Dieter Hentzschel
Achterbahn in die Hölle...
...und andere Storys
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Inhaltsverzeichnis
Ferdinands Suche nach einem Freund aus alten Tagen
Der Tag an dem ich sterben werde
Achterbahn in die Hölle
Nur einmal im Jahr kam der große Rummel zu uns. Und obwohl ich eigentlich schon ein wenig aus dem Alter heraus war, zog es mich immer wieder dort hin. Und wie in jedem Jahr gab es neue, spektakuläre Fahrgeschäfte, oder sollte ich besser sagen >Monstermaschinen<. Vor allem aber war es die Königsdisziplin jedes Vergnügungsparks die mich anzog und faszinierte. Das rollende, ratternde Ungetüm Achterbahn. Höher, steiler, schneller. Es schien keine Grenzen der Schwerkraft zu geben. Meist stand ich nur am Fuß des ineinander verschlungenen Gerippes das mich an ausgegrabene Riesensaurierskelette erinnerte, und sah hinauf zu den kletternden, rasenden und in die Tiefe schießenden Zuggarnituren. Die in den Himmel gereckten Arme der Süchtigen, die Schreie, der infernalische Lärm zwischen den stählernen oder hölzernen Streben.
Genau kann ich ich es nicht mehr sagen wann mir an jenem Tag zum erstenmal auffiel, dass etwas nicht stimmte. Ganz und gar nicht stimmte. Wohl an die fünfzehn bis zwanzig Durchläufe der verschiedenen Zuggarnituren hatte ich schon beobachtet. In diesem Jahr wartete die Bahn mit einer Neuigkeit auf. Bei der letzten steilen Rampe kurz vor dem Auslauf, donnerten die Waggons in einen etwa zwanzig Meter langen, dunklen Tunnel. Gleich dahinter begann dann die Bremsung.
Dort, an diesem Platz war mein Standort. Am Ende einer dieser Fahrten sandte mein Gehirn ein Alarmsignal. Zuerst versuchte ich es als optische Täuschung abzutun. Doch dann beharrte mein Erinnerungsvermögen auf einer Beobachtung die ich nicht ignorieren konnte. Als die letzte Zuggarnitur aus dem Tunnel hervorschoß fiel mir auf, dass der hinterste Wagen leer war. Und dennoch hatte ich ihn vollbesetzt in den Tunnel rasen sehen. Blödsinn, schalt ich mich. Das war nicht möglich. Ich mußte mich getäuscht haben. Und dann sah ich das blonde, wehende Haar des Mädchens deutlich vor mir. Und da war ich mir sicher, dass es keine Sinnestäuschung war. Der Tunnel hatte zwei junge Leute verschluckt. Oder sollte ich besser sagen herausgeschleudert. Aus welchem Grund auch immer. Und nun lagen vielleicht beide verletzt in diesem Tunnel und ihre Hilfeschreie gingen in dem Lärm unter. Ich sah zum Bedienunspersonal am Auslauf. Alles schien seinen Gang zu gehen. Keinerlei aufgeregte Gesten. Die nun ganz leere Zuggarnitur schloß sich wieder hinten an, bereit für eine neue Fahrt. Ich mußte etwas unternehmen. Ich fuhr zusammen, denn in diesem Moment schoß bereits die nächste Wagenraupe in den Tunnel. Jubelnde Menschen mit geröteten Gesichtern und vom Adrenalinrausch noch weitgeöffneten Augen stiegen aus. Ich mußte etwas unternehmen. Ein paar Schritte und ich befand mich am Eingang, der mit einem einem gut zwanzig Meter langen schmalen, schmalen Steg zur Kasse führte. Voll mit wartenden Menschen die alle eine Fahrt genießen wollten. Was tun? Ich drückte mich an das Eisengeländer das den Steg nach außen sicherte und begann mich an den Wartenden vorbeizudrängen.
"He, warts ab bis du dran bist." Schimpfende, maulende Menschen die den Drängler nicht vorbeilassen wollten. Es gab Knüffe und unmißverständliche Gesten.
"Ich muß zur Kasse. Da ist etwas passiert", murmelte ich fortwährend und gleichzeitig Entschuldigungen aus-
stoßend.
Endlich hatte ich es geschafft. Ein untersetzter Mann saß in dem Glaskasten und raunzte mich auch gleich an:
"Machen sie mir hier keinen Aufstand. Vordrängeln kann ich nicht gutheißen. Das gibt nur Unruhe."
"Entschuldigung, tut mir leid. Aber bei einer des letzten Fahrten ist etwas passiert."
"Was? Was soll der Blödsinn. Wollen sie eine Karte oder nicht. Obwohl ich sie eigentlich wegjagen sollte."
"Bitte hören sie mir doch zu. Ich glaube da sind zwei junge Leute im Tunnel verschwunden. Aus dem Wagen geschleudert worden. Ich habs genau gesehen. Die liegen da vielleicht verletzt."
Zwei kalte, glitzende Augen starrten mich an.
"Jetzt reichts! Verschwinden sie!"
Mir blieb nur eine Wahl. Schnell löste ich ein Ticket und reihte mich ein. Es dauerte nur Minuten und eine weitere Gruppe war zur Abfahrt fertig. Gurte anlegen. Ich war der erste dieser neuen Gruppe und wurde vom Personal zum hintersten Wagen dirigiert. Waren das nicht die Plätze der beiden Verschwundenen? Mir wurde flau im Magen. Jeder Wagen hatte zwei Plätze. Hinter mir ein stand ein junges Pärchen. Sie wollten natürlich in einem eigenen Wagen sitzen. Und auch die nächsten beiden gehörten zusammen. Aus Zeitgründen blieb dem Personal nichts anderes übrig als die Zuggarnitur abzufertigen. Keine Einzelperson in Sicht die sie schnell zu mir lotsen konnten. Es durfte keinen Aufenthalt geben. Der vorausfahrende Zug hatte bereits den Anlaufscheitelpunkt erreicht und raste die erste steile Rampe hinunter.
Ein Ruck und es ging los. Nach wenigen Metern begann die Anlaufsteigung. Schnarren, rattern und klackern unter mir. Ein Ketten- oder Zahnradaufzug. Geräusche die mir nur allzu gut bekannt waren. Damit war normalerweise gespannte Erwartung auf den bevorstehenden Nervenkitzel verbunden. Doch mir wurde mulmig. Worauf hatte ich mich da eingelassen? War ich nicht einer Täuschung erlegen als ich glaubte im letzten Wagen hätten tatsächlich zwei junge Leute gesessen? Und warum sollten sie in diesem Tunnel aus dem Wagen gestürzt sein? Fragen die mich bestürmten. Ich kam mir wie ein Trottel vor. Und dennoch. Als die ratternde