Raumfahrt - wohin und wozu. Thomas Ahrendt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Ahrendt
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9783752970821
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wird man die Aufenthaltsdauer der Mondastronauten wegen schwieriger Lebensbedingungen und Langzeitauswirkungen von Strahlung und geringer Schwerkraft auf maximal 60 Tage begrenzen. Während die Erzabbaumaschinen anfangs noch von der Erde kommen, stellt die Mondbevölkerung sie später selbst her und aus weiteren Erzen werden Baumaterialien für feste Siedlungen jenseits der Containerdörfer gefertigt.

       Die Energiegewinnung vor allem mit Solar-Kraftwerken erlaubt nicht nur eine eigene Energieversorgung der Mondbewohner, sondern macht weitere Aktivitäten möglich, vor allem kann der Außenposten die Mondbodenschätze ausbeuten; in großen Fabriken wird aus Ilmenit Wasserstoff und Sauerstoff gewonnen, um die Abbaueinrichtungen mit Luft und die Maschinen mit Treibstoff zu versorgen. Mit lunar erzeugten Treibstoffen ließen sich die Kosten für Flüge zwischen Erde und Mond reduzieren; gleiches gilt noch mehr für ENO-Treibstoffe.

       Statt chemischer Triebwerke oder in Ergänzung zu ihnen könnte der Erde-Mond-Verkehr auch mit Seilschleudern stattfinden und/oder mit "Lunar Mass Drivern", elektromagnetischen Kanonen von vielleicht 200 m Länge, die bis zu 4 kg schwere Pakete mit 2,4 km/s in die Mondumlaufbahn oder in einen der EMLs schießen. Durch die Mondgravitation werden sie auf ca. 70 m/s abgebremst, automatisch eingefangen und von einer Fabrik im Mondorbit oder in EML4 oder EML5 weiterverarbeitet. Die Endprodukte werden entweder zur Erde oder zurück zum Mond befördert.

       Noch weiter geht das Konzept der automatischen Mondfabriken, die für minimalen Personaleinsatz vorgesehen sind. Nach der Erzanlieferung sind diese Maschinen allein fähig, dieses zu zerkleinern, abzupacken und abzuschießen. Aus anderen Mondrohstoffen erzeugen die automatischen Fabriken Material für größere Habitate und Maschinen, was schließlich zur Bildung ganzer Industriekomplexe auf dem Mond führen wird. Um die von der Erde importierten Lebensmittel durch frische zu ergänzen und später zu ersetzen, werden immer größere Ansiedlungen Gewächshäuser haben, selbst Tierzüchtungen sind möglich, allerdings müssten die Schwerkraftauswirkungen noch erforscht werden. Nach ca. 50 Jahren könnte eine Mondkolonie autonom werden und deren Bewohner sich zu einem Paraterraforming entschließen. Dazu wird der (ganze) Mond unter einem Glasdach verpackt, um Atmosphäre und flüssige Hydrosphäre langfristig, also über Mega- und Gigajahre zu halten, die sonst wegen der geringen lunaren Oberflächenschwerkraft nach 10 - 100 Kilojahren in den Weltraum verdunsten würde. Die Mondkolonien und ihre Bewohner an sich wären schon ein Forschungsfeld; wie reagieren Menschen - auch langfristig - auf diese spezifische Umwelt?

       Da eine Mondkolonie ständiger solarer und kosmischer Strahlung und Mikrometeoriten ausgesetzt wäre, würde sie wohl vor allem unter der Mondoberfläche gebaut werden, entweder in natürlichen Höhlen oder die Basis wird zwar an der Oberfläche errichtet, aber anschließend unter mehreren Metern Mondstaub vergraben.

       Eine zukünftige Mondkolonie könnte sich vielleicht sogar mit künstlichen Magnetfeldern vor solarer und kosmischer Strahlung schützen...

       Der Transport von und zur Oberfläche könnte außer mit Raketen auch mit einem Weltraumlift erfolgen; für den Transport von Material und Personen zwischen den Kolonien, Lagerstätten, Kosmodromen usw. würde sich eine Magnetschwebebahn anbieten, da ihre Geschwindigkeit nicht durch atmosphärische Reibung begrenzt wird. Mit elektrodynamischen Massenbeschleunigern beziehungsweise Massentreibern lassen sich Objekte elektromagnetisch bis jenseits der lunaren Fluchtgeschwindigkeit beschleunigen. Je nach Ausrichtung der Massenschleudern können die Ladungen abgefangen werden oder auf der Erde landen. Werden die lunaren Rohstoffe auch auf dem Mond weiterverarbeitet, und fügt man die geringen Transportkosten dazu, würden Energiesatelliten, Raumschiffe, Raumkolonien usw. erheblich billiger, als wenn man sie auf der Erde herstellen und hochschießen müsste. Materialien vom Mond aus zu einer Erdaußenstation zu transportieren wäre wesentlich einfacher als ihr Transport auf die Erde. Metalle und Helium-3 wären wichtige Mondressourcen. Da flüchtige Elemente auf dem Mond kaum vorhanden sind, müssten sie von der Erde importiert werden.

       Gut möglich, dass der Mond längerfristig für die Versorgung der Erde mit elektrischer Energie eine wichtige Rolle spielt etwa in Form von oben erwähnten lunaren Solarfarmen oder dessen Helium-3, das entweder in irdischen oder in lunaren Fusionskraftwerken verstromt wird. Und dann könnte sich die Mondbasis zu einer kleinen Stadt mit eigener Bevölkerung und einem relativ großen Anteil von künstlichen Lebensformen entwickeln, mit Erdtourismus, Krankenaufenthalt und Alterssitz; allgemein mit einem Energie- und Rohstoffhandel und dem Bau von SSPS (Solar Satellit Power Station), künstliche Habitaten usw. Damit wird er wohl eine bedeutende Rolle bei der Erforschung der anderen Planeten und Monde spielen, zum Beispiel als Zwischenstation zum Mars.

       Die Entwicklung einer Mondbasis-Infrastruktur wäre unabdingbare Voraussetzung für die Marsreise; die Mondbasis wäre auch Ausbildungsstätte für Marsexpeditionen und liefert vielleicht auch flüssigen Sauerstoff als Treibstoff, falls der Marsflug mit chemischen Triebwerken stattfindet. Vielleicht starten sogar die ersten Marsschiffe vom Mond oder aus einem Mondorbit. Dann könnte die große Reihenfolge bei der Erschließung des Sonnensystems folgende sein: von der Erde zur LEO-Raumstation, von dort in den Mondorbit oder auf zum Mond. Vom Mond dann direkt zum Mars oder erst zu den Marsmonden und von ihnen aus zum Mars. Oder man macht es doch ganz anders und fliegt von der Erde entweder direkt auf den Mars oder geht zuerst auf seine Monde usw. Und vom Marssystem dann einerseits zurück zum Mond und andererseits in den Planetoidenhauptgürtel und ins äußere Sonnensystem...

      Marsmissionen

      Wäre der Mars der Erde so nahe wie der Mond hätten wir längst nicht so gezögert, dorthin zu fliegen. Und ein marsgroßer "Mond" hätte auch gar nicht so unwahrscheinlich sein müssen, denn wäre der etwa marsgroße Protoplanet Theia vor ca. 4 Gigajahren nicht auf der Erde eingeschlagen, wodurch der Mond entstanden ist, sondern von ihr nur eingefangen worden - wer weiß...

       Die Erfahrungen der Mondbesiedlung könnten sehr nützlich werden für eine nachfolgende Marsbesiedlung; vielleicht wird es aber auch anders herum kommen - erst der Mars, dann der Mond, denn der Mars bietet potenziellen Siedlern nach der Erde die angenehmsten Bedingungen hinsichtlich Temperatur, Atmosphäre, Rohstoffen, Monde, usw. Die Oberfläche des roten Planeten ist etwa so groß wie die Gesamtfläche aller irdischen Kontinente. Der frühe Mars war noch erdähnlicher, seine Atmosphäre war dichter und seine Hydrosphäre noch flüssig. Doch wegen seiner geringeren Schwerkraft und der größeren Sonnenentfernung ging der Großteil der Atmosphäre verloren und infolge des geringeren atmosphärischen Drucks, der dem der Erde in 30 km Höhe entspricht, verdunstete das Wasser oder blieb als Permafrost zurück.

       Da Erde und Mars ihre Stellung - auch in der Ekliptik - zueinander verändern, öffnet sich nur etwa alle 2 Jahre für wenige Wochen ein Startfenster zum Mars. Man kann ihn auf einer 500-Tage-Hohmannbahn oder auf einer 1000-Tage-Hohmannbahn erreichen; die 1000-Tage-Mission setzt sich aus 200 bis 300 Tagen für den Hin- und Rückflug sowie 350 bis 550 Tage Wartezeit auf dem Mars zusammen, da beim Rückflug auf ein energiegünstiges Startfenster zur Erde gewartet werden muss, der mit relativ wenig Treibstoff auskommt. Weiterhin sind Hin- und Rückflug der 1000-Tage-Mission auf den Raum zwischen Erd- und Marsumlaufbahn begrenzt.

       Dagegen sind die Missionsprofile der 500-Tage-Missionen Flugbahnen mit teilweise sehr hohem Energiebedarf und führen bei Rückkehr zur Erde über die Venus und damit in große Sonnennähe, was einen entsprechenden Schutz gegen Wärme, Strahlung usw. notwendig macht.

       Finden die Expeditionen auf Hohmannbahnen statt, ist man an ein Startfenster gebunden, das sich nur alle 2 Jahre öffnet; eine Möglichkeit wäre, 1 Jahr für den Hin- und Rückflug und 1 Jahr Verweildauer auf dem Mars einzuplanen oder man führt eine schnellere Reise bei längerer Wartezeit durch. Zwar sind Flüge auf Hohmannbahnen energetisch am günstigsten, aber sie beanspruchen die längste Dauer. Da die solare und kosmische Strahlenbelastung die ganze Zeit über einwirkt, ist die Krebsgefahr entsprechend hoch.

       Bei Verwendung eines thermonuklearen Antriebs verringert sich die Hinflugzeit auf 150 - 180 Tage und das Krebsrisiko ist nur noch halb so hoch, daran schließen sich 619 Tage Wartezeit an, bis Erde und Mars in günstiger Konstellation für den Rückflug stehen und 110 Tage braucht man für den Rückflug. Die Besatzung befindet sich außerdem währenddessen im freien Fall, also in Schwerelosigkeit beziehungsweise in Mikrogravitation. Für Langzeitflüge könnte es notwendig werden,