Rentadep. Jens Otto Holländer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jens Otto Holländer
Издательство: Bookwire
Серия: Jo Volland
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742743282
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gierige Menschen gerne bereit, Fünf gerade sein zu lassen. Er war ein Meister im Manipulieren von Menschen. Doch letztendlich machte es seine eigene Persönlichkeit unmöglich, anderen zu vertrauen und somit war er die oberste Spitze der Rentadep Pyramide, aber auch der einzige, der die Kenntnis aller Fakten, zu dem perversen Spiel zusammensetzen konnte, wie er es nun seit 12 Jahren tat. Für den Fall der Fälle, hatte er verschiedene Variationen eines Planes ausgearbeitet, der eventuelle Ermittler auf eine falsche Fährte führen würde. Sollte es jemals dazu kommen, hätte er sein Schäfchen im Trockenen und die Genugtuung, dass Jo und seine zugegeben sexuell mehr als reizvolle Schlampe, seine Rechnung bezahlen würden. Eine neue Existenz, die notwendigen Papiere und Konten im Ausland lagen bereit, in einer Kassette, Wetterfest verpackt in einem Wald, sollte er nicht mehr in sein Haus können, oder dieses abbrennen. Ebenfalls in der Kassette mit Ausweispapieren und Kontounterlagen ein flaches Etui mit Diamanten im Wert von 10 Mio. US$. Ebenso bestand Kontakt zu einem hervorragenden Chirurg, der die plastische Umgestaltung vornähme, doch so weit war er ja noch lange nicht. Aber er war gewappnet und konnte notfalls binnen weniger Stunden hier abhauen.

      An manchen Tagen fühlte er sich gottgleich und sein Vertrauen in seine Fähigkeiten war so grenzenlos, wie der Mangel an Mitgefühl, den er anderen Menschen gegenüber zeigte. Wobei fühlen nicht das richtige Wort war. Gefühle waren bei Kowalski kein Thema. Manchmal meinte er, nur durch sein Denken überhaupt existent zu sein. Nur während einer Session, spürte er sich richtig, fühlte seinen Körper, Er regierte, ein nicht hinterfragtes Genie und genoss den heimlichen Ruhm, der ihm nach eigener Auffassung gebührte.

      Er hatte jede Station, jeden Schritt, akribisch geplant, die Stationen ihres gemeinschaftlichen Projektes Rentadep, durch kontrolliert, wie die einen sagten, doch wie er besser wusste, verlief alles nach seinem Plan, bei dem alle anderen nur freiwillige und unfreiwillige Marionetten waren.

      Offiziell machten Abhängige einen Behandlungsvertrag mit Rentadep, bekamen staatliche Grundsicherung und arbeiteten ehrenamtlich in von Rentadep vermittelten Arbeitsgelegenheiten, in nicht gewerblichen Projekten. Und warum? Weil sie Euphorin wollten. Kowalski schüttelt sich. Dieses Pack. Euphorin gab es nur bei uns. Sicher gab es immer noch den Heroinschwarzmarkt und alteingesessene Junkies, die auf “ihr“ Methadon schworen, aber die relevanten Süchtigen, wenn möglich weiblich, feixte er in Gedanken, die wissen, was Sache ist. Einmal Euphorin verwöhnt, kehrt auch der treueste Rezeptor nicht zu schwächerem zurück. Auf dieser Ebene gab es zum Glück keine moralischen Wertungssysteme, wie Treue, Ehre, oder ähnlichen Mist. Das hatten viele, auch Profiteure noch nicht kapiert. Hier ging es nicht um „Glauben“ oder ähnliches. „Besser“ war besser. Messbar. Sie machten es nicht, für, sondern wegen Euphorin. Wie soll man das dem Otto Normal klar machen. Es ging nicht darum über eine Straße zu rollen. Es ging darum, in einem Rolls Royce dahinzugleiten und nicht mal zu merken, welches Wetter draußen war. WEIL sie es bekamen. Erschreckend, warum sich die Masse immer mit solchen, gar nicht individuellen Konzepten fangen ließen. Und das Monopol lag bei Rentadep. Zu Beginn waren die Abhängigen schlange gestanden, um schnell vom verhassten Methadon oder Subutex weg zu kommen. Um an das Manna zu kommen. Dieser Schritt, Kowalskis Idee, war genial gewesen. So konnte man völlig ahnungslosen Menschen eine neue Superdroge unterjubeln, sie abhängig machen, ausnutzen und vernichten. Ohne Politik, ohne jede Ideologie oder Religion. Was soll man dagegen tun wenn Leute danke rufen, während man ihnen den Saft abdrehte? Wie alles Geniale, war dieser Plan so bestechend simpel. Nur eines durfte nie passieren. Der Nachschub aus bleiben. Und dass dies nie passierte, hatte Kowalski Rentadep und Euphorin installiert.

      Kowalski bekam, alle paar Tage einen neuronalen Anfall, den man höchstens mit einer Art psychischen angenehm empfundenen zerebralen Störung, einer Art psychischer Gänsehaut vergleichen konnte. Er zitterte unkontrolliert, rollte mit den Augen, stöhnte, strampelte kurz mit seinen abgemagerten dürren Beinen und es war vorbei. Er sah sich im Büro um, wischte mit einem Taschentuch sein Gesicht ab und setzte seine Arbeit fort. Mit seinem hageren, von dichtem weißen Fell bedeckten Schädel und Gesicht, der zwanghaft flackernde Blick aus den dunklen engstehenden Augen rechts und links der Totenkopfnase sah er aus wie eine Horrorversion seiner selbst. Auf einer tieferen Ebene meldete er nur eine deutliche Botschaft: bleib weg von mir. Ich bin krank.

      Und die Klienten kamen freiwillig. Die meisten jedenfalls. Oder man half etwas nach, dachte er. Man muss die Leute ja oft zu ihrem Glück zwingen, dachte er, während er gedankenverloren im Internet altertümliche Folterinstrumente anstarrte. Die Beratungen vor dem Behandlungsvertrag, die gesundheitliche Kontrolle, all das lag mittlerweile bei Rentadep. Stück für Stück hatten sie den Plan perfektioniert. Nach maximal 20 Jahren erlosch der Vertrag und der Klient bekam weiterhin kostenfrei Euphorin oder, wenn er wollte, einen Entgiftungsversuch. Und nach fünf weiteren Jahren eine erste und nach zehn Jahren eine zweite Prämie, in Höhe eines halben Jahresgehaltes, dass er/sie für Rentadep im letzten Vertragsjahr erwirtschaftet hatte. Bis hierhin war es alles noch ganz gesetzeskonform abgelaufen. Wer Euphorin wollte, musste unterschreiben oder monatlich teuer bezahlen.

      Es hatte sich bezahlt gemacht, Rentadep Filialen quasi selbstständig wirtschaften zu lassen. Je mehr Abschlüsse ein Teamleiter akquirierte, desto höher sein Einkommen.Wie er dabei vorging blieb seine Sache, solange er Rentadep nicht in Gefahr oder Verruf brachte. Und es gab wirklich skrupellose Teamleiter. Wer da hinterher war, konnte richtig gut Geld verdienen. Inoffiziell wurden immer mehr Menschen, auf verschiedenen Nachschubwegen, mit Euphorin abhängig gemacht, verdienten Geld für Rentadep und verstarben maximal 25 bis 30 Jahre später am Euphorin. So hatten sie es geplant, doch sie bekamen es nicht hin, denn es durfte nichts darauf hinweisen, dass Euphorin schädlicher wäre, als andere Mittel, mit denen substituiert wurde. Also entwickelte ihr Top Chemiker und Gentechniker Euphorin 2.0. Das bekamen die für die Exekution ausgewählten für 6 Monate. Danach war ihre DNS unumkehrbar geschädigt und der Sterbeprozess begann. Sie bekamen wieder „normales“ Euphorin bis zu ihrem Tode, der spätestens neun Monate danach eintrat und nichts war nachzuweisen.

      So war es geplant.

      So funktionierte es.

      Das Sterben hatte vor drei Jahren begonnen.

      Da Frauen besser zum Geldverdienen geeignet waren, als Männer, wurde gezielt daran gearbeitet, Frauen abhängig zu machen und der Nachschub an Substies stagnierte nicht, er wuchs von Jahr zu Jahr an. Häftlingen bot man bei entsprechender Suchterkrankung an, in das Rentadep Programm zu wechseln, bei gleichzeitiger Hafterleichterung, Alkoholiker wurden umgesattelt, auch hier bevorzugt Frauen, andere, vorwiegend junge nicht suchtkranke Frauen, von sogenannten Loverboys abhängig gemacht. In Berlin und Hamburg mit großem Erfolg. Und da es illegal war, gab es keine Verträge, nichts schriftliches, kaum Beweise. Durch dezentrale und verschleierte Darstellung, war der Öffentlichkeit nicht bewusst, wie viele Substies es schon gab. Ja nicht einmal Rentadep unter dem ahnungslosen Jo Volland und all den Idioten war bewusst, was hier und in welchem Umfang, hier lief. In der Führungsriege gab es drei Mitwisser, Janczyk der Wissenschaftler, Hetzer, Finanzen, und Diemand, den man mehr oder weniger gezwungenermaßen mitschleppte. Doch er kassierte nur mit, wollte ansonsten nichts wissen und tat was man ihm sagte. Die Anwerber wurden über ein paar Mittelsmänner bezahlt und mit Euphorin versorgt, welches man über Holland einschmuggelte. Das war es. Anfangs lag der Anteil an weiblichen Substituierten unter 20 %. Mittlerweile waren es schon 38,7%. Das hatte Kowalski sehr schnell erkannt. Abhängige, die keiner wollte und brauchte, hatten keine Lobby, keine Fürsprecher. Wenn sie plötzlich verstarben, was solls, waren sie doch jahrzehntelang abhängig gewesen und wohin das führte, wusste ja jedes Kind. Man konnte sie mühelos ausnutzen. Dazu kam Euphorin, welches als Medikament niemals eine Zulassung bekommen hätte. Aber nachdem man argumentiert hatte, dass Euphorin lediglich an schon schwer abhängige Menschen gegeben würde, wurden die Richtlinien gelockert und das Euphorin hatte seinen Siegeszug an die Rezeptoren durch fast ganz Deutschland und halb Europa begonnen. Es war im Grunde kein Ersatzmedikament. Euphorin WAR die Droge. Heroin war mehr als schlechter Ersatz für Euphorin. Die Erhaltungsquote von Euphorin lag bei 99,7 %. Was wollte man mehr?

      Gregor schmunzelte. Vor 110 Jahren, 1933 hätte man es nicht besser machen können. Aber Hitler war eben nur ein hassgetriebener, politischer Spinner und nicht so ein Stratege wie er, Gregor Kowalski. Hitlers Hass bezog sich auf die Juden, er Kowalski, mit jüdischen Vorfahren väterlicherseits, nahm sich der Junkies an, dann arbeiteten sie