Sabine Roth
Die Wälder von NanGaia
Der Gabenträger
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Inhaltsverzeichnis
Die Heimkehr – anders als erwartet
Prolog
Niemand wusste, woher der Schatten kam. Und niemand, wann er in den Hügeln erschienen war. Denn dieser Tag lag länger zurück, als Menschengedenken reicht. Und länger als Menschengedenken reicht, ließen ihn die Geistwesen dort gewähren. Denn die Hügel waren fern, und sie wussten sich stark. Also duldeten sie sein Wachsen.
Doch als er die Hügel verließ und sich auf den Weg zu ihnen machte, als sie seine dunkle Drohung nahen spürten, war ihr Dulden zu Ende. Und es geschah, was nie zuvor geschehen war. Was niemals hätte geschehen dürfen.
Die Geistwesen verließen ihre Heimstatt, die Wälder. Geblendet von Zorn zogen sie aus, um den Schatten zu vernichten...und trafen ihn, in der Nähe des Flusses, der ihm als Wegweiser diente.
Aber der Schatten war mächtig geworden.
Fast so mächtig wie sie selbst.
Und nicht gewillt, sich ihnen kampflos zu beugen.
Nur für einen winzigen Augenblick zögerten die so verschiedenen Mächte noch. Nur für einen winzigen Augenblick noch verharrten sie stumm voreinander, und maßen die Kräfte, während die Welt um sie herum den Atem anhielt. Nur für einen winzigen Augenblick stand alles noch still.
Dann stürzten sie sich aufeinander.
Ohne Warnung, und ohne Geplänkel.
Und im selben Augenblick erlosch das Licht.
Die Nacht wurde dunkler, als sie jemals gewesen war - bis plötzlich, grell gleißend, ein Blitz vom Himmel zuckte, und die Landschaft in sein unheilvolles Licht tauchte. Und als die Finsternis danach wiederkehrte, glaubte man fast, sie greifen zu können. Man spürte die entsetzliche Gefahr in ihr - und war zugleich wie gelähmt, und atemlos, angesichts des Hasses, der in ihr raste, und des unstillbaren Verlangens, zu vernichten.
Doch zum Luftholen blieb keine Zeit, weil das nächste Aufeinanderprallen der entfesselten Gewalten bereits folgte, und mit ihm der nächste Blitz, der nächste Ausbruch vernichtender Kraft, und den Atem erneut stocken ließen.
Und dabei blieb es nicht. Denn der Kampf der Kräfte, die gegensätzlicher nicht sein konnten, beschwor einen gewaltigen Sturm herauf.
Hätten sie ihre Kräfte vereint und zu gemeinsamem Handeln gefunden - sie hätten Großes erschaffen können. Doch nun, da sie sich bekämpften, geschah das Gegenteil. Sie schufen Vernichtung.
Zerstörten alles Leben, das sich befand, wo sie aufeinander trafen.
Wild brüllend stürzte sich der Sturm auf die Welt. Riss in sinnlosem Zorn hinweg, was immer ihm begegnete. Fegte Baum, Busch, Mensch und Tier vor sich her, wie dürre Blätter im Herbst, und schleuderte sie auf die Erde zurück. Zerbrach ihr Dasein, mitleidlos, und ohne Gnade.
Angespornt durch sein Toben, entfalteten nun auch die Blitze ihre vernichtende Macht. Nicht länger damit zufrieden, die Welt nur für Augenblicke zu erhellen, setzten sie bei jeder Berührung Gras, Baum und Strauch in Brand, und ließen sie in weithin leuchtenden Flammen aufgehen. Selbst vor Menschen und Tieren machten sie nicht Halt.
Wer immer dem vernichtenden Zorn des Sturmwinds entkommen war, fiel nun ihnen zum Opfer. Wer immer geglaubt hatte, er könne dem tödlichen Ringen der Mächte entkommen, begriff nun entsetzt, dass es kein Entkommen mehr gab. Zu groß waren die Kräfte, die in diesem Kampf wirkten. Und zu groß ihr Zorn aufeinander, um das Leben noch wahrzunehmen, das sie in diesem Kampf vernichteten.