Wilde Welt. Gerstäcker Friedrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753135984
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Erfolg gesuchte Mädchen auf des Gouverneurs Befehl nach Cruzalta, einem kleinen Städtchen der Pampas, gebracht worden sei. Dort also lag jetzt sein Ziel, und von früher her mit den Sitten der neuerdings wieder gegen Rosas ausgebrochenen Indianer bekannt, wagte er es sogar, diese wilden Horden in ihren geheimsten Schlupfwinkeln aufzusuchen. Er wußte, wie wenig er sich für jetzt noch auf den Beistand der Weißen verlassen konnte. Eher war auf die Hülfe der Indianer zu rechnen.

      Diese Hülfe war ihm denn wirklich durch einen der verwegensten ihrer Häuptlinge, durch Osantos, zugesichert worden, und so kühn der Plan auch sein mochte, den sich Diego ausgesonnen, so fühlte er sich demselben doch völlig gewachsen und Kraft und Muth genug, ihn durchzuführen.

      Zu schärferem Ritt spornte er nun sein müdes Thier; er fühlte den Sturm nicht, der ihn umtobte, nicht den Regen, dessen kalte Tropfen an seine fieberheißen Wangen schlugen. Vorwärts! Dort drüben, wo die Lichter blinkten, lag sein Ziel, und dem strebte er mit aller Hast entgegen - wäre es auch nur gewesen den Gedanken zu entfliehen, die ihm zuweilen Herz und Kopf verwirren, betäuben wollten.

      Der Weisung des Indianers folgend, erreichte er endlich die Spuren der Lastwagen, und wenn es auch indessen viel zu dunkel geworden war, sie zu erkennen, witterte doch das kluge Thier die Fährten, und trabte schärfer aus, den Reiter los zu werden und seine Freiheit für die Nacht zu erhalten. Stall und Futter hatte es doch nicht zu erwarten, denn die freie Pampas war jede Nacht sein Bett wie sein gedeckter Tisch.

      Deutlicher wurden die Lichter - schon ließen sich lachende und singende Stimmen unterscheiden, und wenige Minuten /11/ später erreichte Don Diego die ersten Gebäude der kleinen, aber breiten Hauptstraße von Altacruz, in welcher er indessen keinem einzigen menschlichen Wesen begegnete.

      Der Sturm hatte Alles in die Häuser getrieben, und das Lager jener Soldaten, die nicht unter ein festes Dach und Fach gebracht werden konnten, war auf der Südseite des kleinen Ortes nothdürftig aus rasch aufgeworfenen Erdwällen und rohen Häuten hergestellt.

      Die kleinen Häuser standen allerdings fest verschlossen; aus den engen vergitterten Fenstern schimmerten aber die Lichter vor, und aus dem größten von ihnen tönten, trotz dem heulenden Sturm draußen, der über die Pampas fegte, die munteren Laute einer Guitarre und die schrille Stimme eines Sängers, die oft von lautem Lachen unterbrochen wurde.

      Sorgloses Volk, das mitten in es umgebenden Gefahren seinen heitern, kecken, vielleicht auch nur leichten Sinn bewahrte. Draußen an etwas geschützten Plätzen waren fortwährend Pferde angebunden, bei der ersten Alarmirung bereit und beritten zu sein; in den Ecken der Gebäude, nahe zur Thür, standen die Waffen, und Lebensmittel hingen gepackt an ihren recados oder Sätteln - aber indessen tanzten und sangen sie, und was die nächste Stunde brachte, mochte die nächste Stunde auch bekämpfen - die jetzige gehörte noch der Lust.

      Selten wählten die Indianer übrigens die Nacht zu ihrem Angriff, fast nie den Abend, und gewöhnlich brachen sie, wenn sie irgend einen Ort überfallen wollten, mit der frühen Morgendämmerung auf den Feind herein. In Cruzalta fürchteten die Bewohner aber kaum etwas Derartiges, wenn sie auch auf Alles gerüstet blieben, denn der kleine Trupp Militär, der bei ihnen lagerte, sollte die wilden Horden wohl abhalten, hierher ihren Zug zu richten, scheuten sich die Indianer doch vor den Feuerwaffen.

      Vor der Pulpcria des Ortes hielt der nächtliche Reiter, und während er draußen mit der revenca5 an die Thür /12/ klopfte, rief er als Gruß die frommen Worte: Ave Maria -

      „purisima!" lautete die Antwort von innen heraus, und gleich darauf wurde die Thür geöffnet. Der Reiter sprang vom Pferd, und Sattel und Zaum abnehmend, ließ er sein Thier, ohne sich weiter darum zu kümmern, mitten in der Straße frei. Er wußte, daß er es am Morgen auf dem nächsten Weideplatz schon wieder finden würde.

      III.

      Im ersten Augenblick schwieg der Lärm bei dem Eintreten des Gastes, denn ein Fremder war, noch dazu in dieser Zeit, eine viel zu seltene Erscheinung in den Pampas, ihm nicht die ganze Aufmerksamkeit zuzuwenden.

      „Gott zum Gruß," sagte dieser aber, ohne sich weiter viel um die Insassen zu kümmern - „hier, Frau Wirthin, habt die Güte und gebt diesem Poncho einen Platz an irgend einem Feuer, denn er ist vollständig durchgeweicht, und für die Nacht werdet Ihr doch kein anderes Bett für mich haben. Bis dahin möcht' ich ihn trocken wissen."

      „Nicht einmal einen Platz, wo Ihr Euch ausstrecken könntet, Seňor, findet Ihr im Haus," klagte aber die Wirthin - „Alles haben die Herren Soldaten besetzt bis in den letzten Winkel."

      „Caramba, Seňora, Ihr werdet einen armen Teufel bei solchem Wetter nicht wieder in das „campo" hinausjagen wollen," lachte dagen der Fremde. „Die Herren Soldaten werden zurücken, denn ich gehe einmal nicht wieder fort. Cada uno pura si, y Dios para todos," und mit diesen Worten warf er seinen Poncho ab, unter dem die reiche, malerische Tracht eines jungen wohlhabenden Gaucho zum Vorschein kam.

      Er trug die Cheripa, wie alle Anderen, aber vom feinsten buntgewirkten Stoff, und an dem breiten, mit reich verzierten /13/ Taschen versehenen Gürtel, der sie zusammenhielt, waren so dicht beisammen gehenkelte Doublonen und spanische Dollars befestigt, daß man die Stickerei darunter kaum erkennen konnte. Sein langes, hinten im Gürtel steckendes Messer zierte ein mit Gold eingelegter Elfenbeingriff, und die kurze Sammtjacke war mit runden Silberknöpfen dicht und reich besetzt.

      Sein Gesicht hatte dabei etwas Edles und Kühnes, und als er den breiträndigen Panamahut abnahm, auf den Tisch warf und dann die Regentropfen aus dem rabenschwarzen lockigen Haar und dem vollen gekrausten Bart schüttelte, flüsterten die Mädchen mit einander und Don Diego konnte sicher sein, daß er den schönen Theil der Versammlung schon ganz auf seiner Seite hatte.

      Der Officier des kleinen Reitertrupps, der hier auf nichts weniger als kriegerische Weise mit drei jungen reizenden Mädchen am Tisch saß und ihnen kleine Lieder auf einer Guitarre vorklimperte, hatte den Fremden im Anfang mißtrauisch betrachtet. Sein stattliches ungenirtes Aeußere aber imponirte ihm wieder, und er sagte lachend:

      „Dios para todos, ja, Kamerad - aber nicht für die vermaledeiten Unitarier hoffentlich, die Ihr doch wohl davon ausgenommen habt."

      „Wenig kümmern mich die," rief der Fremde gleichgültig. „Herr Wirth, eine Flasche Caňa, - oder habt Ihr Mendozawein?"

      „Vom besten, Seňor," versicherte der herbeischlendernde Wirth. „Die Caravane, die vorgestern den Ort passirte, hat mir vier von ihren dickbäuchigsten Fässern dagelassen."

      „Vortrefflich, Alter - vortrefflich," rief der Fremde, sich den Bart streichend. „Dann schafft rasch einmal ein halbes Dutzend Flaschen herbei. Ich hoffe nicht, daß mich die Herren hier werden allein trinken lassen."

      „Caramba, nein," lachte der Soldat, „wenn Ihr des Gewichtes Eurer Knöpfe so müde seid, so findet Ihr an uns hier die rechten Leute. Aber wo kommt Ihr her?"

      „Von Mendoza."

      „Den ganzen Weg allein?" /14/

      „Und warum nicht?" rief Diego. „Ich hatte mich dann nie über schlechte Gesellschaft zu beklagen."

      „Aber die Indianer?" sagte der Wirth, der die verlangten Flaschen herbeischleppte. „Heilige Mutter Gottes, mir juckt der Hals schon, wenn ich daran denke, jetzt allein in die Pampas hinauszureiten, wo die rothen Schufte neben jedem Distelbusch im Hinterhalt liegen können."

      „Bah, so viel für die Rothhäute!" sagte der Fremde verächtlich, indem er den Kork von einer der Flaschen warf - „die Senoritas trinken doch mit?"

      Der Officier warf einen zweifelnden Blick aus die Mädchen, und zum ersten Mal schien in ihm der Gedanke aufzusteigen, daß der Fremde, wenn nicht politisch gefährlich, doch persönlich ihm lästig werden könnte.

      Eins der Mädchen aber, ein junges frisches Ding von kaum sechzehn Jahren, rief lachend:

      „Vielen Dank, Seňor, wir nehmen die Gabe an. Der geizige Wirth gäbe uns auch sonst keinen Schluck von seinem Weine, der selten genug an unsere Lippen kommt."

      „Wollt Ihr nicht erst