Raban und Röiven Der Feuervogel. Norbert Wibben. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Norbert Wibben
Издательство: Bookwire
Серия: Raban und Röiven
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742754868
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ist es jedenfalls und eine andere vermutlich auch. Neben dem Kadaver der einen Ziege ist eine große Blutlache zu sehen, die offensichtlich von der anderen stammt, die jedoch verschwunden ist.«

      »Ich vermute, dass sie abtransportiert wurde. Das Eintreffen Ileas hat den Täter offenbar gestört«, erläutert Raban.

      »Aber ich habe niemanden bemerkt«, unterbricht ihn das Mädchen. »Ein Auto oder anderes Gefährt habe ich auch nicht gesehen oder gehört.«

      Erschrocken beschwört der Junge einen Schutz herauf:

      »Sgiath! Protego!«

      »Wie? Was ist los? Werden wir angegriffen?«, knarzt der Rabe, während er ruckartig den Kopf in alle Richtungen wendet.

      »Das ist nur eine Vorsichtsmaßnahme«, erläutert der Junge. »Wenn Ilea keinen Menschen und keine Transportmöglichkeit gesehen hat, könnte ein Zauberer dahinterstecken.«

      »Du meinst, ein oder mehrere dunkle Zauberer sind das gewesen?« Das Mädchen hält sich erschrocken eine Hand vor den Mund. »Wir müssen sofort zu Mom. Falls das Dubharan sind, könnten sie ihr etwas antun wollen.« Ilea will schon davonstürmen, als Raban sie festhält. Das Mädchen begehrt sofort dagegen auf: »Lass mich, ich … oh! Danke. Mom, wo bist du? Geht es dir gut?« Während sie aus dem Wohnzimmer, in das der Junge sie mit dem magischen Sprung gebracht hat, in den Flur stürmt, um zur Küche zu gelangen, vernimmt sie erleichtert Leanas Stimme:

      »Warum sollte es mir nicht gut gehen?« In diesem Moment stürmt das Mädchen in die Küche und umarmt sie erleichtert. »Hey, was ist los? Oh, hallo Raban. Es ist schön, dass du uns besuchst. Ist etwas passiert?« Die Frau war gerade dabei den Tisch zu decken, auf dem bereits eine große Schüssel mit einem gemischten Blattsalat steht, und hält das Besteck noch in der Hand. Erleichtert löst Ilea die Umarmung und will von den toten Ziegen und ihrer Vermutung berichten, als in diesem Moment krächzende Rufe aus dem Wohnzimmer kommen. Röiven ist ihnen nach kurzer Überlegung gefolgt. Also begeben sie sich in den größeren Raum, wo Ilea berichtet, warum sie derart aufgeregt war.

      »Wir werden die tote Ziege morgen begraben«, entscheidet Leana. Als sie den verstehenden Blick Rabans bemerkt, bestätigt sie dessen Vermutung:

      »Die Ziegen sind Nachkommen der Herde, die Eila von Erdmuthe bekommen hat. Wir nutzen ihre Milch zur Käsebereitung, ihr Fleisch essen wir aber nicht. Schließlich konnten ihre Vorfahren in Kämpfer verwandelt werden, die Eila und ihre erste Ausbilderin beschützten.«

      »Röiven und ich sollten die Nacht in dem Unterstand auf der Weide verbringen, um die Ziegen zu schützen«, schlägt Raban vor. »Wir kehren besser sofort dorthin zurück, um zu verhindern, dass weitere Tiere angegriffen werden. Morgen ist die Gefahr sicher gebannt. Die Orte, an denen Tiere getötet wurden, wechselten täglich.«

      »Das machen wir«, bestätigt der Rabe knarzend und hockt sich auf die Schulter des Jungen.

      »Aber ihr müsst doch vorher etwas essen«, will Leana einwenden.

      »Dafür ist jetzt keine Zeit!«, entgegnet Raban. »Bis morgen früh.« Damit flirrt die Luft und die beiden sind verschwunden. Mutter und Tochter blicken sich erstaunt an. Dann nickt Leana.

      »Wir machen ein Picknick auf der Weide. Außerdem wird es in der Nacht schon empfindlich kalt, also sollten wir auch eine Decke für die beiden mitnehmen.«

      So bereiten sie das Abendessen für ein Picknick, ziehen sich warme Jacken an und machen sich auf den Weg zur Weide. Raban und Röiven freuen sich über den unerwarteten Besuch. Alle schauen beim Essen der untergehenden Sonne zu, wie sie im Nebelmeer versinkt. Der Himmel leuchtet noch einige Zeit rot nach, dann blinken die ersten Sterne am dunklen Himmel.

      Raban bringt Leana und Ilea mit dem magischen Sprung in ihr Haus. Zurückgekehrt wickelt er sich und den Raben in die Decke. Der Junge ist im Verlauf der Nacht ein paarmal nahe daran, einzuschlafen, hält sich aber angestrengt wach.

      Plötzlich richten sich seine Härchen im Nacken auf und sein Herz beginnt schneller zu schlagen. Ein eiskalter Finger streicht über seinen Rücken, dem ein feines Kribbeln folgt und bis zum Kopf hinaufläuft. Er richtet sich etwas auf und lässt seinen Blick forschend umherschweifen. Lauert hier jemand, der vielleicht die zweite Ziege holen will?

      »Sgiath! Protego!«, flüstert Raban vorsorglich, aber es passiert nichts. Auch Röiven versucht, einen möglichen Feind zu erblicken, doch nach kurzer Zeit beruhigt sich der Puls des Jungen wieder. Falls es eine Gefahr gegeben haben sollte, ist sie jetzt offenbar vorbei. Er lässt sich zurücksinken und wickelt die Decke wieder fester um sich und den Vogel.

      Ilea und ihre Mutter kommen beim ersten Morgengrauen mit einem leckeren Frühstück auf die Weide. Sie haben Brötchen gebacken, die mit Käse belegt wunderbar schmecken. Dazu trinken sie heißen Kakao, der mit Zimt verfeinert wurde. Für Röiven hat Ilea an einige Stücke Schokolade gedacht, die er diesmal besonders langsam genießt. Er will in Anwesenheit der Gastgeber keinesfalls gierig erscheinen. Danach verabschieden sich die Freunde, um Minerva aufzusuchen. Raban verspricht Ilea, sie am nächsten Tag zu besuchen, um dann mit ihr die gedankliche Kontaktaufnahme zu üben.

      Der Junge steht mit dem Raben auf seiner Schulter unter der uralten Eiche, wo sie sich schon oft mit der Schleiereule beraten haben. Die knorrigen Äste überspannen einen großen Bereich und strecken sich hoch in den Himmel hinauf. Der Herbst hat bereits die ersten Blätter verfärbt, trotzdem werden sie noch längere Zeit am Baum bleiben.

      Auch hier wabern Morgennebel über den Boden. Die menschenleere Gegend wirkt etwas unheimlich, als Krähenschreie aus der Ferne herbeigetragen werden.

      »Wo steckt das Lumpenpack? Wollen sie uns drohen? Ich werde ihnen zeigen, wer hier …«

      »Nein, das solltest du jetzt lassen«, unterbricht der Junge den Raben. »Wir haben Wichtigeres zu tun!« Raban schaut sich suchend um. Wo mag die Schleiereule sein? Ist sie noch jagen oder befindet sie sich bereits in ihrem Unterschlupf für den Tag? Der schmale Eingang der Höhle am Fuß des Berghangs verrät es nicht, da die Eule beim Hineinfliegen keine Spuren auf dem Boden hinterlässt. Da dort zudem Felsgestein unter Geröll hervorschaut, würde selbst ein Bär keine Abdrücke seiner Tatzen hinterlassen.

      »Hallo Minerva, wo versteckst du dich?«, knarzt Röivens Stimme. Keine Antwort. Er ruft erneut: »Minerva! Wir benötigen deinen Rat! Es ist dringend! Bitte zeig dich!«

      Doch tiefe Stille umgibt sie.

      »Vielleicht ist sie noch auf der Jagd nach einer Maus oder sonstigem Getier?«, fragt der Junge seinen Freund. Dann ruft er trotzdem so laut er es vermag:

      »Minerva. Wir benötigen deinen Rat. Es ist dringend. Bitte komm heraus.«

      Doch bis auf das leichte Rauschen der Blätter in einem aufkommenden Wind umgibt sie tiefe Stille.

      »MINERVA! BITTE!«, rufen sie nun gemeinsam.

      Immer noch keine Reaktion.

      »Ob wir mal in der Höhle nachschauen sollten?«, schlägt Raban vor. »Vielleicht geht es ihr ja nicht gut? Sie ist mittlerweile doch sicher schon steinalt, da könnte sie jeden Tag …«

      »Wer macht denn hier solch einen Radau?«, erklingt es in diesem Moment dumpf aus der Höhle. Kurz darauf segelt die Schleiereule lautlos aus dem schmalen Eingang heran. Sie landet auf dem großen Ast, der sich etwas über Rabans Kopf befindet. Die dunklen Augen der Eule blicken die beiden Besucher starr an.

      »Das hätte ich mir ja denken können! Ihr entwickelt euch zu richtigen Störenfrieden.« Sie blickt jetzt den Jungen an. »Danke für deine Fürsorge, aber sooo alt bin ich noch nicht, dass ich Hilfe benötige! – Ihr wollt also meinen Rat. Was ist denn Schlimmes passiert? Ihr seid doch ein gut eingespieltes Team, das jede Herausforderung bestehen sollte.«

      »Ja,