Die Maus sah sie etwas neugierig an und schien ihr mit dem einen Auge zu blinzeln; aber sie sagte nichts.
»Vielleicht versteht sie nicht Englisch,« dachte Alice, »es ist vielleicht eine französische Maus, die mit Wilhelm dem Eroberer herüber gekommen ist« (denn, trotz ihrer Geschichtskenntnis hatte Alice keinen ganz klaren Begriff, wie lange irgend ein Ereignis her sei): Sie fing also wieder an: »Où est ma chatte?«, was der erste Satz in ihrem französischen Konversationsbuch war. Die Maus sprang hoch auf aus dem Wasser, und schien vor Angst am ganzen Leibe zu beben. »O, ich bitte um Verzeihung!«, rief Alice schnell, erschrocken, dass sie das arme Tier verletzt habe. »Ich hatte ganz vergessen, dass Sie Katzen nicht mögen.«
»Katzen nicht mögen!«, schrie die Maus mit kreischender, wütender Stimme. »Würdest du Katzen mögen, wenn du an meiner Stelle wärest?«
»Nein, wohl kaum,« sagte Alice in zuredendem Tone: »sei nicht mehr böse darüber. Und doch möchte ich dir unsere Katze Dinah zeigen können. Ich glaube, du würdest Geschmack für Katzen bekommen, wenn du sie nur sehen könntest. Sie ist ein so liebes ruhiges Tier,« sprach Alice fort, halb zu sich selbst, wie sie gemütlich im Pfuhle daherschwamm; »sie sitzt und spinnt so nett beim Feuer, leckt sich die Pfoten und wäscht sich das Schnäuzchen – und sie ist solch famoser Mäusefänger – oh, ich bitte um Verzeihung!« sagte Alice wieder, denn diesmal sträubte sich das ganze Fell der armen Maus, und Alice dachte, sie müßte sicherlich sehr beleidigt sein. »Wir wollen nicht mehr davon reden, wenn du es nicht gern hast.«
»Wir, wirklich!«, entgegnete die Maus, die bis zur Schwanzspitze zitterte. »Als ob ich je über solchen Gegenstand spräche! Unsere Familie hat von jeher Katzen verabscheut: häßliche, niedrige, gemeine Dinger! Laß mich ihren Namen nicht wieder hören!«
»Nein, gewiß nicht!«, sagte Alice, eifrig bemüht, einen andern Gegenstand der Unterhaltung zu suchen. »Magst du – magst du gern Hunde?« Die Maus antwortete nicht, daher fuhr Alice eifrig fort: »Es wohnt ein so reizender kleiner Hund nicht weit von unserm Hause. Den möchte ich dir zeigen können! Ein kleiner klaräugiger Wachtelhund, weißt du, ach, mit solch krausem braunen Fell! Und er apportiert alles, was man ihm hinwirft, und er kann aufrecht stehen und um sein Essen betteln, und so viel Kunststücke – ich kann mich kaum auf die Hälfte besinnen – und er gehört einem Amtmann, weißt du, und er sagt, er ist so nützlich, er ist ihm hundert Pfund wert! Er sagt, er vertilgt alle Ratten und – oh wie dumm!«, sagte Alice in reumütigem Tone. »Ich fürchte, ich habe ihr wieder weh getan!« Denn die Maus schwamm so schnell sie konnte von ihr fort und brachte den Pfuhl dadurch in förmliche Bewegung.
Sie rief ihr daher zärtlich nach: »Liebes Mäuschen! Komm wieder zurück, und wir wollen weder von Katzen noch von Hunden reden, wenn du sie nicht gern hast!« Als die Maus das hörte, wandte sie sich um und schwamm langsam zu ihr zurück; ihr Gesicht war ganz blass (vor Ärger, dachte Alice), und sie sagte mit leiser, zitternder Stimme: »Komm mit mir an's Ufer, da will ich dir meine Geschichte erzählen; dann wirst du begreifen, warum ich Katzen und Hunde nicht leiden kann.«
Es war hohe Zeit sich fortzumachen; denn der Pfuhl begann von allerlei Vögeln und Getier zu wimmeln, die hinein gefallen waren: Da war eine Ente und ein Dodo, ein roter Papagei und ein junger Adler, und mehrere andere merkwürdige Geschöpfe. Alice führte sie an, und die ganze Gesellschaft schwamm an's Ufer.
Drittes Kapitel
Caucus-Rennen und was daraus wird
Es war in der Tat eine wunderliche Gesellschaft, die sich am Strande versammelte – die Vögel mit triefenden Federn, die übrigen Tiere mit fest anliegendem Fell, alle durch und durch nass, verstimmt und unbehaglich. –
Die erste Frage war, wie sie sich trocknen könnten: es wurde eine Beratung darüber gehalten, und nach wenigen Minuten kam es Alice ganz natürlich vor, vertraulich mit ihnen zu schwatzen, als ob sie sie ihr ganzes Leben gekannt hätte. Sie hatte sogar eine lange Auseinandersetzung mit dem Papagei, der zuletzt brummig wurde und nur noch sagte: »ich bin älter als du und muß es besser wissen;« dies wollte Alice nicht zugeben und fragte nach seinem Alter, und da der Papagei es durchaus nicht sagen wollte, so blieb die Sache unentschieden.
Endlich rief die Maus, welche eine Person von Gewicht unter ihnen zu sein schien: »Setzt euch, ihr alle, und hört mir zu! ich will euch bald genug trocken machen!« Alle setzten sich sogleich in einen großen Kreis nieder, die Maus in der Mitte. Alice hatte die Augen erwartungsvoll auf sie gerichtet, denn sie war überzeugt, sie werde sich entsetzlich erkälten, wenn sie nicht sehr bald trocken würde.
»Hm!«, sagte die Maus mit wichtiger Miene, »seid ihr alle so weit? Es ist das Trockenste, worauf ich mich besinnen kann. Alle still, wenn ich bitten darf! – Wilhelm der Eroberer, dessen Ansprüche vom Papst begünstigt wurden, fand bald Anhang unter den Engländern, die einen Anführer brauchten, und die in jener Zeit sehr an Usurpation und Eroberungen gewöhnt waren. Edwin und Morcar, Grafen von Mercia und Northumbria –«
»Ooooh!«, gähnte der Papagei und schüttelte sich.
»Bitte um Verzeihung!«, sprach die Maus mit gerunzelter Stirne, aber sehr höflich; »bemerkten Sie etwas?«
»Ich nicht!«, erwiderte schnell der Papagei.
»Es kam mir so vor,« sagte die Maus. – »Ich fahre fort: Edwin und Morcar, Grafen von Mercia und Northumbria, erklärten sich für ihn; und selbst Stigand, der patriotische Erzbischof von Canterbury fand es ratsam –«
»Fand was?«, unterbrach die Ente.
»Fand es,« antwortete die Maus ziemlich aufgebracht: »du wirst doch wohl wissen, was es bedeutet.«
»Ich weiß sehr wohl, was es bedeutet, wenn ich etwas finde,« sagte die Ente: »es ist gewöhnlich ein Frosch oder ein Wurm. Die Frage ist, was fand der Erzbischof?«
Die Maus beachtete die Frage nicht, sondern fuhr hastig fort: – »fand es ratsam, von Edgar Atheling begleitet, Wilhelm entgegen zu gehen und ihm die Krone anzubieten. Wilhelms Benehmen war zuerst gemäßigt, aber die Unverschämtheit seiner Normannen – wie steht's jetzt, Liebe?«, fuhr sie fort, sich an Alice wendend.
»Noch ganz eben so naß,« sagte Alice schwermütig; »es scheint mich gar nicht trocken zu machen.«
»In dem Fall,« sagte der Dodo feierlich, indem er sich erhob, »stelle ich den Antrag, dass die Versammlung sich vertage und zur unmittelbaren Anwendung von wirksameren Mitteln schreite.«
»Sprich deutlich!«, sagte der Adler. »Ich verstehe den Sinn von deinen langen Wörtern nicht, und ich wette, du auch nicht!« Und der Adler bückte sich, um ein Lächeln zu verbergen; einige der andern Vögel kicherten hörbar.
»Was ich sagen wollte,« sprach der Dodo in gereiztem Tone, »war, dass das beste Mittel uns zu trocknen ein Caucus-Rennen wäre.«
»Was ist ein Caucus-Rennen?«, fragte Alice, nicht dass ihr viel daran lag es zu wissen; aber der Dodo hatte angehalten, als ob er eine Frage erwartete, und Niemand anders schien aufgelegt zu reden.
»Nun,« meinte der Dodo, »die beste Art, es zu erklären, ist, es zu spielen.« (Und da ihr vielleicht das Spiel selbst einen Winter-Nachmittag versuchen möchtet, so will ich erzählen, wie der Dodo es anfing.)
Erst bezeichnete er die Bahn, eine Art Kreis (»es kommt nicht genau auf die Form an,« sagte er), und dann wurde die ganze Gesellschaft hier und da auf der Bahn aufgestellt. Es wurde kein: »eins, zwei, drei, fort!«, gezählt, sondern sie fingen an zu laufen, wenn