Die Hexenkönigin. Anna Rawe. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anna Rawe
Издательство: Bookwire
Серия: Evangeline
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752919110
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war, wandte ich mich an Sidony.

      "Seit wann vertuschen die Hexenmeister wichtige Informationen?", fragte ich. Der Vorwurf in meinen Worten war unüberhörbar.

      Sidony seufzte. "Es ist anders, als du denkst."

      "Woher willst du das wissen?" Trotzig hob ich das Kinn. So leicht würde sie nicht davonkommen. "Wovor wollte Calideya mich warnen? Was hat sie gesehen?"

      Sidony wich meinem Blick aus und starrte an mir vorbei auf eines ihrer Regale. "Was Calideya und ich diskutiert haben, betrifft nicht nur dich. Die Entscheidung, wer davon erfahren sollte und zu welchem Zeitpunkt, ist noch nicht gefallen."

      "Das klang für mich anders." Ich straffte die Schultern. "Calideya war überzeugt, dass ich davon erfahren sollte."

      "Entgegen ihres Ranges hat Calideya die Weisheit auch nicht mit Löffeln gefressen." Sidonys Ton war bitter. "Es obliegt noch immer Gladys zu entscheiden, wie mit Calideyas Wissen verfahren wird."

      "Auch, wenn Menschen in Gefahr sind?" Ich erinnerte mich noch haargenau an Calideyas Worte. Sie war die beste Seherin des Zirkels. Wenn sie sagte, sie hätte den Tod eines Menschen vorausgesehen, durfte keiner von uns das auf die leichte Schulter nehmen. Ganz besonders Sidony sollte das wissen.

      "Gladys ist die Hexe des Lichts und die Vorsteherin des Zirkels", hielt sie dennoch dagegen. "Es ist ihre Aufgabe, aus Calideyas Vorhersagen die richtigen Handlungen für den Zirkel abzuleiten. Ganz besonders, wenn Menschen in Gefahr sind."

      "Wer?", fragte ich ungeduldig. "Wer ist in Gefahr?"

      Der Gedanke daran, dass Calideya Morrigans Rückkehr gesehen haben könnte, jagte mir eisige Schauer über den Rücken. Und dann war da noch die Sache mit Conan. Die Art, wie er zurückgezuckt war, mich angesehen hatte – völlig entsetzt.

      "Wer ist in Gefahr?", wiederholte ich eindringlich, als Sidony noch immer nicht antwortete. "Geht es um Conan?"

      Es war nur ein Schuss ins Blaue gewesen, doch an der Art, wie Sidonys eiserne Miene schlagartig in sich zusammenfiel, erkannte ich, dass mehr dahintersteckte. Mir wurde flau im Magen.

      "Es ist Conan, nicht wahr? Er ist in Gefahr."

      Sidony hielt noch immer an ihrem Schweigen fest, doch die Stille wirkte mit einem Schlag nicht mehr wie eine Rüstung, die sie umgab, sondern vielmehr wie ein Rettungsanker, an den sie sich klammerte, um dem tosenden Strudel der Wahrheit zu entkommen.

      "Ich habe Conan gestern verbrannt", gestand ich leise. "Wir haben einfach nur Magieströme getauscht. Ich wollte nicht, dass –"

      Ich brach ab, als Sidony mich ansah.

      "Ich wollte ihn nicht verletzen", murmelte ich.

      Sidonys Blick ging mir durch Mark und Bein. Es war derselbe Ausdruck, den ich auch schon in Conans Miene gelesen hatte. Eine Mischung aus Mitleid und Entsetzen. Panik – vielleicht sogar das.

      "Du hast die Kontrolle verloren?", hakte sie seltsam unsicher nach.

      "Nein ... Ja ... Ich meine ..." Verzweifelt suchte ich nach den richtigen Worten. "Es war seltsam. Als würde er mit einem Mal allergisch auf meine Magie reagieren. Doch das kann nicht sein, oder? Wir haben schon so oft Magieströme getauscht und nie –"

      Ich senkte den Blick. "Ich weiß nicht, was diesmal anders war."

      "Ich muss mit Gladys sprechen." Sidony trat zu mir und setzte bereits an, mir die Hände auf die Schultern zu legen, wie sie es manchmal tat, wenn ich aufgeregt war. Im letzten Moment zögerte sie jedoch und ließ die Arme sinken. "Am besten, du trainierst weiter wie bisher. Und keine Magie in der Nähe des Jungen, verstanden?"

      Sprachlos starrte ich sie an. Nicht einmal, nachdem sie von Conan wusste, war sie bereit, mir zu verraten, was hier vorging? Nicht einmal, wenn ich womöglich eine Gefahr für das Leben anderer war? Wie sollte ich trainieren, wenn ich nicht wusste, wen meine Magie als nächstes verletzte?

      "Mach dir keine Sorgen", schob Sidony hinterher, als hätte sie meine Gedanken gelesen. "Alles wird gut. Gladys wird wissen, was zu tun ist."

      Bevor ich auch nur ein Wort des Protestes herausbrachte, war Sidony an mir vorbei zur Tür getreten. "Wir sprechen später. Mach dir nicht zu viele Gedanken."

      Einen Moment später war sie bereits aus der Tür, die mit einem lauten Quietschen hinter ihr ins Schloss fiel. Fassungslos starrte ich das verzogene Holz an, als könne ich Sidony allein durch die Kraft meiner Gedanken dazu bewegen, mir die Wahrheit zu offenbaren. Doch die Hütte und mein Inneres blieben still. Ich würde keine Antworten erhalten.

      Der Rest des Tages verlief ohne Zwischenfälle. Ich hielt mich an meinen Trainingsplan, wie Sidony verlangt hatte, und verzichtete auf Frühstück oder Mittag, um Conan aus dem Weg gehen zu können. Die Ermahnungen der Meister hallten bald wie ein Singsang in meinem Kopf.

      "Das kannst du besser."

      "Du bist unkonzentriert."

      "Streng dich an."

      Doch ich war zittrig und nervös wie ein kleines Kind vor dem ersten Schultag. Ich musste wissen, was Calideya gesehen hatte. Und obwohl sich alles in mir sträubte, den Rat meiner Mentorin zu ignorieren, hielt ich es schließlich nicht mehr aus. Während meiner Abendlektion mit der Hexe der Heilung stand ich einfach auf.

      "Entschuldige, Cybele", murmelte ich und schnappte meinen Umhang. "Ich hab da etwas vergessen. Ich ... muss los."

      Ohne eine Antwort abzuwarten stürmte ich aus ihrer Hütte und rannte über den festgetretenen Pfad zum anderen Ende des Dorfes. In Calideyas Hütte brannte Licht und ich konnte mein Glück kaum fassen. Ohne Sidony, die sie zurückhalten konnte, würde Calideya mir sicherlich alles offenbaren.

      Außer Atem stürmte ich in die Hütte. "Calideya, ich muss sofort wissen, was –"

      Der Anblick, der mir entgegnete, ließ mich zurücktaumeln. Nicht Calideya saß an dem schweren Eichenholztisch in der Mitte des Raumes, sondern – "Conan?"

      Atemlos stieß ich seinen Namen hervor, während meine Finger sich um die Tür krallten. "Was um alles in der Welt tust du hier?"

      Er schien mindestens genauso überrascht wie ich. Aus großen Augen starrte er mich an.

      "Ich ... warte auf Calideya. Wir sind zum Training verabredet, aber –" Er beendete seinen Satz nicht. Stattdessen erhob er sich und kam auf mich zu. "Ist alles in Ordnung?"

      "Ja." Unwillkürlich wich ich einen Schritt zurück. "Ja, alles bestens."

      "Sicher?" Er trat noch näher – so nah, dass uns kaum noch eine Armlänge trennte. Mein Herz begann, zu rasen. "Du siehst bleich aus. Was ist los?"

      "Es ist nichts." Mir gelang es kaum, das Zittern meiner Hände aus meiner Stimme fernzuhalten. "Ich sollte gehen."

      Ich war schon fast aus der Tür, als Conan mich einholte.

      "Warte." Von einem Augenblick zum nächsten hatte sich seine Hand um meine geschlungen und mich zu sich herumgezogen.

      Mir brach kalter Schweiß aus, als ich spürte, wie meine Magie auf ihn reagierte. Nein.

      Als wäre ich es, die sich diesmal verbrannt hatte, zog ich meine Hand aus Conans.

      "Bleib weg von mir", fuhr ich ihn an und wich einige Schritte zurück in die Hütte. Conans verständnisloser Blick traf mich wie ein Peitschenhieb. Für einen Moment glaubte ich, dass ich deutlich genug gewesen wäre, doch dann streckte er erneut eine Hand nach mir aus.

      "Evangeline, bitte." Seine Stimme war ruhig. "Wenn es darum geht, was gestern Abend passiert ist, tut es mir leid. Ich habe überreagiert."

      "Du hast –" Fassungslos sah ich ihn an. Ich hatte ihn verletzt und jetzt gab er sich die Schuld dafür?

      "Ich hätte dich nicht einfach stehen lassen sollen", fuhr er fort. "Ich war einfach überfordert. Aber du konntest genauso wenig dafür wie ich. Lass es mich wieder gut machen."

      Er trat noch näher