Wilfred Gerber
Sehen will gelernt sein
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Inhaltsverzeichnis
Hinweis
Die Romanhandlung ist frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig.
1
Die Vergangenheit setzte ihm zu, das Gute und das Schlechte aus ihr hatten ihn noch fest im Griff. Die zwei Tage in Freiheit nach den Jahren im Gefängnis ließen ihn die Gegenwart fremd und bedrohlich erscheinen. Er saß verstört unter den Freunden in der fremden Wohnung, die Gesichtsfarbe von unnatürlicher Blässe, der Blick wirr und unstet. Er ließ die Schultern hängen, den Rücken krumm, die feingliedrigen Hände fanden auf der Tischplatte keine Ruhe.
Die Eintracht spielte. Reinhard Amper, Freund seit Kindertagen, hatte ihn zu Moritz Kahl, dem Mann der Architektin, mitgenommen, weil er als Einziger in der Straße über einen Fernsehzugang zur Bundesliga verfügte.
"Ich bringe, wenn du einverstanden bist, am Samstag einen Freund mit. Er ist vorgestern entlassen worden und hat seine Jahre im Knast bis auf den letzten Tag abgesessen. Ich bin ihm aus vielen Gründen verpflichtet“, sagte Reinhard Amper am Freitag vor dem Spiel zu Moritz Kahl. „Er ist ein bisschen merkwürdig, doch jetzt ist nur wichtig, dass er unter Leute kommt. Ich lege meine Hand für ihn ins Feuer, er wird sich bei dir gut benehmen. Außerdem wirst du staunen, wie er die Sprache, Gesten und vor allem seine Gestalt ändern kann. In jeder neuen Situation ist er ein anderer Mensch und hat die Bullen damit