Und da weder Beate noch Rudi je etwas erzählten,fragte auch kein Mensch mehr, es war halt so.
Aber dieses Jahr überraschte Rudi alle, er blieb zu Hause! Nicht alleine, um Gotteswillen nicht, aber er blieb zu Hause. Beate lief wie jedes Jahr am frühen Nachmittag an Heiligabend mit einem Beutel über dem Arm von Haus zu Haus, wünschte allen schöne Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr, dabei gab sie jedem ein kleines Geschenk. Danach stieg sie in ihr Auto, vollgepackt mit Koffern und weg war sie, ein letztes Winken, der Wagen fuhr um die Ecke in die Hauptstraße.
Es waren ruhige Tage von Weihnachten bis Neujahr, selbstdas Wetter spielte mit und brachte passend ein bisschen Frost und einen Hauch von Schnee.
Man sah sich in den Tagen,sprach miteinander, tauschte gute Wünsche aus und war rund um zufrieden. Nach einem lauten Silvesterfeuerwerk begann das neue Jahr genauso ruhig, der Alltag wurde gemächlich angegangen,
Beate und Hans waren wieder eingetroffen.Rudi verbreitete eine heitere Ruhe um sich, Herbert meldete sein Auto an, Jürgen wurde von Tag zu Tag ruhiger und selbstsicherer, seine Frau Inge war auffallend ruhig geworden,man hörte nur noch Jürgen hier und Jürgen da.
Aber das neue Jahr nahm Fahrt auf und zog die krumme Straße mit.
Der Winter ging so unauffällig wie er gekommen war und das Frühjahr übernahm mit Macht das Regiment. Die Menschen erschienen nach und nach in ihren Gärten, die ersten bunten Blumen blühten und Hermanns Tochter gab bekannt, dass sie ihr zweites Kind erwartete. Hermann war reineweg verrückt vor lauter Freude.
Wenn er zu Hause war,konnte man ihn dauernd zum Nachbarhaus, in dem seineTochter wohnte, rüber rennen sehen. Brigitte winkte lächelnd ab, ihr Mann wäre einfach verrückt nach Enkelkindern. Als am Wochenende der Sohn von Hermann und Brigitte vom Bund nach Hause kam, wäre Hermann wohl am liebsten bis zum Bahnhof gerannt, um seinem Sohn die Neuigkeit zuerzählen. Da sie aber nicht wussten, wie ihr Sohn anreiste, ob mit dem Auto oder der Bahn, musste sich Hermann schweren Herzens gedulden.
Sein Schwiegersohn war leider beruflich dauernd unterwegs, er hatte zwar eine gute Arbeit beim Bund,aber eben leider immer auf Achse.
Als alle zu Hause waren,stieg bei Hermann und Brigitte die große Familienfeier, sie war laut und es ging in den Sonntag herein, aber alle freuten sich mit.Hermann frotzelte ein bisschen mit seinem Sohn, aber der und seine hübsche Frau lächelten nur still, sie würden ihn auch schon noch zum Opa machen! Hermann war rundum selig.Mit strahlendem Lächeln informierte Hermann die ganze krumme Straße und alle freuten sich mit Hermann, dem frischgebackenen Opa.
Die beiden Söhne von Herbert waren zwar auch schon ein paar Jahre verheiratet, aber Nachwuchs war noch nicht in Sicht. Die beiden Schwiegertöchter mit ihren Männern waren beruflich so stark eingebunden, dass an Nachwuchs nicht zu denken war. Es hieß immer nur: vielleicht später.
Herbert machte in der Firma noch ein bisschen Karriere, er fuhr jetzt einen Fernlaster mit drei- bis viertägigen Touren.Damit war das Finanzielle endlich kein Thema mehr.
Herbert holte Jürgen ab, fragte ihn, ob er seine Klamotten für die längere Tour dabei habe.
„Aber klar!“, antwortete Jürgen gutgelaunt.
Jürgen war fast nicht wieder zu erkennen, seit er wieder eine geregelte Arbeit hatte, den Knatsch mit seiner Frau ließ er einfach außen vor.
In der Firma angekommen, holten sie sich die Papiere für die Tour und fuhren los. Herbert saß am Lenker und Jürgen goss zwei Becher mit Kaffee voll, er sagte nichts, weil er wusste, dass Herbert morgens erst mal seine Ruhe brauchte. Aber es war eine angenehme Stimmung in der Fahrerkabine, der starke Diesel brummte satt und sie hatten eine lange und angenehme Fahrt vor sich bis zum großen Überseehafen.
Sie waren schon eine ganze Weile auf der Autobahn Richtung Westen, als Herbert sagte: „Hoffentlich hält die Firma wenigstens so lange durch, bis wir unsere Rente einreichen können.“ Jürgen fiel die Kinnlade runter, eine eiskalte Faust presste sein Herz zusammen, sollte die Scheiße schon wieder losgehen?
„Was meinst du? Was soll das heißen?“,stammelte Jürgen zu Herbert rüber.
„Du merkst doch sicher auch“, antwortete Herbert ruhig und leise, „dass die Kohlefahrten immer weniger werden.“
„Ja sicher, aber … wir wollen nur hoffen, dass der Alte früh genug neue Arbeit für uns bekommt. Irgendwie muss er von der Kohle weg und etwas ganz anderes anfangen.
"Hast du denn schon irgend etwas gehört, dass es mau wird?“
„Nein, nein“, winkte Herbert ab,„noch haben wir unsere Arbeit.“
„Mensch, bloß nicht wieder arbeitslos, daran gehe ich kaputt“, rutschte Jürgen unruhig auf seinem Sitz herum.
Herbert lenkte den Truck auf einen belebten Parkplatz, stellte den Motor ab und ging pinkeln. Jürgen wechselte zum Fahrersitz und kurze Zeit später fuhren sie weiter.
Jürgen wurde durch das Fahren etwas von seinen trüben Gedanken abgelenkt, bis Herbert fragte: „Du bist doch auch mein Jahrgang?“
Jürgen nickte: „Warum?“
„Dann müssenwir beide sehen, dass wir die paar Jahre noch schaffen. Denn das Arbeitslosengeld kann man vergessen.“
„Oh Mann,bloß nicht“, jammerte Jürgen, „Inge bringt mich dann endgültig um.“
Herbert lachte: „Na, so schlimm wird es schon nicht werden!“
Jürgen sah zu Herbert rüber: „Hast du ne Ahnung!“`
Jürgen maulte über einen Autofahrer und fuhr dann von der Autobahn runter Richtung Hafen. Er lenkte den großen Lkw locker durch das Hafengewimmel und fand schnell ihre Abladestelle.Am nächsten Morgen konnten sie den Wagen beladn wieder abholen.
Diese Ladung mussten sie weit in den Süden bringen.
Jetzt fuhr Herbert wieder und Jürgen saß ziemlich still neben ihm, er betete zu allen Göttern und Heiligen,die ihm einfielen, bloß nicht wieder arbeitslos werden.
Er sah verstohlen zu Herbert rüber, der saß ruhig und gelassen am Lenkrad, das beruhigte ihn etwas. Nach dem bekanntenAutobahnkreuz fuhren sie Richtung Würzburg, um dann auf die Autobahn Richtung Kempten zu wechseln. Auf einem Rasthof hinter Kempten übernachteten sie.
Nach der Auslieferung ihrer Fracht fuhren sie nach Ingolstadt und nahmen dort Fracht auf für ihren Standort.
Ein paar Tage später wurden die Mitarbeiter vom Betriebsrat informiert, dass die Firma Gefahrgut- und Spezialtransporte übernehmen will und die Fahrer, die sich dafür interessierten,sollten sich im Büro melden.
Herbert und Jürgen waren die ersten im Büro.
Im Laufe der Zeit übernahmen die beiden Söhne des Kohlenhändlers die Firma und bauten diese nach und nach zu einer großen Spedition aus. Wahrscheinlich wollen die beiden Anfang nächsten Jahres sogar mit Heizöl anfangen.
Als Jürgen das hörte, dachte er, da hat Herbert mal wieder den richtigen Riecher gehabt.
Das Kohlengeschäft war fast auf null, alle Welt hatte jetzt Zentralheizung und die wird mit Heizöl betrieben. Ein Stück weiter vom Firmenplatz weg sollten die Tanks gebaut werden.
Jürgen klopfte ziemlich kräftig an die Haustür von Herbert,der öffnete und guckte etwas erstaunt. Jürgen konnte sich vor Aufregung gar nicht verständlich machen: „Die Amis sind auf dem Mond gelandet“, verstand Herbert dann doch.
„Klar und ich bin der Kaiser von China!“
„Wirklich!“ Jürgen gab keine Ruhe und zum Glück kam Elli und bestätigte es. Herbert schaute Jürgen und seine Frau ziemlich verdutzt an: „Mein lieber Scholli, erst die Russen mit dem Sputnik, dann Leika im Weltraum und Gagarin und jetzt sausen die Amis tatsächlichauf den Mond! Jetzt fehlt nur noch“, meinte Herbert, „dass