See des ewigen Lebens / Maxi II. Sabine Teyke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sabine Teyke
Издательство: Bookwire
Серия: Maxi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752911725
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ich mich irgendwo ausruhen? Wie schon gesagt, verursacht der Sturm mir Kopfschmerzen.“ Sie verzieht schmerzgeplagt das Gesicht.

      „Vielleicht kann ich Dir helfen, ich bin Heilerin,“ sage ich.

      „Heilerin, Du kannst meine Kopfschmerzen wegzaubern?“ Hedwig sieht mich verwundert an.

      „Das weiß ich nicht genau, ich habe noch nie einen Hirschkäfer getroffen. Aber ich könnte es einfach mal versuchen.“ Sie sieht auf einmal betrübt aus.

      „Ja, wir sind inzwischen selten geworden, deswegen passe ich auch so gut auf meinen Mann auf, einer muss ja noch meine Eier befruchten. Also gut, versuche es mit Deiner Heilkunst, schlimmer können sie ja nicht mehr werden.“ Sie grinst schief.

      „Dazu muss ich dich anfassen, geht das?“ Ich sehe sie fragend an. Sie nickt.

      „Ja ja, keine Problem,“ brummt sie.

      Ich lege vorsichtig meine Hände auf ihren Kopf, weiter hinten, um nicht in Konflikt mit ihren Zähnen zu kommen. Eine Weile passiert gar nichts, und als ich schon denke, bei Insekten funktioniert es nicht, fühle ich, wie die Heilkraft beginnt zu fließen und meine Hände warm werden. Hedwig beginnt genüsslich zu brummen.

      „Das tut wirklich gut, was immer Du da machst.“

      Ich antworte nicht, sondern konzentriere mich auf ihren Schmerz. Als ich spüre, wie sie sich entspannt, lasse ich die Kraft etwas stärker durch meine Hände fließen. Nach einer Weile öffnet Hedwig die Augen. „Sie sind weg, Du hast meine Kopfschmerzen zum Verschwinden gebracht, ah... das fühlt sich himmlisch an. Danke.“ Ich nicke, während ich meine Hände weg nehme und setze mich neben sie.

      „Habt Ihr keine Kinder, Du und Wolfram?“

      Sie schüttelt mit einem traurigen Blick den Kopf.

      „Bestimmt werden ein paar unserer Kinder durchkommen, aber sicher bin ich nicht.“

      Als sie meinen fragenden Blick sieht, holt sie aus. „Weißt Du, ich lege einmal so um die zwanzig Eier, Wolfram befruchtet sie und dann vergraben wir sie. Im Graben ist er gut mit seinem Riesengeweih. Wir müssen sie ganz tief in den Wurzeln eines verrotteten Baumes vergraben, am Besten wäre eine Eiche. Wenn die Kleinen schlüpfen, sehen sie noch nicht so aus wie wir, erst einmal sind es kleine süße weiße Maden. Um groß zu werden, fressen sie das ganze verrottete Zeug, das sie dort vorfinden. Sie brauchen sehr lange um zu wachsen, meistens so um die fünf Jahre. Immer wieder häuten sie sich, bis sie so lang sind, nun, wie Du würde ich sagen. Wenn sie es bis dahin geschafft haben am Leben zu bleiben, verpuppen sie sich und schlüpfen im Frühling. Danach leben sie einen Sommer lang, legen Eier und alles fängt von vorne an. Du siehst also, ich kann meine Kinder gar nicht kennen.“

      Das ist bestimmt für Insekten normal, aber mich macht die Geschichte traurig.

      „Hier gibt es aber keine Eichen, gehen andere Bäume auch?“ Sie nickt zögernd.

      „Ja, manche, aber bei Eichen sind die Chancen, dass ein paar Kinder überleben, am Größten. Wir haben auch nicht mehr viel Zeit, vielleicht noch vierzig Tage. Deshalb ist der Sturm auch so lästig, er hält uns von der Suche ab.“ Dazu kann ich nichts sagen, daher frage ich sie.

      „Möchtest Du vielleicht jetzt etwas essen?“

      Sie lehnt ab.

      „Ich warte, bis mein Mann fertig ist, und esse dann die Reste der Beeren. Er leckt ja nur den Saft auf, und es wäre doch schade, sie wegzuwerfen.“

      Benedikte erregt meine Aufmerksamkeit sie hat gerade wieder eine Vision, sie starrt kurz ins Leere. Einen Moment später sieht sie Hedwig an und sagt.

      „Du musst nach Nordwesten gehen, da gibt es viele Eichen. Fünf Deiner Kinder werden Überleben.“ Hedwig bricht in Tränen aus.

      „Stimmt das? Ganze fünf? Das hätte ich nicht zu hoffen gewagt.“ Ich antworte ihr.

      „Ja, meine Tochter ist ein Orakel, eine Seherin. Alles was sie sagt, trifft auch ein.“

      „Dann danke ich Dir von ganzem Herzen, Tochter von Maxi, das sind wunderbare Voraussagen.“ Hedwig scheint glücklich zu Lächeln, obwohl man das bei einem Hirschkäfer nur schwer erkennen kann.

      *

      Bene schrie gegen den Wind an.

      „Bellusa, komm endlich rein, ich muss den Eingang verschließen.“

      „Wenn ich los lasse, werde ich weggeweht.“ Bellusa traute sich nicht, den Zweig loszulassen, an dem sie sich gerade festhielt. Sie verstand zwar nicht, was Bene sagte, aber was er meinte, schon. Sie wusste, er wollte alles dicht machen, eigentlich wartete er nur auf sie, und sie konnte nicht loslassen. Eine vertrackte Situation, was sollte sie nur tun?

      Die Entscheidung wurde ihr abgenommen. Eine Windbö warf eine paar Ästchen und Blätter auf sie und sie verlor den Halt. Sie wurde Richtung Nussbaum geschleudert, und wäre daran vorbei geflogen, hätte Bene sie nicht am Bein erwischt. Er zerrte und zog, bis er sie aus dem Wind hatte. Gemeinsam rannten sie schnell hinein und verstopften das Eingangsloch. Sie setzten sich an den Brunnen zu Auruma, und hörten dem Sturm zu.

      *

      Der Sturm ist heftig, keiner wagt den Bau zu verlassen. Immer wieder fliegen Gegenstände herum, einige landen im Bambus, andere auf unserem Dach.

      Wir ziehen uns aus Sicherheitsgründen, in den Erdbau zurück. Hedwig und Wolfram passen in keine der Wohnhöhlen, deshalb bleiben sie im Tunnel, der höher und breiter ist.

      Dieser wirklich heftige Frühjahrssturm wütet zwei ganze Tage lang, während dieser Zeit ist es unmöglich hinaus zu gehen. Dann bricht er unerwartet ab.

      Vorsichtig wagen wir uns aus dem Erdbau in die Halle, auch hier ist es ruhig, der starke Wind scheint verschwunden zu sein. Cito geht nach draußen, um nachzusehen. Als er zurückkommt, berichtet er.

      „Es ist weniger passiert, als man meinen würde, die hohen Gräser sind gekickt, Äste abgebrochen und hier am See direkt, hat die große Distel dran glauben müssen. Es liegt auch viel Unrat herum, aber nichts, was sich nicht beseitigen ließe.“

      Das erleichtert mich, uns alle. Hedwig will wissen, ob sie schon weiterfliegen können. Ich bitte sie noch etwas zu warten, wenigsten diese Nacht noch, bevor sie nach Nordwesten fliegen. Sie ist einverstanden.

      „Dann kann sich mein Wolfram noch satt essen, damit er Kraft für den Flug hat. Sein Geweih ist ganz schön schwer zu tragen.“

      Hedwig und Wolfram haben beide Wasser aus dem See getrunken, ich weiß nicht was für Auswirkungen das auf Insekten hat. Ob ihr Leben auch verlängert wird, wenn ja, habe ich eine große Verantwortung übernommen. Ich schätze, sie können den Winter nicht allein überleben. Ich muss es ihnen erklären, und sie nach der Eiablage hierher einladen, um zu sehen, ob sie weiter leben, als bis zum achten Mond. Am nächsten Morgen fliegen sie ab, und versprechen wiederzukommen.

      Hedwig hat es sehr gefasst aufgenommen.

      „Was kann uns schon Schlimmes passieren, wir würden sowieso bald sterben. Wenn es stimmt, was Du sagst, habe ich vielleicht die Chance, eines meiner fünf Kinder, oder sogar alle, zu sehen. Das ist noch keinem Hirschkäfer je gelungen. Also mach Dir keine Sorgen um uns, wir werden einfach wiederkommen und abwarten, zu essen habt ihr ja genug.“ Danach erheben sie sich in die Luft. Wir blicken den Beiden nach, bis sie nicht mehr zu sehen sind.

      Ich hoffe beinahe, das der See auch bei ihnen eine Lebensverlängerung bewirkt, es gibt nur noch so wenige von ihnen. In den vielen Tagen meines Lebens, waren das die ersten Hirschkäfer, die ich je gesehen habe. Selbst Hedwig hat, außer Wolfram, nie einen ihrer Artgenossen getroffen. Sie dürfen nicht aussterben, das ist einfach nicht richtig.

      *

      Wir beseitigten die Verheerungen des Sturmes, so gut es geht. Dabei bekommen wir unerwartete Hilfe. Die Menschen räumen die großen Gegenstände weg, die am und im See liegen, schneiden die umgeknickten Pflanzen ab und klopfen die Palisaden fest.