»Bei mir besorgt es der Gaul aber nicht!«
»So? Wollen sehen! Habt Ihr Lust, eine Probe zu zeigen?«
»Gern.«
»So kommt! Es ist erst sieben Uhr, und Ihr habt noch eine Stunde Zeit. Wir gehen zu Jim Korner, dem Pferdehändler; der hat einen Rotschimmel, der es Euch schon besorgen wird.«
Wir kehrten in die Stadt zurück und suchten den Pferdehändler auf, bei dem es einen weiten Reithof gab, welcher rings von Stallungen umgeben war. Korner kam selbst herbei und fragte nach unserm Begehr.
»Dieser junge Sir behauptet, daß ihn kein Pferd aus dem Sattel bringe,« antwortete Henry. »Was meint Ihr dazu, Mr. Korner? Wollt Ihr ihn einmal auf Euern Rotschimmel klettern lassen?«
Der Händler maß mich mit prüfendem Blicke, nickte dann befriedigt vor sich hin und antwortete:
»Das Knochengestell scheint gut und elastisch zu sein; übrigens brechen junge Menschen den Hals nicht so leicht wie ältere Leute. Wenn der Gentleman den Schimmel versuchen will, so habe ich nichts dagegen.«
Er gab den betreffenden Befehl, und nach einiger Zeit brachten zwei Knechte das gesattelte Pferd aus dem Stall geführt. Es war höchst unruhig und strebte, sich loszureißen. Meinem alten Mr. Henry wurde Angst um mich; er bat mich, von dem Versuche abzustehen; aber erstens war mir gar nicht bange, und zweitens betrachtete ich die Angelegenheit nun als Ehrensache. Ich ließ mir eine Peitsche geben und Sporen anschnallen; dann schwang ich mich, allerdings nach einigen vergeblichen Versuchen, gegen welche das Pferd sich wehrte, in den Sattel. Kaum saß ich oben, so sprangen die Knechte eilends fort, und der Schimmel tat einen Satz mit allen Vieren in die Luft und einen zweiten zur Seite. Ich behielt den Sattel, obgleich ich noch nicht in den Bügeln war, beeilte mich aber, hineinzukommen. Kaum war dies geschehen, so begann der Gaul, zu bocken; als dies nichts fruchtete, ging er zur Wand, um mich an derselben abzustreifen; die Peitsche aber brachte ihn rasch von derselben fort. Hierauf gab es einen bösen, beinahe für mich gefährlichen Kampf zwischen Reiter und Pferd. Ich bot alles auf, das wenige Geschick und die unzureichende Übung, welche ich damals nur besaß, und die Kraft der Schenkel, die mich schließlich doch zum Sieger machte. Als ich abstieg, zitterten mir die Beine vor Anstrengung; aber das Pferd triefte vor Schweiß und schäumte große, schwere Flocken; es gehorchte nun jedem Drucke und Rucke.
Dem Händler war Angst um sein Pferd geworden; er ließ es in Decken wickeln und langsam hin und her führen; dann wendete er sich an mich:
»Das hätte ich nicht gedacht, junger Mann; ich glaubte, Ihr würdet schon beim ersten Sprung unten liegen. Ihr habt natürlich nichts zu bezahlen, und wenn Ihr mir einen Gefallen tun wollt, so kommt wieder und bringt mir die Bestie vollends zu Verstand. Es soll mir auf zehn Dollars nicht ankommen, denn es ist kein billiges Pferd, und wenn es gehorchen lernt, so mache ich ein Geschäft.«
»Wenn es Euch recht ist, soll es mir ein Vergnügen sein,« antwortete ich.
Henry hatte, seit ich abgestiegen war, noch nichts gesagt, sondern mich nur immer kopfschüttelnd angesehen. Jetzt schlug er die Hände zusammen und rief aus:
»Dieses Greenhorn ist wirklich ein ganz außerordentliches oder vielmehr ungewöhnliches Greenhorn! Hat das Pferd halb tot gedrückt, anstatt sich in den Sand werfen zu lassen! Wer hat Euch das gelehrt, Sir?«
»Der Zufall, der mir einen halbwilden, ungarischen Pußtenhengst, der niemand aufsitzen lassen wollte, zwischen die Beine gab. Ich habe ihn nach und nach bezwungen, dabei aber fast das Leben riskiert.«
»Danke für solche Kreaturen! Da lobe ich mir meinen alten Polsterstuhl, der nichts dagegen hat, wenn ich mich auf ihn setze. Kommt, wir wollen gehen. Es ist mir ganz schwindelig geworden. Aber umsonst habe ich Euch nicht schießen und reiten sehen; darauf könnt Ihr Euch verlassen.«
Wir gingen nach Hause, er zu sich und ich in meine Wohnung. Während dieses und der beiden nächsten Tage ließ er sich nicht sehen, und ich hatte auch keine Gelegenheit, ihn aufzusuchen; aber am darauffolgenden Tage kam er des Nachmittags zu mir; er wußte, daß ich da frei hatte.
»Habt Ihr Lust, einen Spaziergang mit mir zu machen?« fragte er.
»Wohin?«
»Zu einem Gentleman, der Euch gern kennen lernen will.«
»Warum mich?«
»Das könnt Ihr Euch doch denken: weil er noch kein Greenhorn gesehen hat.«
»So gehe ich mit; er soll uns kennen lernen.«
Henry machte heut so ein pfiffiges, unternehmendes Gesicht, und wie ich ihn kannte, hatte er irgend eine Überraschung vor. Wir schlenderten durch einige Straßen und dann führte er mich in ein Bureau, in welches von der Straße aus eine breite Glastür führte. Er nahm den Zutritt so schnell, daß ich die goldenen Lettern, welche auf den Glasscheiben standen, nicht mehr lesen konnte, doch glaubte ich, die beiden Worte Office und surveying gesehen zu haben. Bald stellte es sich heraus, daß ich mich nicht geirrt hatte.
Es saßen drei Herren da, welche ihn sehr freundlich und mich höflich und mit nicht zu verbergender Neugierde empfingen. Karten und Pläne lagen auf den Tischen; dazwischen gab es allerlei Messinstrumente. Wir befanden uns in einem geodätischen Bureau.
Welchen Zweck mein Freund mit diesem Besuche verfolgte, war mir unklar; er hatte keine Bestellung, keine Erkundigung vorzubringen; er schien nur der freundschaftlichen Unterhaltung wegen gekommen zu sein. Diese kam allerdings sehr bald in einen lebhaften Gang, und es konnte nicht auffallen, daß sie sich schließlich auch auf die Gegenstände, welche sich hier befanden, erstreckte; dies war mir lieb, denn da konnte ich mich besser beteiligen, als wenn von amerikanischen Dingen oder Verhältnissen gesprochen worden wäre, die ich noch nicht kannte.
Henry schien sich heut außerordentlich für die Feldmesskunst zu interessieren; er wollte alles wissen, und ich ließ mich gern so tief in das Gespräch ziehen, daß ich endlich immer nur Fragen zu beantworten, den Gebrauch der verschiedenen Instrumente zu erklären und das Zeichnen von Karten und Plänen zu beschreiben hatte. Ich war wirklich ein tüchtiges Greenhorn, denn ich merkte nicht die Absicht heraus. Erst als ich mich über das Wesen und die Unterschiede der Aufnahme durch Koordinaten, der Polar- und Diagonalmethode, der Perimetermessung, des Repetitionsverfahrens, der trigonometrischen Triangulation ausgesprochen hatte und die Bemerkung machte, daß die drei Herren dem Büchsenmacher heimlich zuwinkten, wurde mir die Sache auffällig, und ich stand von meinem Sitz auf, um Henry anzudeuten, daß ich zu gehen wünsche. Er weigerte sich nicht, und wir wurden jetzt auch ich noch freundlicher entlassen, als der Empfang gewesen war.
Als wir dann so weit gegangen waren, daß man uns von dem Bureau aus nicht mehr sehen konnte, blieb Henry stehen, legte mir die Hand auf die Schulter und sagte, indem sein Gesicht in heller Genugtuung leuchtete:
»Sir, Mann, Mensch, Jüngling, Greenhorn, aber habt Ihr mir eine Freude gemacht! Ich bin ja förmlich stolz auf Euch!«
»Warum?«
»Weil Ihr meine Empfehlung und die Erwartung dieser Leute noch übertroffen habt!«
»Empfehlung? Erwartung? Ich verstehe Euch nicht.«
»Ist auch nicht nötig. Die Sache ist aber sehr einfach. Ihr behauptetet kürzlich, etwas von der Feldmesserei zu verstehen, und um zu erfahren, ob dies etwa nur Flunkerei gewesen sei, habe ich Euch zu diesen Gentlemen, die gute Bekannte von mir sind, geführt und Euch von ihnen auf den Zahn fühlen lassen. Es ist ein sehr gesunder Zahn, denn Ihr habt Euch höchst ehrenvoll herausgebissen.«
»Flunkerei? Mr. Henry, wenn Ihr mich solcher Dinge für fähig haltet, werde ich Euch nicht mehr besuchen!«
»Laßt Euch nicht auslachen! Ihr werdet mich alten Kerl doch nicht der Freude berauben, die mir Euer Anblick macht. Wißt schon, wegen der Ähnlichkeit mit