Ein kurioses Bild sehe ich im Vorbeifahren: Frauen in grellbunten Gewändern barfuß mit Spitzhacke und Schaufel irgendwelche Straßenbauarbeiten verrichten und Steine aufeinanderhäufen. Unter Brücken lebende und am Boden liegende, mit dem Straßenschmutz eins gewordene Menschen, von denen man auf den ersten Blick nicht einmal erkennt, ob sie schon tot oder noch lebendig sind. Am Ziel angekommen brauche ich nach über 2 Stunden Autofahrt quer durch Mumbai erst einmal einen Cognac. Auch ohne Essen ist es mir auf den Magen geschlagen. Auweia, Alkohol ist in Indien scheinbar extrem verpönt. Man hat sich beim Restaurantpersonal für mich entschuldigt und extra erwähnt, dass dies bei mir zu medizinischen Zwecken eingesetzt wird. Zur ergänzenden Belehrung sagt man mir noch, wenn ein Mann ohne seine Frau in ein Restaurant komme um zu essen, unterstellt würde, die Frau könne nur eine schlechte Köchin sein.
Ergänzend muss ich erwähnen, dass ich diese Erfahrung im Jahr 2003 gemacht habe. Als ich einige Jahre später wieder einmal dort bin, haben sich die äußeren Verhältnisse nach meinem Eindruck doch schon ein kleines bisschen verbessert.
Einen für mich persönlich interessanten Augen-blick möchte ich noch erwähnen. Aus einem Hotel kommend sehe ich vor dem Eingang auf einer Mauer zwei – in meinen Augen – recht armselige Gestalten sitzen. Ich blicke den einen an. Da treffen und vermischen sich auf seltsame Art unvermittelt unsere Blicke und für einen verlängerten Moment halten wir miteinander diesen Blickkontakt fest. Es scheint, als würde die Zeit für einen kleinen Moment stillstehen und ich empfinde, wie sich gerade in diesem Augenblick zwei ganz unterschiedliche Welten in die Augen und Herzen blicken. Wir lächeln uns zu. Überhaupt muss ich es eben an dieser Stelle doch auch sagen, dass die Menschen dort, wie auch an vielen anderen Teilen in Asien und sonst wo auf der Welt, auffälliger Weise mit wesentlich weniger zufrieden sind als wir Westeuropäer in unserer Gesellschaft. Das ständige Gejammer über jedes Wehwehchen, das Wetter und jede noch so unwichtige Kleinigkeit und das, was einem gerade nicht passt, was sich ändern müsste usw. Wenn man dies hier so einmal sieht, ist unsere Unzufriedenheit wirklich, auch heute noch, verglichen mit diesen überwiegend buchstäblich bettelarmen Menschen, auf oberstem Niveau. Jemand, der im Leben eigentlich gar nichts zu lachen hätte, hat einmal sinngemäß ausgedrückt: Als ich aufhörte, über das nachzudenken, was mir fehlt und lernte, auf das zu schauen, was ich habe, erkannte ich, dass es viel mehr ist, was ich habe, als das was mir fehlt. Darüber könnte man einmal nachdenken. Man kann ja auch nichts dafür, ein Europäer zu sein, aber es drängt sich mir doch auf, es auszusprechen, ob Erwachsener, Jugendlicher oder Kind und ich selber: »Wie gut geht es doch mir. Sei doch zufriedener und bescheidener in deinen Ansprüchen.« So kommt es mir vor wie ein stummer Schrei dieser Menschen, der sich in meinen Hirnwindungen zu verfestigen scheint. Muss man denn 2 oder 3 Autos haben? Jeden Tag üppigst essen, ständig Alkohol trinken, sinnfrei im Internet surfen, jede Saison neue Kleider haben. Für manche unserer Zeitgenossen ist es die größte Sorge, wo man denn nur dieses Jahr in den Urlaub fahren soll, usw. Nun denn, lassen wir das. Tatsächlich gab es während eines meiner letzten Aufenthalte in Indien auch einen sogenannten »dry day«, was wörtlich übersetzt »Trockentag« bedeutet. Ich glaube, Sie verstehen, was gemeint ist. Es darf an keinen Inder Alkohol ausgegeben werden. Ich hätte meinen Ausweis zeigen müssen, um zu beweisen, dass ich kein Inder bin, wenn ich ein Bier hätte trinken wollen. Ich erkläre mich solidarisch und verzichte darauf. Aber Hand aufs Herz, lieber Leser, liebe Leserin, wie wäre es, wenn es bei uns hier ab und zu so einen »dry day« gäbe? Ja, da wären wohl nicht alle einverstanden, nicht wahr? Was soll man denn sonst trinken, wenn mal das Gläschen Sekt, das Bierchen und das Schnäpschen nicht erlaubt sind? Wasser etwa? Wasser ist schließlich zum Waschen da und nicht zum Trinken. Entschuldigung, aber ich komme an dieser Stelle doch noch einmal auf das Thema Sanitär zu sprechen. Mussten Sie in Indien schon mal sanitäre Einrichtungen in Anspruch nehmen? Der erste Gedanke beim Betreten eines solchen, ja, wie soll ich es nur nennen, sagen wir mal „Örtchens“, war dann sicher auch: „Nein! Nein!! Wirklich N E I N !!! So dringend ist es jetzt doch wieder nicht!“ Aber was, wenn doch? Wo setzt man sich hier eigentlich hin? Und wenn’s was zum Sitzen gibt, igittigitt. Wo ist eigentlich das Papier und mit was wäscht man sich die Hände, was sind das hier nur für extreme Gerüche? Ja, die Fragen, die sich dann stellen, sind ganz profaner Natur. Aber, ach was, alles überflüssig, deshalb isst der Inder auch nur mit einer Hand… Wissen Sie auch, wie es ist, wenn man in Indien ist, und in Indien isst? Zum Beispiel in Mumbai, besser bekannt als Bombay. Schwülwarm und extrem hohe Luftfeuchtigkeit. Straßen mit Schlaglöchern, durchsiebt wie ein Schweizer Käse und tief wie Einschlaglöcher von Meteoriten. Müllberge an den Straßen mit entsprechenden Duftaromen. Elend und Armut und Reichtum. Die ganze Palette mit allen Sinnen aufzunehmen? Man kann beim Essen und Trinken noch so aufpassen, nur mit Trinkwasser aus einer richtig verschlossenen Flasche die Zähne putzen, keine Getränke mit Eiswürfeln zu sich nehmen, keinen Salat essen, nichts Ungekochtes, nur geschältes Obst essen, nach dem Motto: »peel it, cook it, or forget it«... Man hat es einfach nicht im Griff, sich nicht doch irgendwo den Magen zu verderben. Und wenn, dann Gute Nacht Herr Gesangverein… Kann hier außer mir noch jemand mitreden?
Einmal sitze ich schon beim Kunden zu einer Auftragsverhandlung, mir ist wirklich sterbensschlecht und ich muss kreidebleich ausgesehen haben, sogar während des Feilschens um den besten Preis, was bei Indern wirklich auf die Nerven gehen kann, hatte man Mitleid mit mir und mich »medizinisch» mit Cola Light versorgt. Anfangen tut es bei jedem unterschiedlich früh. Erst leichtes Bauchgrimmen. Man denkt, das ist ja normal hier, das geht wieder weg. Die Bauchschmerzen steigern sich langsam. Durch die Hauptkörperöffnungen entweichen bald jedwede Fest- und Flüssigstoffe aus Magen und Darm, begleitet von Bauchkrämpfen, die sich bis zu mehreren Tagen hinziehen können. Es sei ja wohl logisch, dass man während der Regenzeit kein »Seafood« isst, ließ man mich wissen. Was weiß denn ich, wann und wo gerade Regenzeit ist? Es hat jedenfalls nicht geregnet. Ja, das fand jeder lustig, nur ich nicht. Wohl dem, der bei einer Reise von solchen Erscheinungen verschont bleibt. Mich hat es leider schon öfters erwischt.
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