Kapitel 1
Eine unerwartete Spritztour
Megan Culiver vergriff sich etwas im Ton, als sie ihrer Freundin die Kurzreise schmackhaft machen wollte. Ihre patzige Rede war nur Ausdruck ihrer Hilflosigkeit, einer trauernden Witwe und Mutter die Lebenslust zurückzugeben.
»Es ist es jetzt vier Jahre her, seit … seit das Unglück geschah. Du kannst dich nicht für den Rest deines Lebens vergraben. Don hätte das bestimmt nicht gewollt, und im umgekehrten Fall …«
»Aber leider bin nicht ich mit Mikey, unserem entzückenden Sohn, zusammen ums Leben gekommen, sondern mein Mann«, sagte Katie Palmer matt. Wie sehr sie diese Diskussionen hasste. Alle meinten es nur gut mit ihr, aber keiner konnte wirklich nachvollziehen, was sie erlitten hatte, nicht einmal ansatzweise. »Warum wollt ihr alle nicht einsehen, dass mir nicht danach zumute ist, mich zu vergnügen? Lasst mir doch einfach meine Ruhe!«
»Also entschuldige mal, du bist monatelang von Fachleuten umsorgt worden. Sie hätten dich bestimmt nicht entlassen, wenn sie nicht der Meinung gewesen wären, dass du bereit bist, ins Leben zurückzukehren. Wann willst du damit anfangen? Ich will dich nicht zu einer wilden Party überreden oder zu einem Besuch in einem Vergnügungspark, sondern schlage dir nur vor, eine kleine Bootstour zu machen. Ein paar Tage auf andere Gedanken kommen, neue Eindrücke gewinnen, das würde dir bestimmt gut tun.«
»Wenn ich Lust auf die Bermudas hätte, könnte ich in zweieinhalb Stunden mit dem Flugzeug reisen und bräuchte nicht tagelang auf dem Boot unterwegs sein.«
»Aber das ist doch gerade das Abenteuer«, ließ Megan nicht locker. »Alleine würdest du so etwas nie machen. Und jetzt hast du Gelegenheit, unter Freunden zu sein und mit ihnen die Tage und Nächte auf See zu genießen. Und was heißt schon tagelang? Wenn ein Motorboot mit zehn Knoten fährt, sind es gut vier Tage. Das Boot von Terry schafft fünfundzwanzig Knoten, also brauchen wir weniger als die Hälfte.«
»Ich halte diesen Terry Sullivan für einen ziemlichen Schnösel und kann nicht behaupten, dass er mir sonderlich sympathisch ist.«
»Du sollst ihn ja nicht heiraten. Er ist witzig und gescheit, und vor allem großzügig.«
»Kein Wunder, wenn man von Beruf Sohn ist … der stiehlt dem Herrgott den Tag und wirft das Geld mit offenen Händen hinaus.«
»Lass ihn doch, wer hat, der hat. Du müsstest mal sein Appartement sehen – alles vom Feinsten, sag ich dir. Na ja, eben Fisher Island, eine ganz andere Welt.«
»Eben, wenn ich schon höre, dass man die Einladung eines Bewohners vorweisen muss, um die Insel überhaupt betreten zu dürfen. Auf der Privatfähre werden Name und Passnummer registriert, und der einladende Bewohner wird telefonisch informiert. Ein Affenzirkus, den ich ziemlich lächerlich finde.«
»Das musst du verstehen, immerhin haben Stars wie Madonna, Julia Roberts, Ricky Martin und Arnold Schwarzenegger dort ihre Zweit- oder Drittwohnung. Da müssen schon Sicherheitsvorkehrungen eingehalten werden.«
»Pah«, machte Katie, »ich bin gar nicht scharf darauf, diese Leute von Angesicht zu Angesicht zu sehen, damit ich mir nicht eine Illusion zerstöre.«
»Die Chance, einen von ihnen zu treffen, dürfte äußerst gering sein, Darling …« Megan zog eine Schnute, als hätte man sie persönlich beleidigt.
»Trotzdem, das ist einfach nicht meine Welt. Wie bist du eigentlich an diesen Terry geraten? Gehst du mit ihm in die Kiste? Steht er auf Aschenputtel?«
»Du bist gemein. Nein, Caleb hat ihn mir vorgestellt. Der kommt übrigens auch mit.«
»Na, wenigstens ein vernünftiger Typ, obwohl … wenn er Terry Sullivan zu seinem Bekanntenkreis zählt …«
»Sei doch nicht so. Die beiden haben sich beim Golf kennengelernt. Und weil sie sich sympathisch waren, hat Terry Caleb zu sich auf die Insel eingeladen. Du weißt ja, dass es auf Fisher Island mehrere Golfplätze gibt … Ich habe Caleb dort abgeholt, und bei der Gelegenheit hat uns Terry sein Luxusappartement gezeigt.«
»Das wahrscheinlich nicht ihm, sondern seinen Eltern gehört …«
»Ist doch egal. Jedenfalls protzt Terry nicht mit seinem Reichtum. Das siehst du schon daran, dass er keine Luxusyacht fährt, sondern ein ganz normales Motorboot. Trotzdem ist er immer sehr spendabel. Wenn man mit ihm zusammen ist, fließt der Champagner in Strömen«, schwärmte Megan.
»Du erwartest jetzt aber nicht, dass mich das beeindruckt?«
»Meine Güte, gönn doch anderen, ein bisschen Spaß am Leben zu haben … Entschuldige …«
»Schon gut. Ich frage mich nur, was ich unter diesen Leuten soll …«
»Dinge erleben, die sich nicht jedermann leisten kann. Außerdem hast du gerade noch gesagt, dass du Caleb für vernünftig hältst.«
»Ja, den Eindruck macht er jedenfalls auf mich. Wer soll denn sonst noch mitfahren?«
»Terrys derzeitige Flamme, Fallon Walker. Ich habe sie nur einmal gesehen. Typ unbedarfte Blondine, wenn du mich fragst. Ich weiß nicht, was Männer an solchen Frauen finden. Und dann noch ein Kumpel von Terry, Chris Ellis mit seiner Freundin Savannah Bird. Die sind beide sehr nett. Und Brady Holland, ein Schulfreund von Terry.«
»Den ihr dann wohl für mich auserkoren habt. Ich meine, drei Liebespaare und zwei Singles … das riecht förmlich nach einem Kuppelversuch.«
»Ich muss dich enttäuschen. Brady ist glaube ich schwul.«
»Das enttäuscht mich gar nicht, im Gegenteil. Vielleicht finde ich eine neue Freundin, wenn es mit dir und Caleb ernst wird …«
»Du bist unmöglich. Heißt das, du kommst mit?«
»Erwarte noch keine Zusage, aber ich werde darüber nachdenken.«
Katie ließ sich Zeit für ihre Entscheidung. Sie war nicht der Typ des Abenteurers, und eine Fahrt auf hoher See konnte es in sich haben. Zwei Tage hin oder her. Was anderes wäre es auf einem Kreuzfahrtschiff gewesen, nur konnte sie sich so etwas nicht leisten. Terry Sullivans Motorboot musste dagegen wie eine Nussschale anmuten. Wenn sie in einen Sturm oder eine der gefährlichen Strömungen gerieten … dann Gnade ihnen Gott. Außerdem war ihr der Mythos des Bermudadreiecks, das auch Teufelsdreieck genannt wurde, nur allzu bekannt. Dort sollten im Laufe der Jahrzehnte immer wieder Schiffe und sogar Flugzeuge auf Nimmerwiedersehen verschwunden sein. Das in den siebziger Jahren erschienene Buch The Bermuda Triangle von Charles Berlitz und J. Manson hatte sie geradezu verschlungen. Dabei war der Begriff Bermudadreieck schon 1963 von Vincent Gaddis geprägt worden. Es hieß sogar, schon Christoph Kolumbus habe von einem Verrücktspielen der Kompasse und einer „Flamme“, die aufs Meer stürzte, berichtet.
Katie war nicht unbedingt ein Angsthase, schließlich gab es in Miami die Hurrikansaison, die offiziell vom 1. Juni bis zum 30. November dauerte, aber außerhalb dieser Periode war die Bildung von tropischen Wirbelstürmen nicht gerade ungewöhnlich. Ob Hurrikan oder Wirbelsturm, dabei befand man sich besser an Land und nicht auf offener See, dachte sie. Andererseits hatten sie gerade Ende Oktober, und in Miami konnte es noch bis zu dreißig Grad warm werden, während es in Bermuda schon angenehm kühler war.
Auch wollte sie Megan nicht enttäuschen. Die Freundin hatte ihr in der schweren Zeit unerschütterlich beigestanden, auch wenn man sie mitunter nicht vorlassen wollte oder Katie keinen Besuch an sich heranließ. Nach dem Verlust von Mann und Sohn war Katie völlig zusammengebrochen, was jeder verstehen konnte. Monatelang hatte sie unter dem Einfluss von schweren Beruhigungsmitteln regelrecht dahinvegetiert. Mehr als einmal hatte sie in Betracht gezogen, ihren Lieben zu folgen. Davon, dass sie öfter Don und Mikey