Bauern, Bonzen und Bomben. Ханс Фаллада. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ханс Фаллада
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752994957
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der vor einigen Minuten mit dem Wachtmeister in die Nähe trat und zuhörend stehenblieb.

      Der Bauer sieht ihm einen Augenblick nach, dann zum Himmel hoch, dann auf die Gesichter um sich.

      »Also fahren wir«, sagt er und steigt in den Wagen.

       12

      Gefängnisdirektor Greve und Bürgermeister Gareis schütteln einander die Hand, kühl und doch vertraut.

      Der Direktor sagt lächelnd: »Wo Sie hinkommen, Herr Bürgermeister, schlichtet sich das Widerhaarige, das Unebene wird glatt. Nun, jedenfalls haben Sie mir einen großen Dienst getan, es wäre nicht angenehm gewesen, gegen den Mann Gewalt anzuwenden.«

      »Wie macht er sich denn?«

      »Gott, was soll man sagen, nach den paar Tagen! Alle diese Leute sind ja ein Problem. Behandelt man sie so oder so: allemal wird ein Märtyrer daraus. Also behandle ich sie gar nicht.«

      »Und er ist nicht aufsässig?«

      »Nein, noch nicht.«

      »Und was werden Sie später mit ihm machen, wenn er erst verurteilt ist? Tüten kleben? Matten flechten? Netze stricken?«

      Der Direktor zögert: »Ich weiß noch nicht. Es bleibt kaum was anderes.«

      »Aber Sie haben eine Gartenarbeiterkolonne?«

      »Ja, mein Lieber, aber da gibt es Vorschriften. Zur Gartenarbeit darf ich nur Leute abordnen, die mindestens ein halbes Jahr Strafhaft sich einwandfrei geführt haben. Gartenarbeit ist Belohnung.«

      »Ich würde da ein Auge zudrücken.«

      »Ich nicht. Ich danke, mein lieber Herr Gareis. Zu Anfang macht man in meinem Beruf mal Ausnahmen. Aber das läßt man rasch. Nicht nur, weil keiner dem andern so sehr Vergünstigungen mißgönnt wie der Gefangene selbst. Auch dem Wachtpersonal ist nichts recht und die sind die ersten, die bei der Vollzugsbehörde Klage führen. Grade auch Ihre Leute aus der Partei, Herr Bürgermeister.«

      »Ja, gewiß. Es gibt immer Übereifrige. Dabei fällt mir ein ...«

      Die Herren bleiben stehen. Gareis taucht in die Tasche seines Jacketts und holt ein Stück Papier hervor, einen Brief, wie sich zeigt.

      »Das hat auch ein Übereifriger auf meinen Tisch gelegt, anonym natürlich, und es stammt aus Ihrem Haus, Herr Direktor.«

      Der Direktor entfaltet den Brief. Es ist ein Schreiben auf den Vordrucken des Gefängnisses mit Zellennummer und Absendernamen. Absender ist der Untersuchungsgefangene Franz Reimers. Zelle U 317. Es ist kein unwichtiges Schreiben, nein, es ist ein Brief, der den Direktor sehr interessiert. Reimers gibt aus der Haft heraus einem gewissen Georg Anweisungen für die Demonstration am Montag. »Filmapparate, Geldsammlungen. Sich nicht schrecken lassen. Kalter Hohn. Wir müssen zur Macht, diese Regierung ist unmöglich.«

      »Nun ja«, sagt der Direktor. »Dies ist auch als Brief nicht uninteressant. Interessanter ist freilich die Frage, wie dieser Brief statt auf meinen auf Ihren Schreibtisch kam.«

      »Es scheint«, sagt der Bürgermeister, »ein Original zu sein. Den Empfänger hat der Brief also nicht erreicht. Sie müßten feststellen, Herr Direktor, wo dieser Brief in Ihrem Betrieb verschwand.«

      »Er trägt keinen Zensurvermerk. Ist also nicht in die Büros gekommen. Entweder hat ihn ein Wachtmeister unterschlagen oder ein Gefangener hat ihn gestohlen. Es gibt viele Möglichkeiten. Leichter wäre es vielleicht festzustellen, wer ihn auf Ihren Schreibtisch legte.«

      »Er kam mit der Post. In einem gewöhnlichen, an mich persönlich adressierten Umschlag. Heute morgen.«

      »Und der Umschlag? Haben Sie ihn vielleicht auch hier?«

      »Nein. Eine Schreibmaschinenschrift. Daraus ist nichts zu sehen.«

      Eine Pause entsteht.

      »Jedenfalls muß ich der Sache nachgehen. Es ist schon wieder eine bildschöne Schweinerei. Ich sage Ihnen, dieses ganze Haus, gedrängt voll Menschen, ist eine einzige Hölle von Lügen, Missgunst, Verrat, Unzucht, Neid. Hier«, sagt er und lächelt trübe, »bessern wir die Gefährdeten.«

      »Und Sie werden den Brief dem Empfänger noch zustellen?«

      »Sicher. Da er unversehrt in meine Hände gelegt ist?«

      »Es bleibt die Möglichkeit, daß der Dieb sich eine Abschrift nahm.«

      »Was sollte er damit? Hat es viel Sinn? Empfänger ist ein Georg Henning auf Bandekow-Ausbau. Mir ganz unbekannt.«

      »Ein Bauer«, rät der Bürgermeister.

      »Sicher ein Bauer. Also es bleibt mir, Ihnen ein zweites Mal zu danken.«

      »Sie können rasch mit mir quitt werden, Herr Greve. Ich habe den Wunsch, einen gewissen Tredup, der heute nacht ins Untersuchungsgefängnis eingeliefert wurde, einen Augenblick zu sprechen.«

      Der Direktor verzieht sein Gesicht: »Sie wissen, Herr Bürgermeister, es liegt außer meiner Kompetenz. Untersuchungsgefangene dürfen nur mit Erlaubnis des Untersuchungsrichters gesprochen werden.«

      »Es handelt sich um den Übereifer eines meiner Kriminalbeamten. Es ist ein Irrtum, den ich in zehn Worten aufklären kann. Es ist ein menschlich bedauerlicher Fall. Frau und zwei Kinder des Verhafteten vergehen vor Angst.«

      Der Direktor: »Warum wenden Sie sich nicht an den Untersuchungsrichter?«

      »Es lag außer meiner Kompetenz, Reimers zum Abtransport zuzureden, Herr Direktor. Es lag außer meiner Kompetenz, Ihnen diesen Brief zurückzubringen.«

      »Ich weiß. Ich weiß. Ich bin Ihnen auch sehr dankbar.«

      »Das ist ein Wort. Sie sind kein Mann der Redensarten ...«

      »Nein. Aber Sie ahnen nicht, wie diese blödsinnige Bombe bis nach Berlin erregt hat. Rund um Ihren Tredup habe ich alle Zellen ausräumen müssen. Unter seinem Fenster steht ein Posten.«

      »Sie könnten der Unterredung beiwohnen, Herr Direktor.«

      »Nein. Auch dann nicht. Ich bin fest entschlossen. Es ist unmöglich. Nein.«

      »Also, dann muß ich verzichten. Armer Tredup, er wird ein paar ungemütliche Tage verleben. – Und im übrigen, also auf Wiedersehen, Herr Direktor.«

      »Auf Wiedersehen, Herr Bürgermeister. – Es tut mir leid. – Warten Sie, ich bringe Sie noch zum Tor.«

      »Ich möchte Sie nicht bemühen, Herr Direktor.«

      »Es ist mir wirklich keine Mühe, Herr Bürgermeister.«

       13

      In seinem Amtszimmer angekommen, setzt sich der Bürgermeister einen Augenblick in seinen Sessel und denkt nach. Er stützt den Kopf in die Hände und bewegt sich nicht. Das große Haus ist totenstill, Bürozeit längst vorbei. Er denkt nach, denkt nach.

      Er hat Wünsche, Hemmungen. Er sieht die Szenen eben wieder vor sich: den Wortwechsel mit Reimers, dann kam der Greve. Der ist von oben gekommen, aus gutem Bürgerhause. Er selbst hat sich seinen Weg von unten bahnen müssen. Wer von unten kommt, darf nicht empfindlich sein gegen Schmutz.

      Der Bürgermeister geht an einen Wandschrank, läßt das Wasser aus dem Leitungshahn in das Becken laufen. Er läßt es lange laufen. Das Geräusch tut ihm gut. Es schläfert seine Gedanken ein, er braucht nicht mehr nachzudenken.

      Dann trinkt er ein Glas Wasser und nun geht er auf und ab, auf und ab, und denkt wieder nach.

      Er hat nie bedingungslos an den Satz geglaubt, daß der Zweck die Mittel heiligt, heute meint er beinahe, daß er nie richtig ist.

      Gleichgültig, er kann nicht mehr umlernen. Was schlimmer ist: er will es nicht mehr.

      Er geht zum Telefon und greift nach dem Hörer.

      Und hebt ihn nicht ab, geht wieder hin und her, lange, lange.