Pit Summerby und die Magie des Pentagramms. Hans Günter Hess. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans Günter Hess
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738000382
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Klassenbuch wieder. Ihr Gruß wurde nur von Einigen erwidert. Straff und ohne Kompromisse führte sie die Klasse durch die Literaturstunde. Lessings Fabeln standen auf dem Plan. Die Geschichte vom ‚Fuchs und dem Raben‘ sollte heute tiefgründiger beleuchtet werden. Am Schluss forderte sie Locke auf, herauszuarbeiten, was Lessing den Menschen mittels der Tiersprache wohl sagen wollte.

      „Der Fuchs hat dem Raben den Käse abgeschwatzt.“,

      so ihre Antwort,

      „Oder?“

      „Bei dir wundere ich mich nicht, Floriane, du solltest vielleicht noch mal über deine Antwort nachdenken“,

      wurde ihr geraten. Locke schaute verdutzt in die Runde. Sie konnte sich keinen Reim auf die Bemerkung machen, außerdem hatte sie andere Sachen im Kopf. Da klingelte es schon wieder. Das deutliche „Auf Wiedersehen!“ der Lehrerin ignorierten wieder die meisten, gedanklich befanden sie sich bereits in der großen Pause.

      Auf dem Schulhof liefen fast alle auseinander. Die Clique traf sich hinten am Zaun unter der Linde. Nur Fauli fehlte noch, er hatte seit einiger Zeit ein Auge auf Anne geworfen und wollte sie heute abpassen. Sie ging aber an ihm vorbei, schenkte ihm nicht mal einen Blick. Enttäuscht gesellte er sich zurück zur Truppe. Die diskutierte bereits heftig über seinen Ausrutscher in der Mathestunde. Pit befand, dass der Unterricht der Referendarin gar nicht so übel gewesen sei und bekam Zustimmung von Meli. Er schlug vor, sie künftig wieder Frau Seidenfad zu nennen, erntete aber nicht die ungeteilte Zustimmung der Anderen. Dicki präsentierte eine Tüte mit Spritzgebäck. Gönnerhaft reichte er sie rum. Stinki und Fauli nahmen ein Teil, Pit und Meli lehnten dankend ab. Er selbst vertilgte genüsslich den größten Teil des Restes. Unerwartet näherte sich Rocky aus der 8b mit seinen beiden Kumpanen Schlepptau. In ihren Punkerklamotten fielen sie sofort auf. Provozierend baute sich Rocky vor Dicki auf.

      „Na, du alter Fresssack, stopfst dich wieder voll? Wenn’s mal knallt, dann weißt du warum, dann bist du nämlich geplatzt.“

      Danach lachte das Trio wiehernd über den vermeintlichen Spaß. Der Geschmähte wich ängstlich zurück. Stinki ging drohend auf sie zu.

      „Halt dein blödes Maul und verzieh dich, sonst kriegst du eins aufs Zifferblatt!“

      Er überragte Rocky mindestens um Kopfgröße. Alle wussten, dass Stinki unangenehm werden konnte. Die Kerle quittierten seine Ansage zwar mit einem höhnischen Lacher, verzogen sich aber.

      „Den werde ich noch mal wie eine Laus zerquetschen“,

      stieß der Hüne ärgerlich hervor, und das galt als eine ernst zu nehmende Drohung. Rocky, der Sohn eines Autohändlers, mimte seit längeren den Großkotz auf dem Pausenhof. Er verfügte über reichlich Geld. Damit kaufte er sich ihm willfährige Freundschaften. Seine beiden Kumpane durften schon mal heimlich im Feld mit einem Golf fahren, den er wiederholt aus der Firma seines Vaters heimlich ‚entlieh‘. Das Punkertrio hatte außerdem noch eine Menge anderer Übeltaten auf dem Kerbholz. Sie brachten dadurch auch ständig die Schule in Verruf. Leider konnte oder wollte man ihnen viele der kriminellen Machenschaften nicht nachweisen. Auch jetzt verdrückten sie sich in eine abgelegene Ecke des Schulhofes. Sicherlich rauchten sie dort Gras.

      Draußen vor dem Schulgelände knutschte Locke mit einem aus der Zehnten. Sie erprobte so im Laufe des Schuljahres fast das gesamte männliche Potenzial der oberen Klassen. Nur fünf Jungen kamen nicht zum Zuge, blieben ungeküsst auf der Strecke. Entweder sie wollten nicht, oder Locke lehnte sie ab. Einer von denen verzieh ihr das nicht, war deswegen stinksauer auf sie. Etwas abseits hinter einem Busch standen drei weitere Mädchen aus Pits Klasse. Zusammen mit einigen Jungen aus den achten Klassen rauchten sie. Eine blickte ängstlich zur Hofaufsicht. Sie wollte nicht erkannt werden. Da sie draußen auf der Straße standen, schützte sie das wenigstens vor den Zugriffen der Aufsichtslehrer. Am nächsten Tag sollte es aber aus diesem Grunde gewaltigen Ärger geben.

      Das Vorklingeln der dritten Stunde ertönte. Schubsend und drängelnd bewegte sich der Schülerpulk zum Eingangsportal. Die Großen etwas langsamer als die Kleinen. An der Tür wurden die Drängelei und das Geschrei noch ärger. Frau Birnstiel als Aufsichtsführende stieß man zur Seite, als sie versuchte, Ordnung zu schaffen. Erst als die Größeren kamen, ging es etwas gesitteter zu.

      Schließlich befand sich das Gros im Schulhaus. Auch die Lehrerin verschwand. Rocky und seine Gang tauchten verspätet auf. Mit Absicht. Da es bereits zur Stunde geklingelt hatte, wurden sie nicht mehr in die Klasse gelassen. Darauf zielten sie scheinbar ab. Ungestört inspizierten sie in den Fluren die Feuerlöscher und zogen sich dann in eine Ecke zurück. An ihrem Getuschel konnte man erraten, dass sie etwas planten. Rektor Hirschwald kam aus dem Sekretariat und erwischte das Trio. Sie gaben sich als Unschuldslämmer aus und beschwerten sich über den Lehrer, der sie nicht mehr in die Klasse gelassen hatte, dabei ihre Pünktlichkeit beschwörend. Der Rektor versprach Klärung und ging. Als sich die Luft wieder reinigte, schlich Rocky zur Kellertreppe und hob einen Pulverfeuerlöscher aus der Halterung. Verdeckt unter seiner Jacke schaffte er ihn rasch ins Obergeschoss. Seine Kumpane hatte er beauftragt, Schmiere zu stehen. Als sie das Zeichen gaben, dass nichts zu befürchten sei, versteckte er das Gerät im Lichthof unter einem Blumenkasten. Da hier nur zweimal pro Woche gereinigt wurde, rechneten sie kaum mit einer Entdeckung. Dann verdrückte sich die Gang wieder unauffällig in eine Ecke. Der erste Teil eines unrühmlichen Unfugs schien geglückt.

      In der dritten Stunde stand Sozialkunde auf dem Plan. Herr Specht, ein Lehrer kurz vor der Pensionierung, ließ sich über die Geschäftsfähigkeit im Kindes- und Jugendalter aus. Er wirkte müde und antriebslos. Das Stundenthema trug er emotionslos vor, schrieb einiges an die Tafel und ließ sich auf kein Gespräch mit den Schülern ein. Bei Vielen unterrichtete er schon ihre Väter und Mütter. Früher galt er als ein sehr beliebter Lehrer. Die meisten Eltern duldeten es deshalb nicht, dass ihre Sprösslinge respektlos auftraten. Deswegen ließen sie den Unterricht meist auch geduldig über sich ergehen. Stinki schlief sogar, wurde aber nicht gerügt. Ohne besondere Vorkommnisse ging die Stunde zu Ende.

      In der Pause gähnte einer.

      „War das ätzend langweilig!“

      Aber niemand beachtete die Bemerkung. Dicki verdrückte noch schnell das letzte Gebäckstück. Einige rannten aufs Klo. Meli kam zu Pit und Fauli.

      „Habe Lust, morgen baden zu gehen. Kommt ihr mit?“

      Pit hatte Lust.

      „Wenn mich meine Alten weglassen, komme ich auch“,

      knurrte Fauli ärgerlich, denn er stand noch immer unter Stubenarrest. Stinki hatte im Unterschied zum Waschwasser keine Berührungsängste mit dem Baggersee. Seine Zusage stand so gut wie sicher fest. Dicki faselte etwas von Internet, als sie ihn fragten. Schließlich sagte er aber zu, damit sie ihn in Ruhe ließen.

      Die Zacher erschien mit gewohnt forschem Schritt in der Klasse. Sie, eine etwa 30-jährige attraktive Frau, trat stets sehr energisch auf. Ihren Unterricht gestaltete sie interessant. Sie begrüßte die Schüler freundlich, aber bestimmt. Nachlässigkeiten wurden von ihr nicht geduldet. Am Anfang des Schuljahres hatte sie das Grüßen mehrfach exerziert, als es nicht klappen wollte. Heute ertönte von allen:

      „Guten Morgen, Frau Zacher!“,

      zurück. Die Meisten hatten auch vorschriftsmäßig Lehrbuch und Biologieheft vor sich liegen. Mit einem kurzen Blick überflog sie die Klasse, nickte und forderte Flori auf, kurz auf den Inhalt der letzten Stunde einzugehen.

      „Wir haben die Buchengewächse behandelt, speziell die Rotbuche“,

      antwortete er. Dann begann er alles, was er über die Rotbuche wusste, vorzutragen.

      „Ist gut, Flori“,

      bremste sie seinen Eifer,

      „ich merke, du weißt Bescheid.“

      Fast enttäuscht hielt er inne. Sie konnten sich beide offenbar gut leiden, Flori gehörte zu den Besten in ihrem Unterricht.

      „Du hast deine Eins sicher.“

      Damit beendete sie die Wiederholung, und