„Ich glaube nicht, dass solche Fehler geschehen können – nicht derselbe Fehler.“
„Aber wir können es nicht zweifelsfrei ausschließen“, mahnte ibn Fahed. „Du weißt, was die Alternative wäre: Dass man uns gezielt mit falschen Daten füttert, um die Mission scheitern zu lassen. Es wäre immerhin möglich, dass sich ein Aktivist von ,Human Rights‘ in die Beobachtermission eingeschlichen hat. Als man das Team zusammenstellte, war die allgemeine Begeisterung so groß, dass die wahre Gesinnung von ,Human Rights‘ noch nicht erkannt wurde. Es war auch noch nicht schwer durch die Kontrollen zu schlüpfen.“
„Uns mit falschen Daten zu versehen kann die Mission entscheidend gefährden“, stimmte Redfeather zu. Seine Stimme wurde hart. „Ich werde Verbindung mit dem Beobachterteam herstellen lassen und diese mit den fehlerhaften Daten konfrontieren. Dann werden wir ja erfahren, wie sie darauf reagieren. In jedem Fall sollten wir uns darauf vorbereiten, dass wir es mit Verrat zu tun haben.“
„Ich werde eine Einheit bereithalten, die uns gegebenenfalls Gewissheit verschafft.“ Der Hoch-General lächelte sanft. „Meine Leute wissen, was von exakten Daten abhängt und werden nicht zulassen, dass unsere Mission durch Verrat aufs Spiel gesetzt wird.“
„Es ist kein Spiel, Omar, es ist bittere Wirklichkeit.“
Kapitel 11
Hanari-Siedlung Grünwasser, am großen Markttag
Einmal im Vierteljahr wurde Markt in Grünwasser abgehalten. Es entsprach dem Rhythmus der vier Jahresernten.
Viermal im Jahr konnte auf den Felder gesät werden.
Im Frühjahr und Sommer waren dies die Früchte, die Wärme benötigten, im Herbst und Winter brachte man die Setzlinge der Stachelwurzel aus, die genügsam waren und auch mit Kälte zurecht kamen. Stachelwurzeln trieben ihre Pfahlwurzeln tief in den Boden hinein und ihre Knollen gefroren daher nicht. Die Pflanze blieb lebensfähig und gedieh. Im Frühjahr wurden sie dann aus dem Boden gezogen. Der obere Teil war ungenießbar, wurde zerkleinert und landete dann als Dünger auf dem Feld. Knollen und Pfahlwurzeln waren hingegen sehr nahrhaft. Im naturbelassenen Zustand schmeckten sie abscheulich, doch wenn man sie aufkochte und stark süßte, erhielt man einen hervorragenden Brei.
In den Dörfern wurden verschiedene Sorten angepflanzt. Die Art war vom Boden und den Möglichkeiten der Bewässerung abhängig. Es wurden nie alle Felder einer Siedlung gleichzeitig bepflanzt, denn man hatte gelernt, dass dies die Nährstoffe auszehrte. So besaß jedes Dorf eine unterschiedliche Zahl von Saatfeldern und Brachfeldern.
Früher hatten die Orte der Märkte gewechselt. Um keine Siedlung zu benachteiligen, was den oft langen und beschwerlichen Weg betraf, waren die Zusammenkünfte im regelmäßigen Wechsel erfolgt. Seit der große Haldar – mochten die Wolken ihm gewogen sein – jedoch einst sein Lager in der Nähe von Grünwasser aufgeschlagen hatte, war dieser Brauch aufgegeben worden und alle Märkte wurden nun hier abgehalten. Die anfänglichen Proteste der anderen Siedlungen waren rasch verstummt, als sie den großen Vorteil für sich entdeckten: Das einstige Lager bei Grünwasser zog regelmäßig Scharen von Veteranen und Verehrern des Herrschers und großen Befreiers an. So fanden die Waren aus allen Dörfern ihren Absatz und erzielten gute Preise.
Der Markt wurde über die volle Zeit einer Fünftagewoche abgehalten, aber die hektische Betriebsamkeit begann schon lange zuvor und würde auch danach noch anhalten, denn die Stände und Angebote mussten aufgebaut und auch wieder entfernt werden – das alles, während schon Scharen der Pilger unterwegs waren, vervollständigt durch reisende Künstler, die die Marktbesucher unterhalten wollten und dabei stets einen guten Verdienst hatten.
Barek liebte den Markt mit seiner bunten Vielfalt. Grünwasser war trotz des historischen Lagers eine eher beschauliche Siedlung und er war froh über die Abwechslung, die die Anwesenheit so vieler Hanari mit sich brachte.
Auf den Feldern blieben nur die Wachen und die zur Bewässerung eingeteilten Dorfbewohner. Aus jeder Familiengruppe waren wenigstens zwei Mitglieder damit beschäftigt, die Markstände zu betreuen. Die Übrigen sorgten für das leibliche Wohl ihrer Angehörigen oder das der Besucher. Da dies oft unmittelbar an den Häusern geschah, herrschte während der Marktzeit im gesamten Ort reger Betrieb.
Barek war nirgends eingeteilt und fand Zeit in Ruhe durch die Straßen zu schlendern. Sein Ziel war der eigentliche Markt, der auf einem freien Feld errichtet worden war und wo sich auch die Stände der Künstler befanden. Überall herrschte Gedränge und Barek schätzte, dass wohl an die dreitausend Hanari nach Grünwasser gekommen waren. Viele trugen die einfachen Kappen und Westen der Landbevölkerung, aber es gab auch eine ganze Reihe teurer Kleidungsstücke, deren Träger sicherlich aus der Stadt kamen. Zwischen ihnen waren immer wieder die orangen Kappen der Gewissenbewahrer oder die metallenen Helme der Gepanzerten zu sehen, die alle Pfoten voll zu tun hatten, um die Ordnung aufrechtzuerhalten.
Dem Brennwasser wurde reichlich zugesprochen und viele vertrugen keine großen Mengen. Barek sah immer wieder Hanari, die sich am Straßenrand zusammenrollten und ihren Rausch ausschliefen. Einige wurden unter dem Einfluss des seltenen Genusses aggressiv, doch die Ordnungskräfte waren rasch zur Stelle.
Barek blickte zur Sonne empor – später Mittag. Gegen Abend würde er am Marktstand helfen müssen, doch bis dahin blieb noch viel Zeit, sich die Darbietungen anzuschauen, die ihn interessierten. Und wenn er ehrlich zu sich war: Es gab kaum eine, die ihn nicht interessierte.
Es gab Ballkreiser, die gleichzeitig mehrere Bälle in die Luft schleuderten und sie alle wieder fingen, ohne dass ein einziger den Boden berührt hätte. Ein Feuerspeier zeigte seine Kunst, trank immer wieder einen mächtigen Schluck Brennwasser, spuckte ihn aus und entzündete ihn dabei mit einer Fackel. Der Anblick rief stets heftigen Applaus hervor und bescherte dem Künstler reichlich kupferne Münzen. Andere präsentierten unglaubliche Kunststücke, in denen sie auf einem Seil entlangliefen, dabei mit einer Stange balancierend.
Es gab reichlich zu sehen und Barek sog jeden Eindruck förmlich in sich auf.
An einem der Stände traf er zufällig auf Fallet und war überrascht den Bilderwerfer noch anzutreffen. „Ich dachte, du wärest längst auf dem Weg in den nächsten Ort.“
Fallet wischte sich etwas Schaum von seiner Schnauze, da er gerade mit einem mächtigen Krug Schaumwasser beschäftigt war und lächelte den Jungmann an. „Das wäre Zeitverschwendung, mein junger Freund. Die Bewohner der umliegenden Dörfer scheinen im Augenblick alle nach Grünwasser gekommen zu sein. Kaum jemand würde einen Kuppelbau besuchen können und ich sage dir, für einen Bilderwerfer gibt es nichts Bedrückenderes als einen leeren Kuppelsaal. Zudem will ich mir gerne selbst ein wenig Freude gönnen.“
Barek nickte eifrig. „Ja, was hier geboten wird, das grenzt schon an Magie.“
„Pah, so ein Unsinn!“ Fallet schien tatsächlich beleidigt und machte eine obszöne Geste. „Mit Magie hat das hier alles überhaupt nichts zu tun – überhaupt gar nicht.“ Der Magier wankte ein wenig und Barek vermutete, dass er nicht ausschließlich Schaumwasser getrunken haben konnte. Ja, wenn er konzentriert schnüffelte, vermeinte er im Atem des Bilderwerfers den Geruch von Brennwasser wahrzunehmen.
Fallet stieß herzhaft auf und wedelte sogleich entschuldigend mit seinem buschigen Schwanz. „Das Feuerspeien, das Bällewerfen und all das andere Zeugs hier: Nein, das hat keine Magie – ein wenig Wissen um die Dinge und Körperbeherrschung, ja. Doch keine Spur von Magie – überhaupt gar nicht. Ich sage dir, mein junger Freund, ich muss das wissen, denn ich bin Fallet, der magische Ereignisse zeigt und so die Herzen erfreut.“
„Ja, du bist großartig“, stimmte Barek zu und meinte dies durchaus ehrlich.
Fallet grinste und seine Augen hatten einen seltsamen Schimmer. „Du magst diese Imbala, nicht wahr?“
„Du meinst sicher Enala.“
„Wie auch immer“, Fallet