»Nein,« sagte der Junge, »da ist nichts zu bereuen. Ich habe mich nie so wohl gefühlt wie bei euch.«
»Ja, dann mag es so sein, wie du willst,« sagte Akka.
»Hab' Dank!« entgegnete der Junge und fühlte sich so glücklich, daß er vor Freuden weinen mußte, so wie er vorhin vor Kummer geweint hatte.
Glimminghaus
Schwarze Ratten und graue Ratten
Im südöstlichen Schonen, nicht weit vom Meer, liegt eine alte Burg, die Glimminghaus heißt. Sie besteht aus einem einzigen hohen, großen und starken Sandsteingebäude, das meilenweit über die Ebene hin sichtbar ist. Sie ist nicht mehr als vier Stockwerk hoch, aber doch so gewaltig, daß ein gewöhnliches Haus, das daneben liegt, sich wie ein Puppenhaus ausnimmt.
Das große Gebäude hat so dicke Außenmauern und Zwischenwände und Wölbungen, daß in seinem Innern kaum Platz für etwas anderes ist als für die dicken Mauern. Die Treppen sind eng, die Gänge schmal und die Zimmer wenig an Zahl. Um die Mauern nicht ihrer Stärke zu berauben, sind in den oberen Stockwerken nur sehr wenig Fenster angebracht, und in dem untersten überhaupt keine. In den alten kriegerischen Zeiten waren die Leute ebenso froh, wenn sie sich in so ein starkes und mächtiges Haus einschließen konnten, wie wir es jetzt sind, wenn wir bei beißendem Frost in einen warmen Pelz kriechen können; als aber die gute Friedenszeit kam, wollten sie nicht mehr in den dunklen und kalten Steinsälen der alten Burg wohnen. Sie haben längst das große Glimminghaus verlassen und sind in Wohnungen gezogen, die so eingerichtet sind, daß Licht und Luft hineindringen können.
Zu der Zeit, als Nils Holgersson mit den wilden Gänsen herumreiste, wohnten also keine Menschen in Glimminghaus, aber deswegen fehlte es doch nicht an Bewohnern. Auf dem Dach wohnte jeden Sommer ein Storchenpaar in einem großen Nest, auf dem Boden lebten ein paar Horneulen, in den geheimen Gängen hingen Fledermäuse, auf dem Herd in der Küche hatte sich eine alte Katze häuslich niedergelassen, und unten im Keller hielten sich einige Hunderte von den alten schwarzen Ratten auf.
Ratten sind ja sonst nicht gerade sehr angesehen bei den andern Tieren, aber die schwarzen Ratten in Glimminghaus bildeten eine Ausnahme. Von ihnen wurde immer mit Achtung gesprochen, weil sie im Streit mit ihren Feinden unter großen Heimsuchungen, die ihr Volk betroffen, große Tapferkeit und viel Ausdauer an den Tag gelegt hatten. Sie gehörten nämlich einem Rattenvolk an, das einstmals sehr zahlreich und mächtig gewesen war, jetzt aber im Begriff stand, auszusterben. Gar viele Jahre hatten die schwarzen Ratten Schonen und das ganze Land besessen. Sie hausten in jedem Keller, auf jedem Boden, in Scheunen und Schuppen, in Speisekammern und Backstuben, auf Vorwerken und in Ställen, in Kirchen und Burgen, in Brennereien und Mühlen, in jedem Gebäude, das von Menschen errichtet war. Aber nun waren sie von allen diesen Stätten vertrieben und fast ausgerottet. Nur hier und da in einem alten einsamen Gehöft konnte man noch einige von ihnen finden, und nirgends waren sie in so großer Menge vorhanden wie in Glimminghaus.
Wenn ein Tiervolk ausstirbt, pflegen die Menschen in der Regel schuld daran zu sein, aber das war diesmal nicht der Fall. Die Menschen hatten freilich die schwarzen Ratten bekämpft, aber sie hatten nicht vermocht, ihnen nennenswerten Schaden zuzufügen. Überwunden waren sie von einem Tiervolk ihres eigenen Stammes, von den grauen Ratten.
Diese grauen Ratten hatten nicht von Olyms Zeiten her im Lande gewohnt, so wie die schwarzen Ratten. Sie stammten von ein paar armen Einwanderern ab, die vor ungefähr hundert Jahren von einer lybschen Schute aus in Malmö an Land gingen. Es waren zwei heimatlose, verhungerte arme Tiere, die ihr Leben im Hafen selber fristeten, zwischen den Pfählen unter dem Bollwerk herumschwammen und den Abfall fraßen, der ins Wasser geworfen wurde. Sie wagten sich nie in die Stadt hinauf, die im Besitz der schwarzen Ratten war.
Aber nach und nach, als die grauen Ratten an Zahl gewachsen waren, wurden sie dreister. Zu Anfang zogen sie in einige alte verödete Häuser, die heruntergerissen werden sollten und die von den schwarzen Ratten bereits verlassen waren. Sie fanden ihre Nahrung in den Rinnsteinen und Abfallhaufen und nahmen mit all dem Unrat fürlieb, den die schwarzen Ratten verschmähten. Sie waren abgehärtet, genügsam und unerschrocken, und im Laufe von wenigen Jahren waren sie so mächtig geworden, daß sie sich daran machten, die schwarzen Ratten aus Malmö zu verjagen. Sie entrissen ihnen Bodenräume, Keller und Speicher, hungerten sie aus oder bissen sie tot, denn sie waren keineswegs bange vor Krieg.
Und als Malmö genommen war, zogen sie in großen und kleinen Scharen von dannen, um das ganze Land zu erobern. Es ist gar nicht zu verstehen, warum sich die schwarzen Ratten nicht zu einem großen, gemeinsamen Zuge zusammenrotteten und den grauen Ratten den Garaus machten, so lange diese noch in der Minderzahl waren. Aber die schwarzen waren wohl ihrer Macht so sicher, daß sie sich nicht die Möglichkeit denken konnten, sie zu verlieren. Sie saßen still auf ihren Gütern, und währenddessen nahmen die grauen Ratten ihnen ein großes Gehöft nach dem andern, ein Dorf nach dem andern weg. Sie wurden ausgehungert, herausgejagt, ausgerottet. In Schonen hatten sie sich nicht an einem einzigen Ort zu behaupten vermocht, ausgenommen gerade in Glimminghaus.
Das alte steinerne Gebäude hatte so feste Mauern, und es führten so wenige Rattengänge da hindurch, daß es den schwarzen Ratten gelungen war, es zu bewahren und die grauen Ratten am Eindringen zu hindern. Jahr für Jahr, Nacht für Nacht hatte der Streit zwischen Angreifern und Verteidigern gerast, aber die schwarzen Ratten hatten treulich Wache gehalten und mit der größten Todesverachtung gekämpft, und dank dem prächtigen alten Bau hatten sie beständig den Sieg davongetragen.
Es läßt sich nicht leugnen, daß die schwarzen Ratten, so lange sie die Macht besahen, von allen andern lebenden Wesen ebenso verabscheut wurden, wie es heutzutage die grauen Ratten sind. Und mit vollem Recht. Sie warfen sich über arme, gefesselte Gefangene und peinigten sie, sie schwelgten in Leichen, sie stahlen die letzten Rüben in dem Keller des Armen, sie bissen schlafenden Gänsen die Füße ab, stahlen den Hühnern Eier und Küchlein und taten nichts als Böses. Aber nachdem sie ins Unglück geraten, war das alles vergessen, und niemand konnte umhin, die letzten eines Geschlechts zu bewundern, das so lange in seinem Widerstand gegen die Feinde ausgeharrt hatte.
Die grauen Ratten, die in Glimminghaus und seiner nächsten Umgebung wohnten, setzten beständig den Kampf fort und suchten jede passende Gelegenheit zu benutzen, um sich der Burg zu bemächtigen. Man hätte meinen sollen, sie hätten der kleinen Schar schwarzer Ratten Glimminghaus gern friedlich überlassen können, da sie ja nun selber das ganze übrige Land erobert hatten. Aber das fiel ihnen nicht ein. Sie pflegten zu sagen, es sei eine Ehrensache für sie, die schwarzen Ratten endlich zu besiegen. Wer aber die grauen Ratten kannte, wußte sehr wohl, daß es einen andern Grund hatte: Sie fanden nur darum keine Ruhe, ehe sie Glimminghaus erobert hatten, weil die alte Burg von den Menschen als Kornspeicher benutzt wurde.
Der Storch
Montag, den 28. März
Eines Morgens, ganz in der Frühe, erwachten die wilden Gänse, die draußen auf dem Bombsee auf dem Eise standen und schliefen, durch laute Rufe oben aus der Luft herab. »Triap! Triap!« klang es. »Triamut, der Kranich, läßt Akka, die wilde Gans, und ihre Schar grüßen. Morgen findet der große Kranichtanz auf Kullaberg statt.«
Akka machte einen langen Hals und antwortete: »Gruß und Dank! Gruß und Dank!«
Dann zogen die Kraniche weiter, die wilden Gänse aber konnten noch lange hören, wie sie flogen und ihre Botschaft über jedes Feld und jeden Waldhügel hinausriefen: »Triamut läßt grüßen. Morgen findet der große Kranichtanz auf Kullaberg statt!«
Die wilden Gänse waren sehr erfreut über diese Nachricht. »Das ist wirklich ein Glück,« sagten sie zu dem weißen Gänserich, »daß