„Nun gut. Wir werden im Grandhotel Esplanade übernachten. Das ist ein 4-Sterne Hotel“, sagte Opa
„Weißt du schon, was wir alles anschauen?“, fragte ich.
„Das Brandenburger Tor und die Mauer, den Reichstag, die Siegessäule, den Tiergarten, den Kudamm, die Gedächtniskirche, das KaDeWe und Ostberlin mit dem ägyptischen Museum.“ Er schwenkte die Hand im Kreis.
„Was ist das für ein Kongress, den du besuchen willst?“
„Onkologie“, sagte er mit spitzem Mund.
„Hat das was mit Kaffee zu tun?“, fragte Martin.
„Nein, Onkologie ist die Lehre vom Krebs“, sagte Opa.
„Wieso interessierst du dich auf einmal für Krebstherapie? Ich dachte, du würdest Aidsforschung betreiben?“, fragte ich.
„Vielleicht habe ich mich mit Aids geirrt, aber Krebs ist auch eine gefährliche Krankheit“, sagte er mit einer wegwerfenden Handbewegung, aber seine Stimme war nicht so fest wie sonst.
Dass er sich mit Aids geirrt hatte, war klar. Da es in der Anfangszeit hauptsächlich Schwule traf, hatte Opa die fixe Idee, dass die „abnormen“ Sexpraktiken die Darmflora schädigten und damit auch das Immunsystem.
„Und du nimmst an dem Kongress teil?“, fragte ich
„Ja, nein, ich werde mit einigen der bedeutendsten Forscher auf diesem Gebiet sprechen und sie mit meinen Theorien vertraut machen. Der Kongress findet ebenfalls im Hotel Esplanade statt. Da wird sich im Restaurant schon eine Gelegenheit ergeben“, sagte er.
Mir war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, und Martin grinste. Opa Niko war berüchtigt für seine Art, auf Fremde zuzugehen und diese zu „interwiefen“, wie er es nannte.
„Wie machen wir das mit den Kosten?“, fragte ich zur Sicherheit, wobei ich davon ausging, dass er alles zahlt.
„Du fährst und ich zahle“, sagte er lächelnd. Beides war sehr beruhigend.
„Weißt du, ich fahre nicht mehr so sicher. Letztens bin ich sogar über eine rote Ampel gefahren und von der Polizei angehalten worden.“ sagte er.
Das wunderte mich nicht. Er sah einen nie, wenn man am Straßenrand ging, selbst wenn man winkte.
„Und, haben sie dir den Führerschein abgenommen?“, fragte ich
„Ach, i wo. Denen habe ich gesagt, ich wäre Arzt im Einsatz, da haben sie mich fahren lassen.“ Er freute sich diebisch.
„Und das haben die dir geglaubt?“ Ich hob die Augenbrauen.
„Aber natürlich. Ich bin doch Arzt. Außerdem haben Sie mein Arzt-im-Einsatz Schild hinter der Windschutzscheibe gesehen.“
Um dieses Schild beneidete ich meinen Opa wirklich. Mit diesem Schild durfte er überall parken, ohne einen Strafzettel zu bekommen.
Auch als er schon lange nicht mehr regelmäßig praktizierte, hatte die Stadt das Schild nie zurück verlangt.
„Wir werden richtig viel Spaß haben!“ Er strahlte mich an.
„Ja, das glaube ich auch“, antwortete ich.
„Vorfreude ist die schönste Freude“, sagte Opa träumerisch.
Er überlegte. „Eigentlich brauchen wir gar nicht mehr zu fahren. Denn die Vorfreude hatten wir ganz umsonst.“
„Ja, die war dann ganz umsonst“, sagte ich und stockte.
Leider war so ein plötzlicher Wandel in dieser Familie durchaus nicht ausgeschlossen. Ich erinnerte mich noch gut, wie seine Schwester, Großtante Anneliese, uns zwölf Jahre zuvor im Sommerurlaub in Ostende in Belgien besucht hatte.
„Wollen wir morgen mit der Fähre nach England fahren?“ hatte sie gefragt.
„Jaaa“, hatten wir Kinder gerufen.
Am nächsten Morgen war sie verschwunden. Allein mit der Fähre nach England.
„Wir lassen uns doch eine Reise in die Reichshauptstadt nicht nehmen“, sagte Opa.
Ich war in Gedanken noch bei Tante Anneliese. Die war danach bei uns Kindern, aber auch bei unseren Eltern, für immer unten durch.
„Hast du einen gültigen Reisepass?“, fragte Opa
Diese und einige weitere Fragen konnte ich mit Ja beantworten. Nach einer Stunde war die Urlaubsplanung beendet.
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