Barek spürte das Zittern ihres Leibes. „Sei unbesorgt, Enala. Diese Bestie ist nicht echt. Darin steckt ein Hanari, den man verkleidet hat. Du brauchst keinerlei Furcht zu empfinden.“
„Nicht?“ Sie rückte ein wenig von ihm ab und schien sich zu beruhigen.
Barek begriff, wie kontraproduktiv sein Beschwichtigungsversuch gewesen war. Er schob sich ihr ein wenig näher. „Natürlich kann man wirklich Angst empfinden, Enala. Schließlich ist die Maske ganz hervorragend gemacht.“
„He, komm mir nicht so nahe“, zischte sie. „Ich bin ein anständiges Jungweib, das weißt du. Du hast nicht das Recht, einen Moment meiner Schwäche so unschicklich auszunutzen.“
„Nichts läge mir ferner“, log er hastig und rückte ein klein wenig ab.
Fallet musste kurz unterbrechen, bis sich der Saal beruhigt hatte. Es gab ein paar Schmährufe gegen ihn – vor allem von den Kriegern – doch sehr viele wollten erfahren, wie die Geschichte denn nun weitergeht. Als wieder Ruhe eingetreten war, entstanden erneut die Bilder des fantastischen Ereignisses.
Das arme Jungweib wurde natürlich von der Bestie bedroht und so rannte es zum Dorf, wo sich der Jungmann dem Monstrum entgegenstellte. Mit allem Mut kämpfend drohte er doch zu unterliegen. Das verzweifelte Jungweib eilte zu einer Gruppe Krieger, die – natürlich rein zufällig – in der Nähe lagerte. In heldenhaftem Einsatz bezwangen die Gepanzerten das Ungeheuer und das Jungweib sank in die Arme des tapferen Jungmanns.
Als die Bilder erloschen und die Kuppel wieder hell wurde, brandeten sofort erregte Gespräche auf. Die Krieger, die Fallet zuvor beschimpft hatten, schienen allerdings versöhnt, denn sie wurden nicht müde zu erklären, dass die Gepanzerten mit jedwedem Monster fertig würden.
Enala war aufgewühlt und es drängte sie, den Kuppelbau zu verlassen. Barek hätte gerne gelauscht, was die Zuschauer von dem Bildereignis hielten, doch er musste Enala natürlich folgen. Draußen atmete sie mehrmals tief durch und man konnte sehen, wie sanfte Schauder über ihr Schuppenkleid liefen. Der Busch ihres Schwanzes war leicht gesträubt und zeigte, wie erregt sie war. Mit gekräuselter Schnauze blickte sie zum Sternenhimmel empor.
„Dieses Sternenmärchen hat mir nicht gefallen“, bekannte sie zu Bareks Enttäuschung. Sie sah ihn Hilfe suchend an. „Glaubst du wirklich, im Sternenhimmel könnten solche grausamen Kreaturen leben? Bestien, die uns vielleicht sogar überfallen?“
„Aber nein, natürlich nicht“, versuchte er sie zu besänftigen. „Ich meine … ich denke schon, dass es andere Wesen im Sternenhimmel gibt, aber ganz sicher nicht solche Ungeheuer.“
„Ich möchte nach Hause“, bekannte sie.
Immerhin hatte sie auf dem Heimweg nichts dagegen, sich angenehm eng an ihn zu kuscheln.
Kapitel 8
Beobachtungskuppel, Forschungsschiff E.S. Vasco da Gama, zehn Tage bis zum Ziel
Für Professorin Heike Waldbauer und die Forscher an Bord der Vasco da Gama war diese Reise die Erfüllung eines Traumes, der lange Zeit unerfüllbar gewesen war. Noch nie war man auf eine außerirdische Kultur gestoßen und als die ersten Informationen über Roald-37-S auf dem Mars eintrafen, erwies sich dies in wissenschaftlichen Kreisen – und nicht nur dort – als Sensation. Alle hofften darauf, mehr über diese Welt zu erfahren und die Akademie der Wissenschaften rüstete ihr Forschungsschiff, die E.S. Vasco da Gama, mit großem Aufwand für die lange Reise aus. Scharen von Forschern aus den verschiedensten Fachrichtungen bewarben sich für die Mission. Es war klar, dass nur eine kleine Gruppe würde teilnehmen können und sowohl die Bewerbungen als auch die Auswahl wurden mit großem Eifer und gelegentlich schmutzigen Mitteln getroffen. Kurz vor dem Start des Schiffes verkündete dann das Direktorat die Mission der Invasion. So sehr die Wissenschaftler auch protestierten, so wurde ihr Schiff doch dem Kommandorat des Direktorats unterstellt und somit Bestandteil der Flotte.
Heike Waldbauer hatte sich nie mit dem Militär anfreunden können. Sie war froh, dass „ihr“ Schiff unter ziviler Leitung blieb und es nur einen Verbindungsoffizier zum Admiralstab gab. Zwar musste man sich in den Verband der Flotte einfügen, aber innerhalb der Vasco da Gama konnte jeder Wissenschaftler uneingeschränkt seinen Forschungen nachgehen.
Das Schiff war knapp zweihundert Meter lang und beförderte siebenundfünfzig Besatzungsmitglieder und Forscher. Äußerlich ähnelte es frappierend einem Delfin, wenn auch ohne Flossen. Stattdessen gab es ein Sammelsurium von Kuppeln, Antennen und Außensensoren. Eine davon beherbergte das astronomische Fernrohr.
Wie nahezu alle Instrumente war auch dieses im Augenblick auf Roald-37-S ausgerichtet. In der Kuppel drängten sich Professor Heike Waldbauer, deren Fachgebiet die Erdgeschichte war, der Astronom Dr. Lai und die MTT-Technikerin Yuki Hasagawa.
„Präzisionsinstrument, ha!“ Dr. Lai konnte seine Abstammung von Asiaten ebenso wenig leugnen, wie Yuki Hasagawa. Der Astronom lehnte mit verschränkten Armen an der Steuerkonsole des Fernrohrs und sah grimmig auf die Japanerin hinunter, die halb in der offenen Wartungsklappe steckte. „Ich begreife nicht, woher Mars-Tetra-Tronics seinen guten Ruf bezieht. Dieses Mistding fällt öfter aus als dass es in Betrieb ist.“
Die Stimme der Technikerin klang gedämpft. „MTT stellt nun einmal die besten tetratronischen Instrumente her.“
„Ha! Dieser Schrotthaufen gehört jedenfalls nicht dazu.“
Jetzt fühlte sich die Japanerin doch genötigt, kurz hinter der Wartungsklappe hervorzu- sehen. Ihre dunklen Augen funkelten den Astronomen an. „Dieser ,Schrotthaufen‘, wie Sie ihn nennen, ist ein absolutes Präzisionsinstrument. Es ist nicht die Schuld von MTT, dass sich die Forschungsakademie in allerletzter Sekunde dazu entschloss, das ursprünglich montierte Fernrohr durch dieses hier zu ersetzen. Meinen Sie etwa, mir macht es Spaß, mitfliegen zu müssen, um dieses Ding in Gang zu bekommen? Verdammt, ich wurde zwangsverpflichtet, Dr. Lai. Ich habe Familie auf dem Mars. Meinen Sie etwa, wir wären begeistert, uns über dreißig Jahre nicht mehr sehen zu können? Wenn ich nach Hause komme, ist meine Tochter wahrscheinlich schon Großmutter.“
„Sie übertreiben“, warf Heike Waldbauer beschwichtigend ein.
„Ach ja?“ Der Blick von Yuki Hasagawa verriet echte Frustration. „Aber nur ein klein wenig, Frau Professor. Die meisten Männer und Frauen der Flotte haben sich freiwillig gemeldet oder standen unter Befehl des Sky-Command. Aber ich und ein paar Dutzend andere Spezialisten wurden nicht groß gefragt, sondern – wie ich schon sagte – zwangsverpflichtet. Die Mission der Flotte verlange dieses persönliche Opfer. Daran ändern auch die schicke Dankesurkunde und die finanzielle Entschädigung nichts.“
„Bekommen Sie das Ding nun ins Laufen, oder nicht?“, knurrte Lai, den das persönliche Schicksal der Technikerin absolut nicht kümmerte. „Mit diesen Zitterbildern kann ich jedenfalls nichts anfangen.“
„Es liegt an den Schwingungsdämpfern“, knurrte Hasagawa und verschwand wieder in der Klappe. „Sie sind noch nicht mit den Schwingungen der Raumschiffzelle und den Triebwerken synchronisiert.“
„Bekommen Sie es denn hin?“, fragte Heike Waldbauer, die die Verärgerung beider verstehen konnte. „Wir nähern uns Roald und brauchen detaillierte Informationen. Die Fernsensoren bringen nie so viel wie eine echte optische Beobachtung.“
„Natürlich bekomme ich es hin. Ich habe zwei Doktorgrade in Tetratronik. Meinen Sie, die Flotte hätte die einfachen Techniker verpflichtet? Verdammt, hätte ich doch nie einen Doktor gemacht. Wäre ich eine einfache Tech, dann hätte ich zuhause bleiben können.“
„Jaja“, knurrte Lai bissig, „das haben wir inzwischen begriffen.“
Heike Waldbauer hatte die feste Überzeugung, dass körperliche Gewalt in der Luft lag, wenn sich die Situation nicht bald änderte.
„Prüfen Sie