Der Raum war in ein diffuses rotes Licht getaucht, mit schweren Teppichen ausgelegt und irritierend vielen erotischen Bildern ausgestattet.
Hinter dem Tresen stand eine schlanke, überaus hübsche Frau, die ihr mit großen Augen entgegensah.
Es dauerte eine geschlagene Minute, bis Raven sich zu ihr hin geschwankt hatte. Die Stöckelschuhe auf den Teppichen trugen ihren Teil dazu bei. Dann beugte sie sich vor, so dass die junge Frau ihren Atem zu spüren bekam und lallte:
„Ich will zu meinem Mann. Und zwar jetzt. Sofort! Unverzüglich!“
Die Frau schluckte.
„Äh, es tut mir leid, aber ich fürchte, da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen.“
„Red‘ keinen Blödsinn! Charles ist hier. Das weiß ich genau.“
Raven richtete sich auf und hob den Kopf:
„Charles! Komm sofort zu mir. Ich weiß genau, dass du hier bist“, brüllte sie in ihrer größtmöglichen Lautstärke. Die junge Frau schob nervös ihre Hand unter den Tresen.
Raven sah sie mit einem leicht dämlichen Grinsen an.
„Ich weiß, wie ich ihn finde. Jazz, such! Such Charles.“
Ein kaum sichtbarer Fingerwink reichte, um Jazz in den Korridor zu schicken, der sich rechts von ihnen auftat.
„Er hat eine Spur“, schrie sie beglückt und torkelte hinterher. „Charles! Es hat keinen Zweck sich zu verstecken. Ich werde dich finden!“
Sie kam gerade mal bis zur Treppe, als ein hochgewachsener Mann sie einholte und sich ihr in den Weg stellte.
„Madam“, lächelte er sie an, was allerdings ziemlich gezwungen wirkte. „Sie können hier nicht einfach durch das Haus laufen. Das ist Privatbesitz.“
„Scheiß drauf“, lallte sie. „Ich will meinen Charles zurück. Ich weiß genau, dass er sich hier mit einer Nutte vergnügen will. Dabei ist heute unser fünfter Hochzeitstag! Wissen Sie, was das heißt? Fünf Jahre opfere ich mich für ihn auf und dann rennt er ausgerechnet heute in einen Puff! Aus dem Weg. Jazz wird ihn finden.“
Sie torkelte auf ihn zu und als er nach ihr griff, stolperte sie unter ihm hindurch.
„Diese verdammten Schuhe“, schimpfte sie und richtete sich wieder auf, um zielstrebig und flott die Stufen hinauf zu torkeln. Der Mann folgte ihr fluchend, doch jedes Mal, wenn er nach ihr griff, stolperte oder schwankte sie zur Seite.
„Jazz, such diesen verdammten Kerl. Such Charles. Du Guter. Ja, such ihn!“
Ein weiterer Mann tauchte vor ihr auf. Groß und eindeutig Rausschmeißer Qualität.
Raven kicherte.
„Holla, lauter hübsche Männer. Und ich dachte, ich bin in einem Puff.“
Sie drehte sich mit Schwung herum und ihr Ellbogen wischte wie zufällig in den Magen des anderen Mannes, der gerade hinter ihr stehengeblieben war.
„Ups!“, lallte sie und torkelte so ungeschickt zurück, dass ihr Stöckelabsatz sich in das Schienbein des Zweiten bohrte. Sein Aufstöhnen ließ sie wieder herumfahren, weshalb sie seinem beherzten Zugriff entging.
„Oh, Jazz, du Guter, hast du ihn gefunden?“
Sie glitt mit einem Stolpern an ihm vorbei und eilte die Treppe weiter hinauf, wo Jazz hechelnd auf sie wartete. Die beiden Männer folgten ihr fluchend. Sie erwischten sie am obersten Treppenabsatz.
„Huch“, schrie Raven, als sich zwei Männerhände um ihre Taille legten.
Wieder knickte sie zur Seite, doch dieses Mal ließ er nicht los. Mit einem strahlenden Lächeln drehte sie den Kopf zu ihm hin.
„Danke“, flötete sie. „Sie haben mich vor einem Sturz bewahrt. Das ist wirklich sehr aufmerksam. – Sie - oh Mann, Sie sehen wirklich gut aus! Sind das echte Muskeln? Ha, davon könnte sich Charles ’ne Menge abschneiden. Dieses Weichei weiß ja noch nicht einmal wie eine Hantel aussieht!“
Sie drängte sich ihm so unwillkürlich entgegen, dass er mit einem Fluch nach hinten stolperte, ohne sie loszulassen. Gemeinsam fielen sie gegen den zweiten Mann und polterten mit lautem Getöse die Treppe hinunter.
Dort erschienen inzwischen zwei weitere Männer, die zunächst zurücksprangen, als die drei Gestalten unten ankamen. Raven schaffte es, sich beim Aufstehen mit dem Ellbogen in den Kronjuwelen des einen abzustützen und ihr Knie auf dem Kinn des anderen zu platzieren. Dann strebte sie schwankend wieder der Treppe entgegen.
„Jazz, hast du den verdammten Kerl gefunden?“, brüllte sie. Die beiden anderen Männer schafften es, sie von hinten an den Armen zu ergreifen und von der Treppe fortzuziehen.
„Was soll das?“, keifte sie. „Ich muss doch Charles finden. Diesen untreuen, wabbeligen Mistkerl.“
„Madam, wir müssen Sie leider nach draußen bringen.“
Der Mann, der das sagte, wirkte etwas angewidert. Vermutlich lag das an ihrem Geruch.
„Sie können nicht einfach durch das Haus laufen. Und bitte seien Sie leiser. Sie stören unsere Gäste!“
„Mein Mann ist hier Gast“, schimpfte sie empört. „Ich gehe nicht ohne ihn. – Charles! Du Hurensohn!“
Ihr Gebrüll ließ die Männer zusammenzucken, während sie Raven zur Tür zerrten. Durch diese trat gerade ein Mann, der erschrocken zu ihr hinblickte.
„Zu Hilfe“, schrie Raven. „Helfen Sie mir, diese Kerle tun mir weh!“
Er sah erschrocken auf die Männer und öffnete den Mund.
„Also, das ist nicht gut“, begann er. „Warum bedrängen Sie die Dame so? Ist das hier so Sitte?“
„Nein“, knurrte einer der Rausschmeißer. „Wir entfernen nur einen Störenfried.“
„Das ist ja wohl die Höhe“, keifte Raven und trat mit ihrem Stöckelschuh fest auf seinen Fuß.
Er schrie vor Schmerz auf und Raven konnte sich tatsächlich losreißen.
„Außerdem gehe ich nicht ohne Jazz“, lallte sie. „Jazz, schnapp dir Charles Eier! Bring sie mir!“
Das wiederum schrie sie. Dabei schlug sie unkoordiniert auf den anderen Rausschmeißer ein, so dass er Schwierigkeiten hatte, ihre Hände festzuhalten.
Der Kunde trat schockiert zur Seite. Ein schneller Blick zum Empfang, dann drehte er sich um und verließ fluchtartig das Haus.
Lautes Gebell ließ die anderen Männer an der Treppe fluchend nach oben rennen.
„Jazz“, brüllte Raven. „Komm zu Frauchen.“
Ihr Pfiff war so laut, dass der Kopf ihres Gegners zurückzuckte. Nur wenige Sekunden später raste der schwarze große Hund die Treppe herunter. Die beiden Männer konnten gerade noch zur Seite springen und kamen wieder ins Straucheln. Beinahe taten sie Raven leid, als sie erneut die Stufen herunterkrachten. Diesmal war es Gott sei Dank nicht allzu tief. Aber mit Sicherheit besaßen sie einige schmerzhafte blaue Flecken mehr.
Jazz sprintete auf Raven zu, so dass der Rausschmeißer große Augen bekam und mit einem Fluch zurücksprang.
„Jazz“, schrie Raven überglücklich und breitete die Arme aus. „Du mein einzig treuer Freund.“
Jazz sprang sie an und warf sie um, so wie er es gelernt hatte. Raven rollte sich geschickt ab, blieb dann aber liegen, als täte ihr alles weh.
„Oh du dummer, dummer Hund“, jammerte sie. „Wie kannst du nur so unvorsichtig sein?“
Seine Zunge schleckte ihr übers Gesicht und verwischte die billige Schminke noch mehr.
„Hu“, machte Raven und versuchte sich aufzusetzen. Langsam näherten sich die