Danach ging Jennifer ins Bad, Während Rick den Avokadosalat zubereitete, hörte er sie duschen. Sie machte sich für die erotische Nachspeise frisch. Als der Salat fertig war, schnitt er ein Roggenbaguette entzwei und bestrich beide Hälften mit Kräuterbutter und streute etwas Knoblauchsalz darauf. Später wollte er die Baguettehälften in den Offen schieben. Dann bereitete er die Salatsoße nach seinem Geheimrezept zu. Er deckte den Tisch und schenkte Granatapfelsaft in zwei Gläser ein.
Inzwischen hatte sich Jennifer geduscht und umgezogen. Sie trug eine kurze ausgebleichte Jeanshose und ein knappes rotes T-Shirt. Da sie keinen BH trug, sie trug so gut wie nie einen, zeichneten sich ihre festen Brüste deutlich ab. Rick empfand ein Ziehen in den Lenden und fragte sich, ob er vielleicht die lustvolle Nachspeise notgedrungen als Vorspeise würde verzehren müssen. Jennifer fragte: „Ist das Essen fertig? Ich habe Hunger auf das Essen und auf dich.“ „Nur etwas Geduld. Ich schiebe das Baguette in den Ofen und es dauert nur noch einige Minuten. Inzwischen können wir uns etwas unterhalten. Deinem roten T-Shirt zum Trotz habe ich noch ein paar Tropfen Blut im Gehirn und müsste einen halbwegs brauchbaren Gesprächspartner abgeben können. Wie verlief die Seminarsitzung über Virginia Woolf? Ist jemand von Angst gepackt worden?“
„Rick, Witze sind wirklich nicht deine Stärke. Die Sitzungen sind immer sehr interessant. Der Assistenzprofessor Burke versteht wirklich etwas von seinem Fach. Er bietet uns fesselnde Deutungsansätze an und lässt uns den nötigen Freiraum, zu eigenen Ergebnissen zu kommen. Und was hast du in der ersten Sitzung des Grass-Seminars erlebt?“ „Vorweg eine Frage: Kennst du Marie Hartmann?“ „Wer kennt sie nicht? Sie ist in Boulder berühmt-berüchtigt.“ „Na, ich kannte sie zum Beispiel bis heute nicht. Warum berühmt-berüchtigt?“ „Sie ist als eine Art femme fatale verschrien, die immer schick und modisch gekleidet ist und deren Männerkonsum legendär ist. Dass du bisher nichts von ihrer Existenz wusstest, ist ganz typisch für deine Haltung. Du bist auf deine Weise unheimlich egozentrisch und das meine ich nicht unbedingt in einem negativen Sinn. Du bist derart auf deine Zielsetzungen fixiert, dass du vieles gar nicht mitbekommst.“
„Das mag sein“, sagte Rick nachdenklich. „Du weißt ja, dass ich viel nebenbei arbeiten musste um in den ersten Jahren meines Studiums durchzukommen, auch während meiner Aufenthalte in München.“ „Das war kein Vorwurf, sondern eher ein Ausdruck meiner Bewunderung für deine Leistungen. Die wenigsten hätten deine Zähigkeit, Gewissenhaftigkeit und dein Durchhaltevermögen gehabt. Aber, sag mal: Ist Marie Hartmann in deinem Grass-Seminar?“ „Ja, das erzähle ich gleich, aber jetzt muss ich das Essen aus dem Ofen holen.“
Rick stellte den Auflauf auf den Tisch und legte die Baguettehälften auf eine Platte. „So, Madame T-Shirt, je vous prie de vous asseoir.“ „Du willst also jetzt den cuisinier français geben?“ „Oh nein, Madame, ich bin nur ein Bauerntölpel aus Nebraska, der den Germanistikstudenten gibt und ständig damit rechnet, entlarvt zu werden.“ „Nicht kokettieren! Jemand, der ein NDEA-Fellowship bekommen hat, kann kein Tölpel sein.“ „Auf jeden Fall, guten Appetit!“
„Danke! Und jetzt zu meiner Frage: Ist Marie Hartmann in deinem Seminar?“ „Ja, das ist sie. Ich war wie immer bei den Anfangssitzungen besonders früh erschienen, um meinen Lieblingsplatz links-vorn zu ergattern, und las, nichts ahnend, in meiner Ausgabe von ‚Katz und Maus‘, als ein Schatten auf mein Buch fiel. Ich schaute auf und erblickte eine recht attraktive und sehr schick angezogene junge Frau vor mir. Sie fragte, ob der Platz neben mir frei sei. Ohne eine Antwort abzuwarten setzte sie sich hin.“ „Oh, oh, hat sie dich als ihr nächstes Opfer auserkoren? Ich glaube, ich muss mir ernsthafte Sorgen um deine Keuschheit machen. Wahrscheinlich hat sie vor, dich mit Haut und Haar zu verschlingen. Übrigens, das Gericht schmeckt köstlich!“ „Vielen Dank. Wenn meine Gerichte dir gefallen, steigt mein Selbstwertgefühl um mindestens zehn Meter. Und ich gelobe die winzigen Reste Keuschheit, die du mir womöglich gelassen haben könntest, tapfer zu verteidigen.“
„Und wie ging es weiter mit the predator?“ „Oh ho, wenn du Englisch sprichst, wird’s ernst. Sie sagte kein Wort, bis die Aufgaben für die Gruppenarbeit verteilt wurden. Ich meldete mich für die Aufgabe, die Charakterisierung von Mahlke zu untersuchen, und sie schloss sich mir gleich an.“ „Nun bin ich vollends in Panik. Vielleicht hat sie Mahlke wegen seines Riesenglieds gewählt. Du siehst, ich kenne die Novelle. Sie hat eine Vorliebe für solche physischen Attribute. Allerdings befürchte ich, dass sie es auf dich abgesehen hat.“ „Ich kann dich beruhigen. Sie verhielt sich sehr zurückhaltend. Außerdem glaube ich nicht, dass eine so adrett gekleidete Frau, die, wie du sagst, viel Wert auf schicke Sachen legt, ein Auge auf einen so schäbig gekleideten Mann wie mich werfen könnte.“
„Ach, Rick. Was Frauenempfinden anbetrifft, bist du wirklich ein Tölpel. Du weißt gar nicht, wie du auf Frauen wirkst. Viele halten deinen Kleidungsstil, wenn man überhaupt von Stil sprechen kann, für eine raffinierte Masche. Du trägst nur T-Shirts und Jeanshosen. In den T-Shirts kommen deine muskulösen Arme, Schultern und dein breites Kreuz ausnehmend gut zur Geltung und in den Hosen ist dein Knackarsch deutlich zu bewundern. Im Winter wird zwar alles durch deinen Armeeparka aus dem Gebrauchtwarenladen bedeckt, aber den ziehst du ja in den Seminaren und in der Mensa aus.“ „Aber es ist eine Frage des Geldes. Mit meinem Stipendium kann ich mir keine großen Sprünge leisten.“
„Ja, Rick, ich weiß, ich weiß, aber zurück zum eigentlichen Thema, Fräulein Raubtier.“ „Eine Frage hätte ich noch: Wie kommst du darauf, dass sie auf große Glieder fixiert ist?“ „Ach, das ist ein Witz, der die Runden macht. Kannst du dich an den Kälteeinbruch im letzten Frühling erinnern? Wir hatten zwei kalte Tage, als die Bäume in voller Blüte standen. An dem ersten Abend des Kälteeinbruchs feierte der Assistenzprofessor Kister eine Party, zu der auch Marie Hartmann eingeladen war. In Kisters Garten stehen fünf herrliche Apfelbäume. Jemand wies darauf hin, dass im kommerziellen Obstgartenbau man bei Kälteeinbrüchen versucht, die Blüten zu retten, indem man sie mit Wasser bespritzt. Jemand schlug vor, Kisters Bäume zu wässern.“
Nach einem Schluck Granatapfelsaft setzte Jennifer ihre Erzählung fort: „Unter lautem Lachen und Gejohle rannten, so erzählte mir Harlan Bench die Geschichte, alle in den Garten. Kister schloss zwei Gartenschläuche an und Bench holte eine Riesenwasserpistole aus seinem Auto und die Wasserschlacht begann. Nach dem, was mir Bensch sagte, bekamen die Partygäste mehr Wasser ab als die Bäume.“ „Was hat die Geschichte mit Riesenpimmeln zu tun?“ „Unterbrich mich nicht, Rick, und höre zu. Das kommt gleich. Als alle wieder im Hause waren und vor Kälte schlotterten, schlug Kister vor, alle sollten sich ausziehen. Er wollte die Klamotten in seinem Trockenapparat trocknen. In der Zwischenzeit könnten sich alle heiß duschen, allein, zu zweit, dritt oder viert, ganz wie sie wollten. Er habe ja zwei riesig große Badezimmer. Als nun alle nackt dastanden, soll Marie Hartmann gesagt haben, es gebe nicht genug Frauen um die Nachfrage zu befriedigen. Dann soll sie sich zwei sehr gut bestückte Burschen geschnappt haben und alle drei verschwanden zusammen nach oben.“
Nachdem Jennifer etwas von der Parmesana in den Mund geschoben und eine Weile gekaut hatte, fuhr sie fort: „Nun du weißt vielleicht, dass Kisters Frau einmal ein paar Seiten von ‚Playboy‘ zierte und drei der männlichen Gäste nahmen sie mit in das Badezimmer im Erdgeschoss und sie ging sehr breitwillig mit. Als Kister das sah, ließ er sich auf einen Stuhl fallen und begann hemmungslos zu schluchzen. Vielleicht hatte er zu viel getrunken. Die anderen waren sehr peinlich berührt. So holten sie ihre noch feuchte Kleidung aus dem Trockenapparat und verließen die Ausschweifungsszene, so auch Harlan Bench. Deshalb konnte er mir nicht erzählen, wie Marie Hartmann mit den beiden Hengsten zurechtkam.“ „Ja, ich kenne Bench. Er übertreibt gern.“
Nach der langen Erzählung blickte Jennifer auf und sagte: „Rick, jetzt bist du mit dem Reden dran. Wie viele Leute sind in eurer Arbeitsgruppe?“ Rick blickte auf seinen Teller und schob etwas Parmesana hin und her, bevor er sagte: „Na, ja, wir sind nur zwei.“ Rick wusste, dass er rot geworden war. „Da hast du es, Rick. Und wo soll die Zusammenarbeit stattfinden?“ „Nun, ich schlug vor, dass wir uns in dem großen Deutschraum in der Bibliothek treffen sollten, aber davon wollte sie nichts wissen. Sie betonte, dass es in ihrer Wohnung viel gemütlicher sei.“ „Mein Lieber, sie hat dich schon