Volker Greulich
Das Turnier der Schwertmeister
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Inhaltsverzeichnis
I. Vorabend
Alles war bereit für das große Turnier. Alljährlich rief die Schwertgilde vom Goldenen Adler Schwertmeister aus dem ganzen Reich zusammen, um ihre Kunst im Schwertkampf unter Beweis zu stellen. Auf dem großen Feld vor der Adlerburg hatten Hunderte von Schwertkämpfern ihr Lager aufgeschlagen. Überall sah man ihre Zelte und ihre bunten Banner und Wimpel. Das Turnierfeld war abgesteckt und mit flatternden Wimpeln gekennzeichnet. Die Tribüne für die Ehrengäste und für das Turniergericht der Adlergilde waren aufgebaut.
Die Sonne stand schon tief, und am nächsten Tag sollte das Turnier beginnen. Im Burghof saß das Turniergericht und wartete. Hier hatten alle Teilnehmer ihre Meldung abzugeben, doch seit dem Mittag waren nur noch vereinzelt Schwerkämpfer eingetroffen. Seit einer guten Stunde schon war gar keiner mehr angekommen.
Bei Sonnenuntergang würde das Burgtor geschlossen werden. Die ehrenwerten Schwertmeister des Turniergerichts waren müde und sehnten sich nach Wein, Braten und frischem Brot, Speisen, die in der Ritterhalle auf sie warteten.
Dann erschallte vom Tor der Ruf der Wache. Ein Reiter kam den Weg zur Burg hinauf. Langsam ritt er durch das weit geöffnete Tor und stieg vom Pferd. Ein Torwächter nahm das Pferd und führte es zur Tränke. Der Reiter schritt zügig zum Tisch, hinter dem das Turniergericht saß. Er war ganz in Schwarz gekleidet, nur auf dem Umhang prangte das Bild eines roten Fuchses. Einen Körperpanzer trug er nicht, nur einen einfachen Helm.
Aber natürlich hatte er sein Schwert umgeschnallt. Griff und Scheide waren aus blankem Stahl gefertigt und nur mit einfachen Kupferfäden verziert. Um seinen Hals hing eine schwere Goldkette mit einem Anhänger, welcher ihn als einen Schwertmeister Dritten Grades auswies. Der Mann war groß und kräftig und von stolzer Haltung. Die Blüte seiner Jugend lag hinter ihm, doch sein Haar, das unter dem Helm hervorquoll, war voll, wenn auch schon mit grauen Strähnen durchsetzt. Sein Gesicht war sonnenverbrannt und von Furchen durchzogen. Die linke Hand hatte den Schwertgriff fest umklammert.
Der fremde Schwertmeister trat vor das Turniergericht und verneigte sich knapp. 'Seid gegrüßt, ehrwürdige Meister der Gilde vom Goldenen Adler. Ich, Schwermeister Rudolf von der Gilde des Roten Fuchses begehre, an Eurem Turnier teilzunehmen.' Fünf Männer saßen am Tisch. Ganz links saß ein Mönch, dessen Aufgabe es war, Namen und Rang der Bewerber niederschrieb. Ganz rechts saß ein hoher Offizier der königlichen Leibwache. In der Mitte hatte Schwertmeister Gerold Platz genommen, der Großmeister der Adlergilde. Links von ihm befand sich Schwertmeister Sigbert, ein grosser, kräftiger Mann mittleren Alters mit gerötetem Gesicht. Rechts vom Großmeister saß der frühere Großmeister der Gilde, Schwertmeister Heinrich. Die Männer waren vornehm gekleidet, die Schwertmeister unter ihnen trugen goldene Adler auf ihren Wämsern aus dunklem Samt.
Meister Sigbert sah den staubigen, einfach gekleideten Fremden abweisend an. 'Ihr möget mir verzeihen, aber von einem Schwertmeister Dritten Grades namens Rudolf habe ich bis heute ebenso wenig gehört wie von einer Gilde des Roten Fuchses.' Großmeister Gerold hingegen wirkte nachdenklich. 'Doch ich glaube, dass ich schon von Eurer Gilde je gehört habe.' Meister Heinrich machte eine schroffe Handbewegung und ergriff nun seinerseits mürrisch das Wort.
'Der Rote Fuchs ist eine Gilde im Osten des Reiches. Die meisten ihrer Mitglieder dienen in den Garnisonen an der Grenze und leisten gute Dienste beim Schutz der Grenzprovinzen. Sie treten vor allem in den äußeren Provinzen des Reiches auf den Turnieren an. Deshalb sind sie hier in unserer Gegend nicht sehr bekannt. Die Medaille, die Meister Rudolf trägt, stammt von der Gilde des Goldenen Drachen.' Meister Gerold nickte. 'Die Turniere der Drachengilde und die dort verliehenen Grade werden von uns anerkannt. Es gibt keinen Grund, dem ehrenwerten Schwertmeister Rudolf die Teilnahme zu verweigern.'
Meister Sigbert verschränkte mit feindseligem Gesichtsausdruck die Arme vor der Brust, während Großmeister Gerold sich angestrengt um Freundlichkeit bemühte. ''Seid uns willkommen, Meister Rudolf. Bruder Gregor, bitte nehmt den Namen und den Rang unseres Gastes in die Liste auf. Welche Position bekleidet Ihr, Meister Rudolf?' 'Ich bin der Oberste der Besatzung der Grenzfestung Sattelfurt.' 'Könnt Ihr uns sagen, wer Euer Lehrmeister war?' 'Das war der Schwertmeister Dritten Grades Leopold.'
Nun rang Großmeister Gerold um Fassung, bemühte sich aber, seine Bestürzung zu verbergen. 'Gut, Ihr werdet Euch zusammen mit den anderen Teilnehmern morgen dem König präsentieren. Danach wird Euch Euer erster Gegner zugeteilt. Als Schwertmeister des Dritten Grades habt Ihr das Privileg, Eure Kämpfe vor der königlichen Tribüne auszutragen. Alles weitere, was Ihr wissen müsst, könnt Ihr beim Turnierhauptmann erfahren. Dessen Zelt findet Ihr im Lager. Ich wünsche Euch eine gute Nacht.' Der Schwertmeister vom Roten Fuchs verabschiedete sich wortlos mit einer knappen Verbeugung und ging aufrecht zurück zu seinem Pferd. Dann ritt er davon, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Großmeister Gerold sah ihm nachdenklich hinterher, und Meister Sigmund starrte düster auf den Tisch. Der Hauptmann der königlichen Leibwache, Ritter Wolf vom Hirschenstein, wandte sich an die Schwertmeister. 'Hättet Ihr die Güte, mir zu erklären, was da eben geschehen ist?' Der Großmeister wandte sich ihm zu. 'Unser Turnier ist vielleicht das vornehmste Turnier im Reich. Die Ränge, die hier erworben werden, genießen den besten Ruf. Deshalb ist es wichtig, dass nur echte Schwertmeister antreten und keine Betrüger und Aufschneider.'
'Und, ist Meister Rudolf ein Betrüger oder ein Aufschneider?' 'Nein. Wie Meister Heinrich richtig sagte, es gibt sie, die Gilde vom Roten Fuchs. Und sein Grad wurde von der Drachengilde verliehen.' 'Ihr seht aber nicht zufrieden aus.' Meister Sigbert konnte sich nun nicht länger beherrschen. 'Nicht zufrieden? Ihr scherzt! Habt Ihr diesen abgerissenen Burschen nicht gesehen? Der prügelt sich in den Wäldern an der Grenze mit den Barbaren und trägt das Wappen einer Gilde, die niemand kennt. Und der Grad der Drachengilde, nun ja, ganz nette Turniere, aber viele Schwertkämpfer aus guten Hause und aus den Hohen Gilden werdet Ihr dort nicht finden. Auf unserem Turnier trifft sich die Elite des Reiches, Die Träger unserer Grade steigen auf in die höchsten Positionen im Reich. Da haben solche hergelaufenen Strolche nichts zu suchen. Und als Schwertmeister des Dritten Grades soll er auch noch vor dem König kämpfen!'
'Es wird nur ein Kampf sein!' Alle blickten zu Meister Heinrich hinüber, der diese Worte gesprochen hatte. 'Er hat das Recht, an dem Turnier teilzunehmen. Aber wir können dafür sorgen, dass es nur ein Kampf sein wird. Wir müssen ihm nur einen Gegner geben, den er nicht schlagen kann.' Der Großmeister wirkte unsicher. 'Was genau schlagt Ihr vor? Es ist höchst unüblich, in der ersten Runde zwei Schwertmeister des Dritten Grades gegeneinander antreten zu lassen.'
Das düstere Gesicht von Meister Sigbert hellte sich auf. 'Es braucht keinen Meister des Dritten Grades zu sein, um so einen hergelaufenen Burschen zu besiegen. Denkt doch daran, Brüder. Die Schwertmeister der unteren Grade erhalten auf diesen Turnieren die Gelegenheit, durch einen Sieg über Kämpfer der höheren Grade selbst aufzusteigen. Vielleicht ist der