Spargo hatte sich unbemerkt unter dem Tisch allerhand Notizen gemacht und schaute plötzlich Mr. Webster an. „Wann war denn das?“
„Zwischen viertel nach neun und halb zehn.“
„Erzählen Sie nur ruhig weiter.“
„Ich habe mich mit diesem Mann, der nun tot ist, ein wenig unterhalten. Ich sagte, dass es doch furchtbar lange dauert, bevor man den Abgeordneten sprechen kann, den man gewählt hat. Ich erzählte ihm auch, dass ich zum ersten Mal dort war. ‚Ich bin auch noch nicht hier gewesen‘, hat er mir gesagt. ‚Ich bin auch hergekommen, weil ich mir das gern einmal ansehen wollte.‘ Dann hat er merkwürdig gelacht. Und gerade dann ist das passiert, was ich Ihnen jetzt erzählen will.“
„Nämlich?“
„Es kam ein vornehmer Gentleman durch die Halle, in der wir alle saßen. Er war groß und sah fein aus und hatte einen grauen Bart. Und eine Menge Akten und Papiere trug er in der Hand. Da dachte ich mir gleich, dass das auch ein Parlamentsmitglied ist. Und stellen Sie sich vor, plötzlich sprang der Mann, der neben mir saß, auf, und mit einem Ausruf ...“
Spargo schaute Webster interessiert an. „Sicher haben Sie doch gehört, was er sagte? Können Sie sich genau auf seine Worte besinnen?“
„Ich sage Ihnen nichts, was ich nicht ganz genau weiß. Also, er sprang auf und rief: ‚Großer Gott!‘ Und dann nannte er einen Namen, den habe ich aber nicht richtig behalten. Es klang wie Danesworth oder Painsworth oder so ähnlich. Er ging auf den Gentleman zu und legte die Hand auf seinen Arm, ganz plötzlich.“
„Und was tat der andere Gentleman?“
„Nun, der schien sehr erstaunt zu sein. Er fuhr zusammen und starrte den Mann an. Dann schüttelte er ihm aber die Hand und nachdem sie einige Worte miteinander gesprochen hatten, gingen sie weg. Und ich habe danach natürlich nichts mehr von ihnen gesehen. Aber als ich heute Morgen die Zeitung in die Hand nahm und das Bild sah, sagte ich mir gleich, das ist der Mann, der gestern Abend neben dir in der Halle gesessen hat, daran besteht gar kein Zweifel!“
„Wenn ich Ihnen nun eine Fotografie von diesem anderen Herrn mit dem grauen Bart zeigen würde, glauben Sie, dass Sie ihn wiedererkennen?“
„Aber sicher, ich habe ihn mir genau angesehen.“
Spargo stand auf, ging an einen Schrank, nahm einen dicken Band heraus und blätterte langsam darin. „Kommen Sie bitte mal her“, sagte er dann.
Webster ging zu ihm.
„Sehen Sie, hier sind die Fotografien von allen jetzigen Mitgliedern des Unterhauses. Nun können Sie mir den zeigen, den Sie gestern gesehen haben. Sie brauchen sich nicht zu beeilen, lassen Sie sich ruhig Zeit.“
Er ließ Webster mit dem Album allein und ging wieder zu Breton zurück. „Jetzt kommen wir der Sache schon ein wenig näher, meinen Sie nicht auch?“
„Ich verstehe noch nicht recht ...“
Ein Ausruf von Webster unterbrach ihr Gespräch. „Hier ist er! Das ist er ganz bestimmt, ich erkenne ihn genau wieder.“
Die beiden gingen zu Mr. Webster, der mit seinem dicken Finger auf eine Fotografie zeigte. Darunter stand: Stephen Aylmore, Esq., Mitglied des Unterhauses für Brookminster.
KAPITEL 7
Spargo bemerkte, dass Breton zusammenzuckte; er selbst blieb ganz ruhig, als er einen kurzen Blick auf das Bild warf. „Also das ist der Herr?“
„Als ob er leibhaftig vor mir stände. Den habe ich gleich wiedererkannt, Mr. Spargo.“
„Sind Sie sich Ihrer Sache auch ganz sicher? Es gibt mehrere Abgeordnete, die einen grauen Bart haben.“
Aber Webster schüttelte den Kopf.
„Nein, nein, ich irre mich nicht. Das ist ganz sicher, so wahr ich William Webster heiße. Das ist der Gentleman, der mit dem anderen sprach. Ich kann Ihnen sonst nichts sagen.“
„Nun, dann ist es gut. Ich danke Ihnen vielmals. Ich werde Mr. Aylmore aufsuchen. Bitte, geben Sie mir noch Ihre Adresse in London. Wie lange werden Sie noch hierbleiben?“
„Ich wohne im Beachcroft-Hotel, Bloomsbury, und ich bleibe noch eine Woche hier. Ich hoffe, dass meine Information Ihnen etwas nützt. Ich habe ja gleich zu meiner Frau gesagt ...“
Spargo brachte die Unterhaltung höflich zu Ende und begleitete seinen Besucher zur Tür. Dann wandte er sich an Breton, der noch immer auf das Album starrte. „Nun, habe ich Ihnen nicht gesagt, dass wir durch den Artikel bald Nachricht bekommen würden? So ist es auch gekommen.“
Breton nickte. Er schien tief in Gedanken versunken zu sein.
„Ja, .ja“, sagte er dann.
„Was denn?“
„Mr. Aylmore ist mein zukünftiger Schwiegervater.“
„Ja, das ist mir auch schon eingefallen. Sie haben mich ja gestern seinen Töchtern vorgestellt.“
„Woher wussten Sie denn, dass das gerade seine Töchter waren?“
Spargo setzte sich lachend an den Schreibtisch. „Instinkt. Sie können es auch Intuition nennen. Also, sehen Sie, wir haben doch etwas herausgefunden. Marbury, wenn das der richtige Name des Toten ist, war also an dem Abend mit Mr. Aylmore zusammen.“
„Was werden Sie jetzt unternehmen?“
„Ich werde natürlich Mr. Aylmore aufsuchen.“
Spargo nahm das Telefonbuch auf und blätterte darin. Mit der anderen Hand griff er nach dem Apparat.
„Sie brauchen nicht zu telefonieren“, sagte Breton. „Mr. Aylmore ist um zwölf Uhr gewöhnlich im Atlantic and Pacific Club in St. James anzutreffen. Wenn Sie wollen, werde ich Sie dorthin begleiten.“
Spargo sah auf die Uhr und klappte das Buch zu. „Nun gut. Es ist jetzt erst elf, ich habe noch etwas zu tun. Punkt zwölf werde ich Sie vor dem Club treffen.“
„Einverstanden.“
An der Tür wandte sich Breton noch einmal um. „Was halten Sie von dem, was Sie eben erfahren haben?“
Spargo zuckte die Achseln. „Wir müssen abwarten, was uns Mr. Aylmore zu sagen hat. Anscheinend war dieser Mr. Marbury ein alter Bekannter von ihm.“
Als Breton gegangen war, sprach Spargo mit sich selbst. „Danesworth ... Painsworth ... sehr sonderbar. Es ist doch ausgezeichnet, dass Mr. Webster eine so gute Beobachtungsgabe besitzt. Ich weiß nur nicht, warum Mr. Aylmore plötzlich als Danesworth angesprochen wird. Sollte er früher einen anderen Namen gehabt haben? Wer ist eigentlich dieser Mr. Stephen Aylmore?“
Spargo ging zum Bücherschrank und nahm eines der Nachschlagebücher heraus, die dort standen. Schnell wandte er die Seiten um, bis er fand, was er suchte. „Aylmore, Stephen“, las er laut, „Mitglied