Geschichten aus dem Kopf gepurzelt. Martina Raguse. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martina Raguse
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752998054
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Jeder für sich leben und sein eigenes Universum bauen, eine eigene Wirklichkeit mit einer riesen Mauer um sich herum leben. Doof ist nur, der Mandelkern, der Terrorist in unserem Gehirn, hat längst die Macht übernommen, wir werden alle sterben!

       Rentnerinnenblues

      

      Nicht mehr lange…

      Dann tanze ich den Rentnerinnenblues.

      Ich habe noch nie wirklich gerne getanzt, und jetzt das!

      Hey, haltet das Zeitrad an, sofort!

      Ich bin noch nicht so weit, ich bin noch nicht bereit.

      Soeben war ich noch 14. Schon damals habe ich mich überall gesucht. Verflucht! Ich bin noch nicht so weit.

      Damals, damals ist relativ. Die Melodie meines Lebens hat sich verändert, ist ruhiger, stimmiger geworden und ein wenig leiser.

      Ich höre die Zeit in ihrem eigenen Rhythmus ticken, ihr harter kalter Lauf sitzt mir im Nacken.

      Rentnerinnenblues, ich höre deine Melodie.

      Sie spielt mir das Lied vom Tod.

      Plötzlich wird es ganz still um mich herum, die Musik ruht, und ich bin tot, mausetot.

      Wie soll das auch klingen? Marmor, Stein und Eisen bricht…? Ich höre nichts. Wie fühlt sich das tot sein an? Wie fühlt es sich an, nicht mehr da zu sein? Wie eine Geburt? Ich kann mich nicht erinnern, an meine Geburt.

      Halt! Ich bin noch nicht soweit, ich bin noch nicht bereit!

      Als Mutti ging, hörte es sich an wie eine Posaune, die nicht mehr richtig spielen kann. Die Kraft der Bläserin ist verstummt …

      … in diesem Leben.

      Ich bin vergesslich geworden.

      Die Zeit nimmt mir meine Erinnerungen.

      Die Schlechten bitte zuerst, sie dürfen mit all ihren Wunden und ihren miesen Klängen verschwinden.

      Die schönen Erinnerungen sollen bleiben, ich will von ihnen ein Potpourri schreiben und ihnen die Flötentöne beibringen, die leisen feinen weichen.

      Sie hinterlassen im Mund ein schokoladiges Gefühl am Nippelchen, Vollmilch/Nuss.

      Ich nehme sie mit, ob das wohl geht? Jenseits von Gut und Böse?

      Ich sterbe, ich steige aus! Raus aus meinem Körper, er war nie wirklich Rock and Roll … nur ab und zu …

      Soll ich das Gesamtpaket entsorgen? Nein, mein Geist tanzt wild in allen Gassen, hat mich bis heute nicht verlassen … bis heute …

      Achtung, Achtung, bitte alle beweglichen Teile den Musikraum verlassen! Der Konzertraum leert sich.

      Oh je, da ist ja noch die Seele, ich höre mimimieeeh. Die erste Geige spielte sie nie. Sie war immer ein wenig ängstlich, zerbrechlich und zart, wie das Mädchen an der Harfe, das ist ihre Art.

      Mein Geist hingegen, zeigt sich stark und verwegen, ein echter Kontrabass eben. Doch dem Tod schaut er auch eher ängstlich entgegen.

      Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus.

      So kann ich das Ganze ja auch mal sehen.

      Im Hier und Jetzt, in diesem Leben, bereite ich mich vor, auf das finale Konzert hinter dem Tor.

      Nie hatte ich Angst zu versagen, doch hier im stillen Kämmerlein wird die große Bluestänzerin demütig klein.

      Was habe ich hier noch zu tun, den schrägen Tanz der Lebenden tangieren? Ich schaue zu, seh ihr Bestreben, Schrittfolgen passen nicht zu mir, ich war und bin kein Herdentier.

      Die Welt, sie brennt an vielen Plätzen, kein Raum für schöne Melodien, Menschen fliehn.

      Und ich – ich fliehe auch – vor mir, vor Dir, vor dem Gruseln im Bauch.

      Die Hoffnung stirbt zuletzt, höre ich mich brummen, summen, verstummen. Ich kann sie nicht retten, sie hurt in den Betten der Ignoranz, während ich meinen Rentnerinnen- blues tanz.

      Am liebsten würde ich sie alle verkloppen, wie mit 14, seht her, ich weiß schon wie das Leben geht!

      Mit Paukenschlag und Trommelwirbel bereite ich mich vor.

      Am Rande steht der Tod und flüstert mir ins Ohr.

      Hab keine Angst vor mir, ich war schon immer hier, gleich neben Dir. Denn ohne mich gäb es das Leben nicht.

      Der Tod ist mein Damoklesschwert, ich bin noch nicht so weit.

      So tanze ich ganz königlich den Rentnerinnenblues.

       Flaschenpost

      

      Ist der Sinn des Lebens, volle Flaschen leer zu kriegen oder leere Flaschen zu füllen?

      Eine volle Flasche hat den Nachteil, dass nichts mehr rein passt.

      Versuchen wir es trotzdem, läuft alles über, und wir haben eine Riesensauerei.

      Je nach Inhalt kann das wirklich eklig werden und so sichtbar.

      Wer will schon sein Leben hingerotzt auf einer bestickten Tischdecke betrachten?

      Andererseits ist es dann greifbar und kann bei Bedarf aufgesaugt werden.

      Die leere Flasche zu füllen wirft ganz andere Fragen auf.

      Was soll rein, wie viel soll rein, Festes oder Flüssiges…

      Machen wir das Ding einfach halbvoll, Stopfen drauf und ab ins Meer.

      Irgendwer freut sich über eine Flaschenpost.

       Coronawatte im Kopf

      So langsam spüre auch ich die Auswirkungen des Kontaktverbotes, Covid 19 Syndrom.

      In mir ist Ruhe, keine Aufgeregtheit lässt meinen Kreislauf erwachen, keine Spannung erfrischt die Bauchmuskulatur.

      Stille … - manchmal genieße ich sie, nach einem Tag oder Stunden in Gesellschaft, dann liebe ich ihre Anwesenheit, umarme sie, wie eine sehr gute Freundin.

      Aber jetzt, jetzt macht sie mich einsam, diese Stille, auf Dauer wird sie laut, schreit mich an, will mich besitzen, erst subtil, dann immer penetranter.

      Ich bin nicht abgeneigt, ihr zu folgen, sie lockt mich, wie es die Schlange Ka mit Mogli tut.

      Ich möchte ihr folgen, in einer ungewissen Zukunft als Eremitin leben.

      Wie würde mir Einsamkeit zu Gesicht stehen? Finde ich das Göttliche in mir oder schrumpfe ich zusammen, wie eine vertrocknete Rosine?

      Beides ist möglich, frag den Dalai Lama. Ich glaube, er würde mir raten, nicht in Kausalitäten zu denken und schon gar nicht zu leben. Mal bin ich Eremit, mal eine vertrocknete Rosine, mal erlebe ich das Göttliche in mir, mal meine Bedürftigkeit.

      Gelegentlich schmeckt eine vertrocknete Rosine göttlich süß. Es macht Sinn, der Einsamkeit zu folgen und mit ihr die Süße des Lebens zu entdecken.

      Nehmen wir ihr den schlechten Ruf.

       Sei bitte nicht so nett zu mir!

      

      Ich möchte das nicht. Ich weiß genau, wie es sich anfühlt, wenn man nur dann etwas bekommt, wenn man vorher etwas gibt oder nachher oder immer wieder. Na ja, Bekommen ist hier vielleicht auch etwas übertrieben, es ist ja nie genug.

      Ich bin eine Geberin, fühle mich wohl, wenn andere Menschen sich freuen. Hoffentlich begegne ich nicht so einer wie mir. Das wäre mir zu stressig. Ich bekomme ein Geschenk oder nur ein freundliches Lächeln


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