Joana lächelte freudlos. „Das ist eher untypisch für Soldaten.“
„Mag sein. Sie sollen die Fähigkeit zum Kämpfen ja auch nicht verlernen.“
„Ich dachte, ich würde den neuen Antrieb an Bord der Trafalgar ausprobieren.“
„Die Ladungsspulen werden gerade justiert und die ersten Umbauten zum Rettungsschiff sollen nächste Woche beginnen. Das Direktorat will jedoch möglichst bald Erkenntnisse, ob und wie sich der neue Kreuzertyp bewährt. Patrouillendienst mit Überlichtfahrt und Notfalleinsätze mithilfe des Nullzeit-Sturzes. Der Testflug soll unter Einsatzbedingungen durchgeführt werden, daher wirst du mit deiner Kompanie Sky-Trooper an Bord gehen.“
„Und wann soll es losgehen?“
„In drei Tagen.“
Kapitel 5
Elunt, Stadt der Shanyar, Mahnmal des Krieges gegen die Flachgesichter,
in der Bucht von Elunt, an der Westküste des Kontinents Shanyar.
Eigentlich sollte jeder Angehörige des Volkes der Shanyar einmal in seinem Leben Elunt sehen. Elunt, das in doppeltem Sinne ein Mahnmal für das Volk geworden war. Für den Niedergang und die Wiedergeburt einer Stadt, die man durchaus als Symbol für die Shanyar nehmen konnte. Aber nicht jedem Mitglied des Volkes war es vergönnt, die Stadt zu sehen. Zum einen, weil es zu viele Wesen des Volkes gab, und zum anderen, weil es zu gefährlich gewesen wäre, einen solchen Pilgerstrom zuzulassen. Ein Pilgerstrom, der Elunt zum Ziel der Flachgesichter gemacht hätte. So, wie es vor so vielen Jahren schon einmal geschehen war. Damals, als der Krieg begann. Jener Krieg, der nun schon so lange andauerte und schon so viele Leben gekostet hatte. Jener Krieg, der das alte Elunt zerstörte und nun, endlich, bald enden würde.
Nahed-Sha-Elunt konnte diesen Augenblick kaum erwarten. Jeden Tag ersehnte er das Ende des Krieges aufs Neue herbei. Jeden Morgen, an dem er hinaufging in die alte Stadt, um sich vor Augen zu führen, warum die Shanyar kämpfen und siegen mussten.
Das alte Elunt war eine blühende Stadt gewesen. Eine Metropole, die sich um die gewaltige Lagune herum an den Ufern erstreckt hatte, bis in die Ausläufer des Gebirges, welches die Stadt vom Rest des Kontinentes abgeschirmte. Auch jetzt, nachdem sie zerstört war, strahlten ihre Ruinen etwas von der Macht aus, über welche sie einst verfügt hatte. Noch immer war das Bild der alten Ordnung zu erkennen. Die breiten Alleen und Straßen, die Vielzahl der einst hoch aufragenden Gebäude, in denen die Shanyar ihr Leben verbracht und Freuden und Leiden miteinander geteilt hatten. Man konnte das riesige Theater sehen, dessen Kuppel und Mauern nun eingestürzt waren, dessen steinerne Sitzbänke aber noch zu erkennen waren. Den einstigen Palast, von dem aus Nahed-Sha-Elunts Urgroßvater einst das Volk regiert hatte. Mit Weisheit und Güte, wo es möglich war, und mit unnachgiebiger Härte, wo es erforderlich wurde.
Am beeindruckendsten wirkte die Ruine des Ratsgebäudes. Es war ein gewaltiges Gebäude aus weißem Stein gewesen, welches dem Hohen Rat des Volkes als Tagungsort gedient hatte. Groß genug, um einen guten Teil der Bewohner Elunts an den offenen Ratsversammlungen teilhaben zu lassen. So war es auch an jenem Tag gewesen, als die Flachgesichter Elunt angegriffen hatten. Aus diesem Grunde wurde die alte Stadt zum Fanal für den Untergang, den Widerstand und die neu erstarkte Macht der Shanyar.
Das Ratsgebäude war eigentlich ein Komplex aus mehreren Gebäuden und so hatten die Flachgesichter ein sehr großes Geschoss verwendet, um es zu zerstören. Fast alle Mitglieder des Hohen Rates und viele Bewohner Elunts waren damals im Flammensturm umgekommen. Kaum jemand war in der Lage gewesen, das Feuer zu bekämpfen, denn die Bewohner der Stadt hatten genug damit zu tun, selbst am Leben zu bleiben. Dann, als der Angriff endete, erschuf man aus dem brennenden Ratsgebäude ein Symbol. Man hielt das Feuer gezielt am Brennen und inzwischen stand dort, wo sich vermutlich einst das Rednerpult des Sprechers befand, die hohe schwarze Säule mit der ewigen Flamme des Unvergessens. Inzwischen brauchte man die Flamme nicht mehr mühsam mit Brennstoff zu füttern. Aus der neuen Stadt Elunt war eine Gasleitung zur Säule verlegt worden, und solange das neue Elunt Bestand hatte, solange würden auch die Flamme des Unvergessens und das Volk der Shanyar Bestand haben.
Nahed-Sha-Elunt hatte an diesem Morgen lange am Strand der Lagune gestanden. An jener Stelle, wo der Blick frei durch eine der einst prachtvollen Alleen auf die Ruine des Ratsgebäudes und die Flamme des Unvergessens fallen konnte. Sein Blick fand nicht nur die Spuren des Todes, sondern auch die neuen Lebens. In den Fugen des aufgebrochenen Straßenbelages hatten Moose und Gräser zu sprießen begonnen, Kletterpflanzen rankten an rußgeschwärztem Mauerwerk. Bunte Blüten boten Trost beim Anblick vergangenen Sterbens.
Nahed trug die eng anliegende Hose des einfachen Volkes und darüber den wertvollen Überwurf aus der Haut des Dornfisches. Das Wasser perlte rasch an den Schuppen ab und verlieh dem Dornfisch eine unglaubliche Schnelligkeit. Nahed liebte den Überwurf, der in der Sonne rasch trocknete und dabei geschmeidig blieb. Er schätzte die schillernden Farben, auch wenn sie das Gewand sehr auffällig machten. Nahed wäre in dem Gewand ein willkommenes Ziel für ein Flachgesicht gewesen und die ihn begleitenden Lanzer achteten aufmerksam auf die Umgebung. Aber die Gefahr war gering. Schon lange war kein Flugwagen der Flachgesichter mehr gesehen worden und ihre Schiffe standen unter Beobachtung und waren weit entfernt.
Rechts in der Lagune lagen mehrere große Kriegsschiffe der Stadt Elunt vor Anker. Gedämpft klangen Kommandos herüber, mit denen die Seeleute trainiert wurden. Nahed war froh, dass der Kanonendrill erst später einsetzen würde, wenn er wieder in der neuen Stadt war. Er hasste den rollenden Donner der Salven und die stinkenden Wolken aus Pulverdampf, die dann mit dem Wind über die Lagune trieben.
Auch wenn er, Nahed-Sha-Elunt, der oberste Herr der Stadt und ihrer Kämpfer war, so verabscheute er es doch, Leben sinnlos zu vergeuden. Jeden Morgen, wenn er die Flamme des Unvergessens ansah, betete er für die Seelen der Toten und jene, die noch sterben würden, bis man die Flachgesichter endgültig bezwungen hatte. Er bedauerte, dass es noch viele Leben kosten würde, denn nur der Tod des Feindes konnte den Shanyar Frieden bringen.
Als die Flachgesichter vor so vielen Jahren dem Volk der Shanyar begegnet waren, da schienen sie, bei all ihrer abstoßenden Hässlichkeit, doch intelligente und verständige Wesen zu sein. Es gab Handel zwischen den Völkern, bis die Flachgesichter mit den blauen Kleidern damit begannen, tiefe Löcher in den Boden zu graben. Es war heiliger Boden und die Priester hatten dagegen protestiert. Doch die Schänder hatten weitergemacht. Schließlich hatten sich die Shanyar erhoben und die Fremden von den Gruben und dem heiligen Boden vertrieben. Dann waren ihre Flugwagen gekommen. Feuer und Tod waren aus dem Himmel gefallen und die Eisenschiffe des Feindes beherrschten die Meere. Jetzt, nach so vielen Generationen, waren die Angreifer geschwächt und das Volk der Shanyar erstarkt. Bald musste es endlich vorbei sein. Der Tod der Flachgesichter würde Shanyar den Frieden bringen.
Nahed-Sha-Elunt spürte den leichten Wind, der von der See her seinen Nacken streichelte und er roch den typischen Geruch des von Leben erfüllten Wassers. Er liebte das Wasser und die See, welche die neue Stadt Elunt beherbergte. Dennoch freute er sich auf die Zeit, in der das Volk endgültig wieder Besitz von seinem Land nehmen konnte. Die meisten Städte lagen noch immer auf dem Land, weit entfernt von der letzten Insel des Feindes, aber das neue Elunt war in den Wassern der Lagune entstanden. Eine Meisterleistung seiner Erbauer, denn die höchste Erhebung der Stadt lag noch immer zwanzig Längen unter der Oberfläche. Tief genug, um vor den Waffen der Flugwagen zu schützen, auch wenn das kristallklare Wasser die Stadt nicht verbergen konnte.
Einmal, ein einziges Mal, hatten die Flachgesichter ihre Schiffe nach Elunt entsendet. Sie bezahlten teuer dafür und ihre Wracks lagen jetzt vierzig Tausendlängen vor der Lagune auf dem Meeresgrund. Es war eine gewaltige Schlacht gewesen, die sich vom Tageslicht durch die Nacht ins Tageslicht erstreckte. Eine Schlacht, welche die Verteidiger enorme Verluste kostete. Hunderte