Die Tür öffnete sich und der Bankberater schüttelte sich den Regen aus dem Fahrradumhang. Er machte seine Sache sehr gut, denn er zog den Umhang in der Türfüllung aus, grüßte allgemein und steuerte den Fenstertisch an. Hans Dieter Balje bemerkte ihn und rief laut aus. „Nanu, Herr Uphusen, was machen Sie denn hier, sind Sie zur Kur aus Frankfurt gekommen?“ Jürgen Uphusen blickte sich erstaunt um. „Guten Tag Herr Balje, Sie machen Urlaub und das auf einer Insel?“ Hans Dieter Balje setzte sich zu Jürgen Uphusen, seinem exzellenten Anlageberater einer Frankfurter Bank. Jürgen Uphusen rieb sich die kalten Hände. „Mir wurde die Filiale hier in Baltrum angeboten. Meine Frau und ich lieben Baltrum, denn wir waren oft als Gäste hier. Die Luft, die Ruhe und keine Autos! Man steht morgens nicht mehr im Frankfurter Stau. Das Einzige was mich neben der Bank an Frankfurt erinnert, sind die Frankfurter Würstchen. Hier auf Baltrum ist schon ein ganz anderes Arbeiten.“ Sie unterhielten sich angeregt und Jürgen Uphusen entschuldigte sich für einen kurzen Augenblick und ging durch den Gang in die Kneipe, um Engelbert aufzusuchen. Der sah ihn mit großen Augen an. Jürgen Uphusen war ebenfalls ein sehr großer Mensch und konnte demnach Engelbert anblicken, ohne das Engelbert wie bei den meisten seiner Zeitgenossen den Kopf nach unten drehen musste. „Das stimmt alles. Es ist Hans Dieter Balje, Multimillionär, Inhaber und genialer Entwickler der Computerfirma gleichen Namens. Herzlichen Glückwunsch! Denn er ist immer auf der Suche nach dem Machbaren und ist ein Hausinvestor wie es im Buche steht. Dem gehören jede Mengen neuartige Studentenwohnheime in großen Unistädten. Und was heute kaum jemand noch möchte, Wohnklötzer von zwanzig bis fünfzig Stockwerken in der Vermietung. Alles vom Zustand erste Sahne.“ Er sagte weiterhin: „Engelbert, wenn ich diesen Kunden bekomme, zahle ich dir deinen Fischkoch nach deiner Wahl.“ Damit war sein Bankberater schon wieder aus der Kneipe und Engelbert kochte sich vor Freude eine Kanne Kamillentee. In die Tasse ließ er ein Stück Ostfriesen Kluntjes plumpsen.
Engelbert aber dachte schon an das bevorstehende zu planende Fischessen in der Kneipe und in dem Café. Natürlich hatte die Kneipe eine Küche mit allen Schikanen. Die Aussage zu den Bockwürsten mit Senf stimmte insoweit, da Engelbert als Kapitän zur See gefahren war und ein Kapitän nicht kochte, schließlich gab es dafür den Schiffskoch. Das bedeutete nun aber auch, dass sich die Engelbertsche Kochkunst auf das Öffnen von Wurstdosen beschränkte und da die heutigen Wurstdosen eine Lasche zum Öffnen haben, schaffte er es, die Dose auch ohne große Verletzungen zu öffnen. Früher trug er nicht nur die heißen Bockwürste in sein Lokal, sondern nebenbei auch noch einen Fingerverband. Auch heute galt noch, für die im Wasser geplatzten Bockwürste zahlte der Gast die Hälfte des Preises. Den Kartoffelsalat gab es schließlich fertig in Eimern und der schmeckte sogar sehr gut, meinte zumindest Engelbert, womit er Recht hatte.
Die Küche insgesamt auf der Insel Baltrum war gut bis sehr gut und Engelbert lag es fern, seinen Kollegen und Mitkonkurrenten, was das Essen anbetraf, deren Gäste abspenstig zu machen. Da gab es aber kleine Einschränkungen, denn Engelbert aß gerne Fisch und kannte sich, als Gast natürlich, damit gut aus. Er kannte Fischrestaurants auf der ganzen Welt und war schlecht gelaunt, wenn er in einem Lokal viel Geld hinlegen musste und dafür eine mäßige Küche serviert bekam. Also beschloss er mit seiner Schwester bei einer heißen Kanne Lindenblütentee mit Kluntjes: „Wir werden hier selber aktiv.“ Natürlich nicht kontinuierlich, sondern als Veranstaltung. Dies konnte einmal oder mehrmals im Jahr sein, wie es gerade so passte und man einen guten Fischkoch engagieren konnte. Wenn er denn mal einen Urlaub auf dem Festland bis nach den Niederlanden oder sogar bis Bayern antrat, wurde es ihm sehr schnell langweilig und suchte sich im Urlaub eine Aufgabe. Er ging Fischessen und wenn es ihm schmeckte, wenn alles andere passte, konnte es sein, dass der Fischkoch oder die Fischköchin für eine lange Woche auf Baltrum ein bezahltes Wohnen mit kostenloser, frischer Seeluft verbringen durfte. Das Honorar konnte sich sehen lassen.
Jetzt war es wieder soweit. In der nächsten Woche würde ein Fischkoch aus Tirol in Italien erscheinen. Die Plakate waren gedruckt und wurden heute noch im Laufe des Tages an der Kneipe und an dem Café aufgehängt und aufgestellt. Früher hatte er Werbung im Inselteil der Zeitung geschaltet. Jetzt war das Restaurantkontingent innerhalb von kurzer Zeit vergeben und es kamen sogar Festlandsgäste nur zum Fischessen auf die Insel. Da keine Fähre mehr so spät zurückfuhr, hatten die Hoteliers zusätzliche Übernachtungsgäste. Generelle Jahresvorbestellungen nahmen sie aber nicht mehr an. Da das Fischessen derart delikat und köstlich war und sich der Koch seiner Verantwortung stets bewusst war, wurde Wert auf sehr gute Qualität von Fisch, Gemüse und Kartoffeln gelegt. Engelbert hatte nichts gegen Experimente, die nahm er gerne an, wenn sie schmeckten. Sie sollten aber nicht zu überdreht sein. Denn das mochten die meisten Gäste nicht. Es hatte auch schon eine Situation gegeben, wo alles besprochen und die Speisekarte gedruckt war. Die Plätze waren völlig ausgebucht gewesen und der Kochmaestro war mit der letzten Fähre angekommen, aber auf dem Festland zu viel Rumgrog getrunken hatte. Er hatte sich seine Küche angesehen und vor Ärger los gebrüllt. Die Küche wäre ihm zu klein, das Kochgeschirr