Die Ehelosigkeit (zu Mt 19,10)
Die Auferstehung (zu Mt 22,28)
Die Frage nach der Steuer (zu Lk 20,20)
Das Messiasbekenntnis (zu Mt 16,13)
Jesus und Petrus (zu Jo 21,15)
Vorwort
Der Verlorene Vater
Erstaunliche Gleichnisse
Walter Rupp SJ
Diese Gleichnis-Sammlung macht den Versuch, Geschichten, Sätze und Ereignisse, wie sie in den Evangelien aufgeschrieben sind, neu zu schreiben. Sie kleidet die alten Gleichnisse, die in ihrer herkömmlichen Fassung fremdartig wirken, in ein neues, zeitgemäßes Gewand und schildert das Geschehen von damals, wie es sich heute hätte zutragen können. Sie wagt es, biblische Texte zu aktualisieren, ja sogar Gleichnisse und Worte Jesu zu verfremden, ohne sie in die Modebegriffe oder Denkschablonen unserer Zeit zu pressen. Sie wagt es auch, Einwände und Fragen auszusprechen, die den Menschen von heute bedrängen, und Antworten zu geben, die der Meister den Menschen unserer Zeit vielleicht gegeben hätte. Die Verfremdung will nicht fremd machen, sondern die biblischen Texte in die Gegenwart holen. Sie will einen anderen und neuen Zugang zu diesen Texten schaffen und sie so den Menschen unserer Zeit näherbringen.
Palmsonntag (zu Mt 21,1)
Jener Esel, den die beiden Jünger am Palmsonntag von der Weide holten, damit er ihren weithin berühmt gewordenen Meister nach Jerusalem trage, wunderte sich ein Leben lang über die Torheit der Menge, die mit Palmzweigen in den Händen Hosanna schrie und schon am nächsten Tag ‚Kreuzige ihn‘ rief.
Bis zu seinem Lebensende beteuerte der Esel, er sei stolz darauf, dass er für diesen einmaligen Menschen diesen Dienst getan hätte. Er selbst habe nie begriffen, wen er getragen habe. Er hoffe nur, dass die anderen Esel, die diesen Jesus jetzt durch die Geschichte tragen, klarer sehen.
Als er das letzte Mal bei ihnen war und sagte: Gehet in alle Welt und verkündet, was ich euch geboten habe!, fragten sich seine Jünger: Müssen wir es mit seinen oder dürfen wir es mit unseren Worten tun?
Die Gleichnisrede (zu Mt 13,34)
Als sie den Meister wieder einmal nicht verstanden, fragten sie ihn: Warum redest du so oft in Gleichnissen zu uns? Deine Gleichnisse sind für uns wie Rätselreden.
Da sagte er zu ihnen: Ohne Bilder würdet ihr noch weniger verstehen, denn das Himmelreich unterscheidet sich von jedem anderen Reich, und kann ohne Staatsoberhaupt, ohne Parlament und ohne Polizei bestehen. Es ist nicht möglich, seine Grenzen auf einer Landkarte abzustecken. Niemand kann die Orte oder Völkergruppen nennen, unter denen es sich ausgebreitet hat. Niemand weiß, wer Bürger dieses Reiches ist.
Da wandten seine Jünger ein: Je mehr du davon sprichst, desto mehr Fragen wirfst du auf.
Darauf gab der Meister zur Antwort: Wer vom Himmelreich spricht, kann nur Bilder wählen, die richtig und zugleich nicht richtig sind. Er kann nur sagen: Es ist wie...; er kann immer nur vergleichen. Das Himmelreich wird für euch ein Geheimnis bleiben, bis ihr dort aufgenommen worden seid. Glaubt jedoch nicht, dass das Reich Gottes erst nach dem Weltende beginnt. Gott richtet seine Herrschaft schon jetzt auf. Es wächst wie eine Pflanze, aber die Menschen finden das nicht der Beachtung wert. Sie staunen nicht einmal, sondern legen sich in den Schatten dieser Pflanze und schlafen unter ihren großen Zweigen ein.
Wer Ohren hat, der höre - und vergesse nicht,es denen zu erzählen, die auch hören möchten.
Der Sämann (zu Mk 4,2)
Bevor er sie zum Predigen aussandte, erzählte er ihnen ein warnendes Beispiel: Ein Sämann, der eine besonders reiche Ernte heimbringen wollte, sagte sich: Warum soll ich auf die Zeit der Aussaat warten, wenn alle auf den Acker gehen und säen? Ich säe jetzt und komme den anderen zuvor!
So ging er eilends zu den Kleinen in die Kindergärten und erzählte ihnen alle biblischen Geschichten, vom Schöpfungsbericht angefangen bis zur Geheimen Offenbarung. Da er merkte, wie gerne ihn die Kleinen hörten und dass sie davon nicht genug bekamen, fing er immer wieder von vorne an und erzählte jede Einzelheit zum siebten, neunten oder zwölften Mal, bis die Kleinen alles nacherzählen konnten. Als die Kleinen jedoch größer geworden waren, erschrak er sehr. Mit einem Mal hatten sie die oft gehörten Geschichten satt und weigerten sich, ihm überhaupt noch zuzuhören.
Da fragten ihn seine Jünger: Willst du mit diesem Beispiel sagen, dass der Sämann töricht gehandelt hat? Darauf gab er zur Antwort: Von der Geschicklichkeit eines Sämanns hängt viel ab. Er muß warten können. Er kann den Samen nur auf die Erde werfen, aber nicht bestimmen, wann er aufzugehen und welche Früchte er zu bringen hat. Über das Wachsen hat der Sämann keine Macht.
Wie gut, dass Gott seine Weisheit vor den Weisen und Klugen verborgen hält. Sie würden sie mit ihren verworrenen Ideen nur zudecken.
Der Werbetexter (zu Mk 4,2)
Ein andermal erzählte er ihnen dieses Gleichnis: Ein Werbetexter ging aus, um fromme Werbesprüche auszustreuen. Einige klebte er auf Litfaß-Säulen, so dass die Leute sie im Vorübergehen lesen konnten. Einige gerieten in die Morgenandachten der Rundfunksender, und die Leute konnten sie im Bett, beim Morgenkaffee oder auf dem Weg zur Arbeit hören. Andere gerieten in die Tageszeitungen, in Werbespots oder in Quiz- und Unterhaltungssendungen. Dort blähten sie sich auf und erstickten bald das Denken. Schon nach kurzer Zeit wussten die Leute nicht mehr, was sie gehört, gesehen oder gelesen hatten, was die Sprüche bedeuteten und warum man sie damit belästigte.
Als er seine Erzählung beendet hatte, fragten sie ihn: Willst du damit sagen, dass man für das Reich Gottes nicht werben kann, nicht werben soll?
Darauf gab er zur Antwort: Es ist nicht gut, wenn das Wort Gottes wie eine Ware angeboten wird, die religiöse Bedürfnisse schnell befriedigt. Es ist auch