Balkanmärchen auf 251 Seiten. Johann Heinrich August Leskien. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johann Heinrich August Leskien
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742763082
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»ich bringe ihn dir jetzt gleich.« Sofort tauchte er auf

       den Grund des Flusses, fand den Ring und brachte ihn

       herbei. Der Bursche nahm ihn und ging seines Weges.

       Als er nun den Ring hatte und nach Hause gekommen

       war, sprach er zu dem Ringe: »Ich wünsche zu

       sein, wie ich früher gewesen bin, das Schloß soll wieder

       meins sein, und der Neger und meine Frau sollen

       zusammen in einer Stube sein.« Das geschah sogleich.

       Dann lud der Bursche seinen Schwiegervater,

       den Zaren, zum ersten Besuch nach der Hochzeit ein;

       der kam auch, aber solange er da saß, fragte er nicht

       nach seiner Tochter. Endlich stand er auf und ging

       durch das Schloß seines Schwiegersohnes. Der öffnete

       ihm auch die Tür der Stube, wo der Neger mit seiner

       Tochter schlief, und erzählte ihm alles, was die

       gemacht hatten. Als der Zar das sah und alles vernommen

       hatte, was sein Schwiegersohn ihm erzählte, zog

       er seinen Säbel und hieb dem Neger und seiner Tochter

       den Kopf ab, seinem Schwiegersohn aber sagte er:

       »Ich werde dir meine zweite Tochter zur Frau geben.«

       7. Drei Brüder

       Es waren einmal drei Brüder; der jüngste von ihnen

       war ein sehr schönes Kind und sehr dem bösen Blick

       ausgesetzt. Damit ihm ein böser Blick nicht schade,

       zog ihm seine Mutter einen Rindsmagen über den

       Kopf, und so saß der Junge immer zu Hause am

       Herde mit dem Rindsmagen auf dem Kopfe; davon

       gaben sie ihm den Beinamen Grindskopf.

       Sie hatten eine Scheune voll Heu, und ein wildes

       Pferd kam des Nachts daher und fraß ihnen das Heu

       auf. Die Brüder wunderten sich, was das für ein sonderbares

       Wesen sein könne, das ihnen das Heu auffrißt.

       Sie beschlossen daher, in der Scheune zu wachen

       und aufzupassen. Den ersten Abend ging der älteste

       Bruder wachen. Während der so in der Scheune

       saß, kam wirklich das wilde Pferd, fraß sich tüchtig

       satt und ging davon, ohne daß der Wächter ihm hatte

       etwas tun können. Am nächsten Abend kam die Reihe

       zu wachen an den zweiten Bruder, aber auch der blieb

       nicht wach; das wilde Pferd kam wieder, fraß sich satt

       am Heu und ging fort, ohne von dem Wächter etwas

       erlitten zu haben.

       Nachdem die beiden Brüder nicht hatten wach bleiben

       können, bat sie am dritten Abend der jüngste, der

       Grindskopf, daß er an dem Abend wachen dürfte. Die

       aber lachten ihn nur aus und sagten: »Ach, du Grindskopf,

       wir haben nicht wach bleiben können, wie solltest

       du das können? Bleib du hier sitzen, du sitzest da

       schön am Herd in der Asche.« Er bat sie aber immer

       mehr, doch wollten sie ihn nicht gehen lassen. Zuletzt

       ging er ohne ihre Erlaubnis zum Wachen, und die

       Brüder ließen ihn: mag er tun, was er will.

       Der Grindskopf ging nun in die Scheune, wartete

       und wartete, und sieh da! kommt das wilde Pferd wieder,

       um Heu zu fressen. Sogleich stürzte er sich auf

       das Pferd, packte es und wollte es totschlagen. Aber

       das Pferd rief aus: »Ich bitte dich, schlag mich nicht

       tot; ich will dir etwas geben und werde auch niemals

       wiederkommen.« – »Was willst du mir geben?« fragte

       der Grindskopf. – »Ich will dir drei Haare geben,«

       antwortete das Pferd, »ein weißes, ein rotes und ein

       schwarzes, und wenn du irgend in Not kommst, wirf

       eins von den Haaren in die Höhe, und was du wünschest,

       wird dir geschehen.« Da ließ der Grindskopf

       das Pferd los; das gab ihm die drei Haare, und sie gingen

       ihres Weges. Als der Grindskopf nach Hause gekommen

       war, sagte er zu seinen Brüdern: »Seht ihr

       wohl, wie ich wach geblieben bin, und ihr wolltet

       mich nicht gehen lassen.« – »Ach, du Grindskopf,«

       antworteten sie, »wir konnten nicht wach bleiben, und

       du solltest das gekonnt haben?« – »Geht nur und seht,

       wie das ganze Heu noch da ist«, erwiderte er. Sie gin-

       gen hin, und da sie sahen, daß von dem Heu nichts

       genommen war, wunderten sie sich und standen ganz

       starr. Der Grindskopf aber zog sich wieder den Rindsmagen

       über den Kopf und setzte sich an den Herd.

       Da ereignete es sich, daß der Zar einige sehr tiefe

       und breite Gräben ziehen ließ und Herolde anstellte,

       die ausrufen mußten: »Wer ein Held aller Helden ist,

       der soll kommen und über die Gräben springen, dem

       will ich meine älteste Tochter geben.« Da kamen alle

       Helden herbei und bemühten sich hinüberzuspringen,

       aber keiner konnte es. Auch die Brüder des Grindskopfes

       waren hingezogen, und er war ihnen heimlich

       nachgegangen, blieb verborgen an einer Stelle stehen,

       versteckte den Rindsmagen und warf das weiße Pferdehaar

       in die Luft. Sogleich kam vor ihm ein Schimmel

       heraus und ein weißer Anzug. Er zog die Kleider

       an, bestieg das Pferd und übersprang mit gewaltiger

       Kraft die tiefen und breiten Gräben. Die älteste Zarentochter,

       die das von einer Stelle mit angesehen hatte,

       warf ihm als Zeichen ihrer Billigung einen Apfel zu,

       und er fing ihn auf. Darauf ging er schnell an den früheren

       Platz, ließ Pferd und Kleider da und zog wieder

       den Rindsmagen über den Kopf. Pferd und Kleider

       verschwanden sogleich, er aber ging mit dem Apfel,

       den er zu sich gesteckt hatte, nach Hause und setzte

       sich an den Herd, als ob er von allem, was geschehen

       war, nichts wüßte.

       Nach einiger Zeit riefen die Herolde wieder aus:

       »Wer ein Held aller Helden ist, der soll kommen und

       über die Gräben springen, der Zar will ihm seine

       zweite Tochter geben.« Da kamen große Helden herbei,

       einer stärker als der andere, um den Sprung zu

       versuchen; auch die Brüder des Grindskopfes kamen,