Die Unterkünfte sind unterschiedlich groß, von der einzelnen Maus bis zu ganzen Familien kann man hier Viele unterbringen. Bis jetzt habe ich schon zweiunddreißig Höhlen gezählt.
Der Gang macht hier eine Biegung nach links, Richtung Osten. Ich laufe weiter und stelle fest, dass die Luft immer noch sehr gut ist, was ich verwunderlich finde. Plötzlich fällt mir auf, dass ich ab und zu einen Lufthauch spüre, der über mein Fell streicht. Irgendwo hier unten muss es Belüftungsschächte geben, auch wenn ich sie noch nicht gesehen habe. Seit der Gang nach Osten abgebogen ist, gibt es keine Höhlen mehr, komisch, irgendwie dachte ich immer das Angebot an Wohnraum sei hier unbegrenzt. Offensichtlich habe ich mich geirrt. Jetzt biegt der Gang nach Süden ab und führt tiefer ins Erdreich hinein. Der Boden ist abfallend, nicht sehr stark, aber ich fühle es deutlich beim Gehen. Obwohl es bis jetzt keine andere Möglichkeit gegeben hat, als dem Gang zu folgen, setzte ich doch aus alter Gewohnheit meine Markierungen.
Plötzlich endet der Gang und ich stehe direkt an der Mauer, ich schaue mich um, aber der Tunnel führt nirgendwo weiter.
Ich schnüffle etwas herum und bemerke einen metallischen Geruch, das erinnert mich an die Quelle des Lebens, die letzten Herbst von den Menschen zerstört wurde. An der Mauer sind seltsame Zeichen, erst jetzt bemerke ich, dass es nicht ganz dunkel ist, es gibt hier ein grünliches, etwas diffuses Licht. Die Zeichen an der Mauer kommen mir bekannt vor, mir ist, wie wenn ich sie schon einmal gesehen hätte.
Da durchfährt mich ein Gedanke, natürlich in der Höhle der Meditation von Custos. Dort waren über den Durchgängen Bilder angebracht. Eule, Maus, Wespe und Glühkäfer. Hier befinden sich nur Eule und Maus, aber sie sehen genauso aus, wie ich sie in Erinnerung habe. Was bedeutet das?
„Das kann ich Dir vielleicht erklären, Mädchen.“
'Scio, und wie?'
„Vor sehr langer Zeit gab es einen Meister der Magie, der überall in unserem Land verschiedene Artefakte zurückgelassen hat. Die Quelle des Lebens ist eines davon. Man sagt, dass es nicht nur eine lebensspendende Wasserstelle geben soll. Angeblich hat der Meister davon mehrere angelegt, um immer und überall daraus trinken zu können. Das ist allerdings eine wirklich alte Geschichte, Mädchen, man hat sie schon erzählt, als ich noch ein Kind war.“
'Du meinst, hier gibt es auch so etwas wie eine Quelle des Lebens?'
„Möglich wäre es, besonders die Zeichen an der Wand, deuten darauf hin.“
'Das mit der Maus verstehe ich gerade noch, aber Eulen hier unter der Erde?' Schon merkwürdig.
„Nicht merkwürdiger als ein Meister der Magie oder Wasser, welches das Leben verlängert. In der Geschichte heißt es weiter, die vier Zeichen stehen für die vier Elemente, Wasser, Luft, Erde und Feuer. Die Maus steht für Wasser, die Eule für Luft, die Wespen für Erde und die Leuchtkäfer für das Feuer. Ich wage es mal, die Zeichen zu deuten, die da an der Wand stehen. Hier gibt es Luft und Wasser.“
'Du meinst, es ist so simpel.'
„Na ja, Luft gibt es definitiv, Du hast den Luftstrom gefühlt. Und das Wasser, muss hier irgendwo sein. Riechst Du es nicht?“
'Doch, der Geruch hat mich ja an Custos´ Höhle erinnert. Aber ich sehe es nicht. Vielleicht ist es hinter der Mauer.'
„Du denkst, man kann irgendwie hindurch.“
'Ja, dort, wo ich die Zeichen das erste Mal gesehen habe, waren sie über Durchgängen. Custos sagte, sie geben die Richtung an. Der Eule mussten wir folgen, wenn wir die Mauer verlassen wollten und der Maus, wenn wir ihn besuchen wollten.'
„Nun, das kann man auch etwas anders beschreiben, da die Eule für Luft steht, führt sie auch an die frische Luft.“
'Und die Maus steht für Wasser, sie führte zur Quelle,' ergänze ich. Das hört sich richtig an.
'Was ist das eigentlich für ein grünes Glühen?'
„Ach das? Das sind Algen, man findet sie oft in der Nähe von Kupfer im Erdreich, sie leuchten und produzieren Sauerstoff.“
'Das wusste ich nicht. Wie kommen wir jetzt durch die Mauer?'
„Du meinst, wie Du durch die Mauer kommst, ich bin nicht stofflich, das weißt Du doch.“
Ich muss lachen, oft vergesse ich, das Scio nur ein Geist ist.
'Verzeihung, Scio, ein besonderer Geist natürlich.'
„Das will ich meinen!“
Also, wie komme ich jetzt durch diese Mauer? Gibt es vielleicht einen verborgenen Mechanismus?
*
Alexander war wirklich erschrocken, als alles eingestürzt ist, man kam kaum noch durch, die Gänge waren zum Teil verschüttet. Er konnte niemanden sehen, hörte aber panisches Gepfeife. Seine Geschwister waren alle nach draußen gegangen, um die musste er sich keine Sorgen machen.
„Hallo, ist jemand da?“ Er lauschte angestrengt.
Als Antwort kam ein leises, gedämpftes.
„Ich bin hier.“ Das kam eindeutig aus der Erde hinter ihm, er fing sofort an zu graben. Nach kurzer Zeit sah er ein Bein und gleich darauf hatte er eine Maus ausgegraben, es war Karls Tochter, erinnerte er sich, sie hatte ihm gut gefallen. Es dauerte etwas, bis sich ihre Panik gelegt hatte.
„Danke, ich wäre erstickt, wenn Du mir nicht geholfen hättest, ich war eingeklemmt und konnte nicht selbst graben.“
„Kein Problem, Du bist die Tochter von Karl?“
„Ja, Alexandra, und wie heißt Du?“ Sie schaute ihn interessiert an. Er grinste.
„Du wirst es nicht glauben, aber mein Name ist Alexander, ich bin der Sohn von Tabitha und Medicus.“ Sie lachten wegen der ähnlichen Vornamen, dann überlegten sie, wie es weiter gehen sollte.
„Wir müssen die anderen suchen, und dann versuchen uns aus dem Bau heraus zu graben.“ Alexander begann sofort wieder zu rufen, aber er bekam keine Antwort, offensichtlich war keiner in der Nähe verschüttet. Beide lauschten und als sie Pfiffe hörten, begannen sie sich in diese Richtung durchzugraben. Das Erdreich war noch locker und sie kamen schnell in die Haupthöhle zurück.
„Alexandra, MUS sei Dank.“ Karl kam sofort angelaufen, als er seine Tochter sah. Er nahm sie in die Arme und drückte sie an sich.
„Alexander hat mir geholfen, Papa, sonst wäre ich erstickt, ich war eingeklemmt, es war schrecklich.“
Karl durchfuhr es eiskalt, wenn er seine Tochter auch noch verloren hätte, er wagte es gar nicht, sich das auszumalen. Karl wandte sich an Alexander.
„Ich danke Dir, Alexander, ich stehe in Deiner Schuld, dafür, dass Du meine Tochter gerettet hast. Das vergesse ich Dir nie, glaub mir.“ Der wackelte mit den Ohren.
„Das war nur Glück, Karl, das hätte doch jeder gemacht...“ Alexander fand es selbstverständlich, zu helfen, er war nicht umsonst der Sohn der ehemaligen Hohepriesterin.
„Wir müssen alles absuchen, und uns dann hinaus graben, sonst werden alle ersticken. Karl, weißt Du, in welche Richtung wir graben müssen?“ Fragte er.
Karl überlegte kurz. „Ich denke, wir graben in Richtung Osten, von hier aus, schräg nach oben. Da müssten wir am Schnellsten aus dem Bau kommen. Könnt ihr schon anfangen? Dann suche ich unsere Leute zusammen.“
„Hier sind alle, ich habe mich umgehört, der Rest scheint draußen zu sein.“ Tara