, dass die Kinder im Wohnzimmer mit Kopfhörern auf der Couch sitzen und Toy Story gucken ... Das alles macht mich fertig. Ich kriege zwar einen hoch, aber ansonsten ... Zum Glück habe ich das Vortäuschen perfektioniert."

      Resigniert nahm er einen weiteren Schluck aus der Pulle. "Mein Gott, was würde ich darum geben, mal nicht wie ein Zuchtbulle behandelt zu werden. Ich möchte mal wieder mit einer Frau Sex haben, die MICH will! Und nicht mein Sperma. Weißt du, Jan, ich will überhaupt gar kein Kind mehr. Vier reichen völlig aus. Vier Jungs ... Was meinst du, was die die Bude auf den Kopf stellen. Mann, ich wünschte, Iris wäre so vernünftig wie deine Frau."

      "Tja, dann würde das Problem durch mangelnden Sex gelöst."

      "Du Glückspilz. Das wäre ja das Paradies auf Erden.“

      "Verstehe mich nicht falsch", fuhr er fort. "Iris ist eine super Frau. Sie sieht immer noch gut aus. Aber wenn du nach zehn Jahren Ehe, immer noch dreimal am Tag Erbsensuppe löffeln musst, Mensch, Jan, dann freust du dich auch mal auf eine Fastenzeit."

      "Vielleicht brauchst du einfach mal ein bisschen Abwechslung", schlussfolgerte ich. Männerprobleme ließen sich so einfach lösen. Ein bisschen Sex hier, ein bisschen Alkohol da ... Und schon sah die Welt nicht mehr so trostlos aus. "Glaub mir, das kann Wunder wirken."

      "Du hast recht!" Matze schlug entschlossen mit der Faust aufs Lenkrad. "Das ist es! So und nicht anders. Ich sollte mal was Verrücktes tun. WIR sollten mal was Verrücktes tun, alter Freund. Dein Geburtstag ist dafür wie geschaffen. Lass uns in eine Stripbar gehen!"

      "Bist du besoffen?"

      "Es ist mein Ernst. Wir beide müssen mal ausbrechen. Ich, weil ich zu viel Sex habe, du, weil du zu wenig hast."

      "Matze, ich gehe nicht in eine Stripbar. Erstmal ist das viel zu teuer und außerdem ist gleich meine Pause um. Die Kleinert ist eh nicht gut auf mich zu sprechen."

      "Aber wir könnten es uns richtig gut gehen lassen. Ich zahl auch."

      "Es geht wirklich nicht, Matze. Vielleicht ein andermal. Wenn wir frei haben. Und wenn wir nicht unbedingt so verzweifelt sind, dass wir wirklich Dummheiten machen könnten."

      Enttäuschung machte sich auf Matzes Gesicht breit.

      "Ja ... Vielleicht hast du recht", lenkte er schließlich ein. "Ich mit meiner Postuniform und du mit deinem Dauerständer ... Wir würden mit Sicherheit auffallen."

      Hastig trank er den letzten Schluck Bier. Er warf die Flasche aus dem Fenster und startete den Motor. "Vielleicht sind wir einfach zu spät dran", sagte er und gab Gas.

      Innerhalb der kurzen Fahrt zur Immobilienverwaltung Kleinert beruhigte sich Matze auffallend schnell. Er war kein Kind von Traurigkeit und nahm sein Schicksal stets so, wie es kam. Und als ich ihm auch noch von meiner Begegnung mit Valerie erzählte, war die Enttäuschung ob der Stripbar schnell vergessen.

      Seit der achten Klasse, in der Mei Ling zu uns kam, eine auffallend hübsche Vietnamesin, auf die es Matze abgesehen hatte, stand er auf Asiatinnen. Irgendwie projizierte er alles Positive einer Beziehung in die Partnerschaft mit einer solchen und wünschte sich von daher nichts sehnlicher, als einmal die süße Frucht des fernen Ostens zu kosten. Matze selbst umschrieb das immer so blumig. Es war daher nicht verwunderlich, dass er mich nicht so ohne weiteres vor dem Bürogebäude absetzte, sondern mir zudem noch ein Versprechen abringen wollte. "Ich will, dass du mir das Mädel zeigst!", befahl er mir.

      "Och bitte, Matze, sie ist verheiratet."

      "Na und? Das bin ich auch. Hält mich das von irgendetwas ab? Außerdem hüpfe ich ja nicht gleich über sie drüber. Es würde mir schon reichen, wenn sie meinen Appetit anregt. Das würde mir die Kissenschlacht mit Iris ungemein erleichtern."

      "Du hast sie nicht mehr alle", sagte ich, versprach ihm aber, sie beide einander vorzustellen, wenn sich die Gelegenheit ergeben würde.

      "Dann hast du was gut bei mir." Er lächelte mir aufmunternd zu und brauste los, noch ehe ich die Tür geschlossen hatte.

      Der Rest des Tages verlief ohne besondere Zwischenfälle. Die Kleinert ließ mich in Ruhe, dumme Anrufe von nervenden Eigentümern blieben aus und so hatte ich genug Zeit, liegengebliebene Korrespondenz zu bearbeiten. Erst gegen Ende meiner regulären Arbeitszeit kam die Kleinert aus ihrem Büro und zitierte mich zu sich.

      Ich schloss die Tür hinter mir und setzte mich ihr gegenüber. Sie überprüfte gerade eine Nebenkostenabrechnung und ließ mich demonstrativ warten. Dann sagte sie, ohne aufzublicken: "Wo warst du denn den ganzen Tag, Jan, was, hm?"

      Ich verstand die Frage nicht. "Draußen am Schreibtisch."

      Die Kleinert nahm ihre Lesebrille ab und lehnte sich entspannt zurück. Trotz ihrer sechsunddreißig Jahre wirkte sie alt und ... Ja, wie soll ich sagen ... mütterlich. Genau. Sie war so unsexy wie Mutter Beimer. Immerhin hatte sie schöne Beine. Sie hatte sie übereinandergeschlagen, weshalb mir das auffiel. Ihr fiel auf, dass mir das auffiel, worauf sie ihren Rock ein wenig raffte, um mir eine ungehinderte Sicht auf ihre Oberschenkel zu ermöglichen. Anzüglich wippte sie mit dem übergeschlagenen Bein, was mich, wäre mir der Rest von der Kleinert erspart geblieben, durchaus gereizt hätte.

      "Wir hatten doch eine Abmachung", sagte sie. "Wenn ich dir sage, du kannst jederzeit in mein Büro kommen und dich entschuldigen, dann erwarte ich auch, dass du in mein Büro kommst, hm, was?"

      "Ach ..."

      "Ich lasse mich nicht vorführen, mein lieber Jan, was? Du musst mir schon ein wenig entgegenkommen, so? Damit die Kollegen wissen, wer hier der Chef ist, was?"

      "Natürlich", antwortete ich. "Beim nächsten Mal. Kann ich dann jetzt gehen?"

      "Erst wirst du wieder gutmachen, dass du mich heute Morgen versetzt hast. Ich möchte, dass du Montag um zehn mit mir zusammen eine Wohnungsabnahme durchführst, ja? Der Horst ist dummerweise doppelt terminiert."

      "Montag habe ich Urlaub. Meine Frau fährt für drei Tage auf Klassenfahrt."

      "Es