Bittersüßer Rakomelo. Joachim Koller. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim Koller
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847659372
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war an beiden Seiten von Felsen eingegrenzt. Der flache, feine Sandstrand dazwischen war ein gutbesuchtes Ziel für Touristen und auch Einheimische. Während auf der einen Seite eine steil ansteigendende Straße weiter durch den Ort führte, diente der Felsen am anderen Ende des knapp hundert Meter langen Strands als kleine Aussichtsmöglichkeit. Sowohl zum Hauptstrand am Beginn von Bali als auch den Hafen konnte man von hier aus sehen, vorausgesetzt, man war mutig genug, sich auf den teils schroffen Felsen nach vorne zu trauen.

      Tákis und Ryan standen barfuß im Sand, die kleinen Wellen reichten gerade einmal bis zu den Knöcheln. Beide Männer trugen kurze Trainingshosen und ein dunkles Trägershirt. Tákis stand mehrmals pro Woche vor Sonnenaufgang auf und spazierte zum Strand. Neben seinem intensiven Sport- und Fitnesstraining nahm er sich auch die Zeit zur Meditation. Wie schon die letzten Tage war Ryan mitgekommen, alleine um das Schauspiel zu erleben, wenn der Sonnenaufgang Bali und das Meer in die unterschiedlichsten Farben tauchte.

      Er kopierte Tákis Bewegungen, konzentrierte sich auf einen Punkt am Horizont und atmete mehrmals tief ein und aus. Sein Kopf war leer, er hatte alle Gedanken ausgeschaltet, hörte nur auf seine Atmung und seinen Herzschlag. Von Tákis wusste er, dass diese Stunde der inneren Ruhe, wie sein bester Freund es nannte, ihm sehr gut tat. Er hatte die Meditationskenntnisse von einer Bekannten von Despina erlernt, die ihm angeboten hatte, auf diesem Weg seine Wut und Trauer zu verarbeiten. Zu einem Teil hatte es auch geholfen, gleichzeitig war sein Wunsch nach Rache aber gewachsen.

      Langsam zog Tákis ein Bein hoch, eng angewinkelt vor seinem Körper. Ohne das Gleichgewicht zu verlieren, hielt er die Position über eine Minute lang.

      Am Horizont erschien die Sonne, langsam stieg die gelbe Scheibe vor ihnen aus dem Meer. Tákis stellte wieder beide Beine auf den nassen Sand und blickte Ryan ernst an.

      »Nachdem Du sie nun zum ersten Mal persönlich getroffen hast, glaubst Du immer noch an unseren Plan?«, fragte er mit ernster Miene.

      »Das war nur der erste Schritt, aber es hat perfekt geklappt. Wenn wir morgen auch so ein Glück haben und mein Schnellkurs in menschlicher Psychologie erfolgreich ist, bin ich bald ein Dauergast in der Villa.«

      »Ich habe Nikos erklärt, was er zu tun hat. Er freut sich schon darauf, uns zu helfen.«

      Ihre Ruhe wurde von einem herankommenden Wagen unterbrochen. Es war Theo, dem gemeinsam mit Giannis die Strandbar und das Restaurant ‚Porto Paradiso‘ gehörte. Als er ausstieg und die zwei Männer sah, winkte er ihnen freundlich zu.

      »Morgen! Schon wieder so zeitig auf den Beinen?«, rief er ihnen zu. Kurz darauf gesellten sich Ryan und Tákis zu ihm und tranken einen frisch gepressten Fruchtsaft, während Theo die Bar eröffnete.

      Theo und Giannis führten die Bar nun schon seit fünfzehn Jahren. Die beiden Freunde hatten aus dem Restaurant und der Bar ein großes Familienunternehmen gemacht.

      Theo scherzte, dass diese Bar für ihn wie ein Jungbrunnen wirkte und Ryan musste ihm beipflichten. Der groß gewachsene, drahtige Mann sah keineswegs wie fünfundvierzig aus, sondern würde leicht um zehn Jahre jünger eingeschätzt werden. Das hatte er mit Giannis gemeinsam, der zwar etwas älter aussah, aber auch noch nicht wie dreiundvierzig. Ihr Markenzeichen war der schwarze sorgfältig gepflegte Dreitagesbart, wobei Theo viel lichteren Bartwuchs hatte.

      Ryan lehnte sich auf dem Barhocker zurück, strich sich mit beiden Händen durch die kurzen Haare und fragte entspannt, welche Pläne Tákis und Despina heute hätten.

      »Bis mittags muss ich für Dimitris noch einiges erledigen. Ihm gehört die Hotelanlage Elpis, gleich neben Deinem Hotel. Aber danach können wir gerne etwas unternehmen. Despina hilft heute im Supermarkt aus, sie hat erst gegen Abend frei. Sie wird auch alles Notwenige besorgen, damit morgen in Rethymnon alles wie geplant abläuft.«

      Damit war für Ryan der Tagesablauf klar: Er würde einen erholsamen Badetag einlegen, bis Tákis sich nachmittags zu ihm gesellen würde. Einem gemeinsamen Abend stand ebenfalls nichts im Weg. Sie mussten nur darauf achten, nicht zu dritt von Maria oder ihrem chinesischem Aufpasser gesehen zu werden.

      Einen Eiskaffee später trennten sich die Wege der drei Männer. Theo bereitete an der Bar alles für den Tag vor. Tákis verließ den Strand und ging die steile Seitengasse hinauf in Richtung Despinas Wohnung. Ryan spazierte zurück in sein Zimmer und ruhte sich noch etwas aus. Aber länger als eine Stunde hielt er es nicht mehr im Bett aus, zu groß war die Sehnsucht nach dem Meer. Mit Badeshorts und Handtuch machte er sich wieder auf den Weg zum Strand.

      Dieser war nicht mehr menschenleer, die ersten Touristen hatten es sich schon auf den Liegen bequem gemacht. Ryan warf sein Handtuch auf eine freie Sonnenliege und ging geradewegs ins Meer. Nach mehreren Metern hechtete er ins Wasser und schwamm hinaus.

      Sein erster Ausflug ins Meer dauerte über eine halbe Stunde, bevor er zurück an Land kam und sich entspannt auf seine Liege platzierte. Mit geschlossenen Augen genoss er die leichte Brise, das leise Rauschen der kleinen Wellen und ein Stimmenwirrwarr aus unterschiedlichen Sprachen.

      Seine Gedanken drehten sich um Maria, um die Familie Granat und ihm kam die Unterhaltung mit seinem Chef in den Sinn.

      Sein Plan begann, nachdem Ryan das erste Mal von einem Bericht über Victor Granat gehört hatte. Bei einer Fahrt von Wien nach Linz sprach er seinen Chef darauf an. Er erzählte ihm, dass er den Namen kenne, da Victor Granat in Bali ein Haus hatte. Er erfuhr von den Gerüchten, dass Granat sich absetzen wolle und bislang nichts Handfestes gegen ihn vorlag. Nichtsdestotrotz war man sich sicher, dass Victor Granat unter anderem einer der Verbindungsmänner war, der illegale Waffenlieferungen organisiert hatte. Ryans Vorschlag, sich vor Ort diskret zu erkundigen, stieß auf wenig Begeisterung.

      »Du bist Chauffeur und kein Spitzel. Das ist hier keine Folge von ‚Mission Impossible‘, wir haben Spezialisten, die sich darum kümmern.«

      Durch die deutliche Absage noch mehr bestärkt, machte sich Ryan daran, Maria Granat ausfindig zu machen. Es war nicht schwer, innerhalb kürzester Zeit viele Informationen zusammenzutragen. Über Freunde, die an derselben Uni studierten und deren Facebook-Account erfuhr Ryan sehr viel über Maria. Als er herausfand, dass sie nach ihrem Studium zu ihrem Vater ziehen würde, fasste er den Entschluss, zusammen mit Tákis in Kreta an sie und somit an Victor Granat heran-zukommen. Seinem Chef hatte er nichts mehr davon berichtet, aber am letzten Arbeitstag wurde er in dessen Büro zitiert.

      »Du wirst also Deinen Urlaub auf Kreta in Bali verbringen, Ryan?«

      »Ja, Herr Manolas. Ich habe meinen besten Freund dort und …«

      Herr Manolas stand auf und stellte sich direkt vor Ryan.

      »Was ich Dir jetzt sage, bleibt unter uns. Ich bin nicht dumm. Ich weiß, wer Dein bester Freund ist und ich weiß auch, warum Du ein persönliches Interesse hast, Victor Granat nahezukommen. Weder die griechischen Behörden, noch Interpol haben bislang Beweise gefunden, die ihn mit den dreckigen Geschäften in Verbindung bringen. Wenn Du etwas herausfinden solltest, melde Dich umgehend und wir schreiten sofort ein. Keine verrückten Einzelaktionen, verstanden?«

      Ryan sah ihn stumm an. Es war sinnlos seinem Chef etwas vorzumachen. Er nickte ihm zu.

      »Wenn Du in Schwierigkeiten gerätst, kann Dir niemand helfen, wir würden abstreiten müssen, dass wir etwas davon gewusst haben. Also pass auf Dich auf.«

      Nun musste Ryan schmunzeln. Manolas sah ihn fragend an.

      »Keine Sorge, ich fliege nicht hinunter um ‚Mission Impossible‘ zu spielen, wie Sie es so schön ausgedrückt haben.«

      Manolas drückte ihm noch eine Visitenkarte in die Hand, die Nummer des Polizeipräfekten aus Rethymnon.

      »Wenn es Probleme gibt, ist das vielleicht Deine einzige Hoffnung. Jetzt geh, schönen Urlaub, genieß die Zeit … und viel Glück.«

      Ryan war bei seinen Gedanken an die Vorbereitungen eingenickt. Eine junge Frauenstimme weckte ihn auf.

      »Hallo! Auch reiche Leute liegen wohl gerne am Strand?«

      Ryan öffnete die Augen und blickte